International
Kommentar

Catherine Deneuve und Michelle Williams. Zeit für einen #MeToo-Strategiewechsel?

This image released by Sony Pictures shows Michelle Williams, left, and Mark Wahlberg star in TriStar Pictures' "All The Money in the World." Ridley Scott’s film about the kidnapping of ...
Um diese beiden (Michelle Williams und Mark Wahlberg) geht es gleich. Und um ihren Film «All the Money in the World».Bild: AP/Sony -TriStar Pictures
Kommentar

Reden wir nicht von Sex, sondern von Geld. Ist es Zeit für einen #MeToo-Strategiewechsel?

Catherine Deneuve schimpft auf die übersensiblen Amerikanerinnen. Sie hat nicht nur unrecht, sollte dabei aber auch die eigene ökonomische Realität im Auge behalten. Der Lohngraben zwischen den Geschlechtern zeigt klarer als jede Diskussion über übergriffige Griffe, wer wem überlegen ist.
11.01.2018, 19:0112.01.2018, 12:49
Simone Meier
Folge mir
Mehr «International»

Catherine Deneuve und 100 weitere Französinnen haben ein Pamphlet geschrieben, das auf dem Recht der Männer (und Frauen) beharrt, sich gegenseitig anmachen und dabei auch schon mal ein bisschen zulangen zu dürfen. Und das von den Frauen fordert, sich nicht immer als Opfer zu sehen.

Das Pamphlet ist auf typisch französische Art nicht sonderlich genau in der Wortwahl und tendiert zur Frivolisierung der Debatte, aber hey, so wie auch kein Gesicht symmetrisch ist, hat auch keine Geschichte zwei gleiche Seiten. 

Der Beitrag der Französinnen ist nicht ein offener Brief gegen #MeToo, es ist eine Facette der Debatte.

Meine erste Reaktion: Endlich wird das Ganze mal ein bisschen entspannter angegangen! Und bestimmt ist Frau Deneuve so entspannt, weil sie aus einer enorm souveränen Position spricht und sich nicht wie ein Hollywood-Fabrik-Batteriehuhn fühlt, das mit vorgehaltenem Penis bedroht wird. Schliesslich, so dachte ich, sind wir in Europa, und da zeigt sich wahre Gleichberechtigung, denn da verdient sie doch als französischer Superstar sicher gleich viel wenn nicht mehr als ihre männlichen Pendants! Supercooles Frankreich.

A publicity handout image made available February 9, 2002 of the French film '8 Femmes' showing the French actresses from L-R Ludivine Sagnier, Virginie Ledoyen, Catherine Deneuve, Danielle  ...
Interessiert sich Catherine Deneuve (hier in «Huit Femmes», dritte von links) mehr für den Hedonismus als den Feminismus?Bild: EPA DPA

Und ganz ehrlich: Hat sie nicht ein bisschen recht? Knutschen und betatschen wir denn nicht alle irgendwann im Leben irgendwen im Überschwang der Hormone? Und wenn dieser jemand uns NICHT über- oder untergeordnet ist, ist es dann auch weinstein-schweinisch oder eher deneuve-flirty? Ich finde ja, langsam ist die Paranoia der Männer ansteckend.

 Seit es #MeToo gibt, hab ich regelmässig den Alptraum, dass jemand, an den oder die ich mich überhaupt nicht erinnere, auftaucht und sagt: «1997 hat Simone mich belästigt.»

Aber gehen wir doch zurück zur Idee der europäischen Gleichberechtigung und betrachten wir die letzten 15 (bekannten) Honorare von Catherine Deneuve und Gérard Depardieu. Zwei aus Frankreich, zwei auf einer Stufe, möchte man meinen.

Es ergibt sich für Deneuve ein Gesamteinkommen von 7'756'000 Euro mit einem durchschnittlichen Filmhonorar von 517'000 Euro. Für Depardieu sind es 14'672'462 Euro gesamt und 978'000 Euro im Schnitt pro Film. Das steht in einem Verhältnis von 1:1,9 oder aufgerundet 1:2. 

