Eine Demonstrantin hat sich Zahnpaste ins Gesicht geschmiert – das soll die Wirkung von Tränengas abschwächen. Bild: AP/AP
Parlamentschef Juan Guaidó hat sich gestern zum Übergangspräsidenten des südamerikanischen Landes erklärt und Präsident Maduro damit offen herausgefordert.
Die Opposition – wie auch viele Staaten und internationale Organisationen – anerkennen Maduro nicht als rechtmässigen Präsidenten, weil seine Wiederwahl keinen demokratischen Regeln entsprach.
Guaidó warf Maduro am Mittwoch vor Tausenden jubelnden Anhängern den Fehdehandschuh hin. «Vor dem allmächtigen Gott gelobe ich, die Kompetenzen der Exekutive als Interims-Präsident von Venezuela zu übernehmen», sagte der 35-jährige Abgeordnete bei einer Kundgebung in der Hauptstadt Caracas. «Lasst uns alle schwören, dass wir nicht ruhen, bis wir die Freiheit erlangt haben.»
Die US-Regierung unterstützt Guaidó und fordert Maduro zur friedlichen Machtübergabe auf – andernfalls drohen Konsequenzen. Präsident Donald Trump forderte andere Regierungen im Westen dazu auf, Guaidó ebenfalls als Übergangspräsidenten anzuerkennen.
Maduro brach daraufhin die diplomatischen Beziehungen zu den Vereinigten Staaten ab. Diplomatisches Personal müsse innerhalb von 72 Stunden das Land verlassen, sagte Maduro. «Die imperialistische US-Regierung will eine Marionettenregierung in Venezuela einsetzen», fügte er hinzu.
Maduro schwor seine Anhänger auf die Verteidigung seiner sozialistischen Regierung ein. «Hier ergibt sich niemand», sagte der Staatschef. Venezuela habe das Recht, sich selbst souverän zu regieren.
Die regierenden Sozialisten riefen zur Verteidigung Maduros auf. «Der Präsident ist Nicolás Maduro», sagte der Vizepräsident der sozialistischen Partei PSUV, Diosdado Cabello, bei einer Kundgebung. «Wer Präsident sein will, soll zum (Präsidentenpalast) Miraflores kommen. Dort wird das Volk sein und Nicolás Maduro verteidigen.»
Am Mittwoch gingen in ganz Venezuela Zehntausende Menschen gegen die sozialistische Regierung auf die Strassen.
Die Demonstranten zeigten Transparente mit der Aufschrift «Wir sind frei» und skandierten «Sie wird stürzen, sie wird stürzen, diese Regierung wird stürzen».
Die Polizei feuerte Tränengasgranaten und Gummigeschosse in die Menge. Vermummte Demonstranten schleuderten Steine auf die Sicherheitskräfte. Nach Medienberichten wurden mehrere Demonstranten festgenommen.
Bei den Unruhen sind binnen zwei Tagen 13 Menschen ums Leben gekommen. Die meisten Menschen seien durch Schusswaffen getötet worden.
Das Militär hat sich hinter Präsident Nicolás Maduro gestellt. «Die Soldaten des Vaterlandes akzeptieren keinen Präsidenten, der von dunklen Mächten eingesetzt wird, oder sich abseits des Rechts selbst einsetzt.»
Dies schrieb Verteidigungsminister Vladimir Padrino am Mittwoch auf Twitter. «Die Streitkräfte verteidigen unsere Verfassung und sind der Garant unserer nationalen Souveränität.»
Die Streitkräfte sind ein wichtiger Machtfaktor in Venezuela. Generäle sitzen an den wichtigen Schaltstellen, kontrollieren das Erdölgeschäft, den Import von Lebensmitteln, Banken und Bergbaufirmen. Guaidó rief die Soldaten zuletzt immer wieder dazu auf, sich auf die Seite der Opposition zu stellen.
Video: srf
Auf Twitter sind Aufnahmen aufgetaucht, die zeigen könnten, dass das Militär nicht geschlossen hinter Maduro steht. Auf mindestens einem Video ist zu sehen, wie das Militär eine Strassenblockade aufgibt und sich zurückzieht – offenbar wollte man eine Konfrontation vermeiden.
Ein weiteres Video zeigt, dass sich die Polizei sogar der Demonstration anschliesst.
Nach den USA anerkannten auch Brasilien, Kolumbien und Paraguay Guadió als legitimen Übergangs-Staatschef an. Die Führung der Organisation Amerikanischer Staaten (OAS) stellte sich ebenfalls hinter Guaidó. Mexikos Regierung hielt dagegen an Maduro fest.
Unterdessen setzt EU-Ratspräsident Donald Tusk nach eigenen Worten auf eine einheitliche Position der EU-Mitgliedstaaten zur «Unterstützung der demokratischen Kräfte» in Venezuela.
Anders als der umstrittene sozialistische Staatschef Nicolás Maduro hätten das venezolanische Parlament und dessen Präsident Guaidó «ein demokratisches Mandat» der Bürger, schrieb Tusk am Mittwochabend im Kurzbotschaftendienst Twitter.
Die amerikanische Botschaft in Venezuela hat indes eine Warnung veröffentlicht. US-Bürger sowie Mitarbeiter der Vertretung sollen Demonstrationen meiden und sich auf dem Laufenden halten.
(sda/dpa/afp/vom)