In this photo taken Wednesday, July 22, 2015, French actor Gerard Depardieu holds a hand scythe in the presidential residence of Ozerny, outside Minsk, Belarus. Depardieu has frequented the former Sov ...
Verdient Gérard Depardieu mehr, weil er mehr Volumen hat?Bild: AP/BelTA

Dumme Zahlen. Sie sagen klarer als jede Interpretation eines Blickes, eines Wortes oder einer Berührung, wo am Ende die Überlegenheit der einen über die andern hockt. Da geht es auch nicht mehr um Symbolpolitik (wohlmeinende Herren, die sich in schwarzen Anzügen an den Golden Globes scheinbar mit den Frauen solidarisieren, sie dann aber trotzdem nicht ans Mikrophon lassen). Da geht es um harte Fakten, die für die Französin ähnlich gelten wie für die Amerikanerin.

In Amerika geschieht nämlich gerade dies: Michelle Williams kriegt 1000 Dollar, Mark Wahlberg 1,5 Millionen. Ein Verhältnis von 1:1500. Für den gleichen Film. Nein, für den Nachdreh des gleichen Films. Er hat drei tragende Rollen, gespielt von Michelle Williams, Mark Wahlberg und – ursprünglich – Kevin Spacey. Ihr wisst schon, «All the Money in the World» von Regisseur Ridley Scott.

Spacey wird rausgeschmissen, weil er mutmasslich Jungs belästigt hat, und durch Christopher Plummer ersetzt. Der Nachdreh kostet gegen 10 Millionen Dollar. Geschätzte 300'000 Dollar gehen dabei an Plummer, 1,5 zusätzliche Honorar-Millionen an Wahlberg.

Michelle Williams arrives at the Oscars on Sunday, Feb. 26, 2017, at the Dolby Theatre in Los Angeles. (Photo by Richard Shotwell/Invision/AP)
Michelle Williams war auch 2017 für einen Oscar nominiert. Bild: Richard Shotwell/Invision/AP/Invision

Williams und Wahlberg werden von der gleichen Agentur vertreten. Doch als Ridley Scott die beiden unabhängig voneinander um zusätzliche Zeit bittet, sagt die supersozial eingestellte (weil Frau?) Michelle Williams: «Klar, gute Sache, ich geb' mein Honorar dran.» Das ist nett, aber natürlich naiv.

Es geht Ridley Scott nicht um sexualpolitische Sensibilisierung, sondern – wie er in Interviews immer freimütig zugibt – um finanzielle Schadensbegrenzung.

Wahlberg denkt nicht an Wohltätigkeitsarbeit und lässt seine Agentur hart verhandeln. Ridley Scott informiert Williams nicht über Wahlbergs Forderung, sie erhält ein Minimalhonorar von 80 Dollar pro Tag. Wahlberg gilt in Hollywood als Geldmaschine. Was er als Produzent macht, etwa die Serie «Entourage», verkauft sich gut und sein Gesicht schadet auch nicht.

epa06297778 (FILE) - US actor and show host Kevin Spacey poses on the red carpet while arriving to the 2017 Tony Awards at Radio City Music Hall in New York, New York, USA, 11 June 2017 (reissued 30 O ...
Kevin Spacey hat «All the Money in the World» zu einem multiplen Problemfilm gemacht.Bild: EPA/EPA

Williams war zwar schon für zwei Oscars mehr nominiert als Wahlberg, nämlich für ganze vier, gilt aber eher im Arthouse-Bereich als Publikumsmagnet. Trotzdem ist sie in «All the Money in the World» das drittwichtigste Gesicht auf der Leinwand. Das sollte honoriert werden. Und Ridley Scott hätte seine Hauptdarstellerin ehrlicherweise auf den krassen Lohnunterschied aufmerksam machen sollen. Hat er aber nicht. Weshalb der «Gender Pay Gap» in «All the Money in the World» jetzt zur Sauerei erklärt und zum Fall für die Gewerkschaft geworden ist.

Nur so als Beispiel.

Vielleicht braucht #MeToo einen Strategiewechsel. Vielleicht sollte sich die Bewegung nicht mehr (nur) die sexuelle Fehlbarkeit der Männer, sondern das Kapital vornehmen. All the money in the world. Rechnen als Rache. Jetzt, wo Kevin Spacey alias Frank Underwood auch aus «House of Cards» spediert worden ist, sollten wir alle ein bisschen mehr Claire Underwood werden. Denn es ist nun einmal so: Geld verleiht Respekt. Geld macht mächtig. Und nichts macht so selbstbewusst wie die Macht.

#metoo an der Golden Globes: Es geht um mehr als die Stars

Video: watson

Stars laufen bei den Golden Globes in Schwarz auf

1 / 24
Stars laufen bei den Golden Globes in Schwarz auf
Der rote Teppich ganz in Schwarz: Zur Verleihung der Golden Globes sind in Beverly Hills die meisten Prominenten in schwarzer Kleidung gekommen – als Zeichen gegen Ungleichbehandlung und Machtmissbrauch in Hollywood. Hier sind zu sehen (v.l.): Reese Witherspoon, Eva Longoria, Salma Hayek und Ashley Judd.
quelle: jordan strauss/invision/ap/invision / jordan strauss
Auf Facebook teilenAuf X teilen
DANKE FÜR DIE ♥
Würdest du gerne watson und unseren Journalismus unterstützen? Mehr erfahren
(Du wirst umgeleitet, um die Zahlung abzuschliessen.)
5 CHF
15 CHF
25 CHF
Anderer
twint icon
Oder unterstütze uns per Banküberweisung.
Das könnte dich auch noch interessieren:
74 Kommentare
Weil wir die Kommentar-Debatten weiterhin persönlich moderieren möchten, sehen wir uns gezwungen, die Kommentarfunktion 24 Stunden nach Publikation einer Story zu schliessen. Vielen Dank für dein Verständnis!
Die beliebtesten Kommentare
avatar
raues Endoplasmatisches Retikulum
11.01.2018 20:21registriert Juli 2017
Auch hier wird leider nicht auf den Inhaltes des Briefes eingegangen, sondern direkt auf die Frau gespielt, und das wenig überzeugend.
Depardieus ist Catherine Deneuve überlegen, weil er 14 statt "nur" 7 Millionen verdient hat und kann sie deswegen unter Druck setzten? Oder wie muss ich das verstehen. Auch werden einfach zwei Zahlen verglichen, Gagen für Filme. Was waren das für Filme, wie setzt sich die Gage zusammen, gab es zB ein Umsatzbeteiligung?
Zu Williams. Sry aber wenn man keinen Lohn verlangt, dann wird einem natürlich auch keiner bezahlt.
24318
Melden
Zum Kommentar
avatar
Judge Dredd
11.01.2018 20:29registriert April 2016
Oh man, dieser Artikel...
Sie vergleichen 2 Mal je eine Schauspielerin und einen Schauspieler (auf welcher Grundlage?), präsentieren irgendwelche Zahlen über die Löhne und bringen dies irgendwie noch mit #metoo in Verbindung?
Beide Vergleiche hinken gewaltig. Aber das ist ja noch nicht mal das Problem. In der Debatte sollte es darum gehen, das es A****löcher gibt, die sich nicht benehmen können. Das letzte was diese Diskusion braucht ist, dass man hier wieder ein Mann gegen Frau Ding draus macht! Nicht jeder Mann grabscht und nicht jeder Mann verdient mehr als eine Frau. Es geht um Individuen
975
Melden
Zum Kommentar
avatar
Karl Müller
11.01.2018 20:05registriert März 2015
Klar wäre das nett und anständig gewesen, wenn Scott auf den Lohn Wahlbergs hingewiesen hätte. Aber ist die Geschäftswelt nett und anständig?

Wir könnten ja auch alle nett und anständig sein. Ich würde das begrüssen. Aber man kann nicht fordern, dass Frauen als gleichberechtige, mündige Menschen und Geschäftspartner wahrgenommen werden sollen, aber sobald sie nicht zu ihrem eigenen Vorteil agieren, soll sich ihr männliches Gegenüber im Stile eines bevormundenden Gentlemans dem "naiven Dummerchen" grossherzig entgegenkommen und auf den eigenen Vorteil verzichten. Entweder, oder.
857
Melden
Zum Kommentar
74
19-Jähriger tötet in Baden-Württemberg offenbar Eltern und Bruder

Bei einem Gewaltverbrechen in Baden-Württemberg sind drei Mitglieder einer Familie getötet worden. Ein 19-Jähriger soll am Dienstagabend in einem Mehrfamilienhaus im Landkreis Waldshut seine Eltern und seine zwei Geschwister unter anderem mit einer Stichwaffe angegriffen haben, wie das Polizeipräsidium Freiburg und die Staatsanwaltschaft Waldshut-Tiengen am Mittwoch mitteilten.

Zur Story