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Chiles Präsident Piñera geht hart gegen Unruhen vor

«Wir befinden uns im Krieg» – Chiles Präsident Piñera geht hart gegen soziale Unruhen vor

21.10.2019, 13:3221.10.2019, 13:35
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Proteste in Chile

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Proteste in Chile
quelle: ap / esteban felix
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Angesichts der schwersten sozialen Unruhen seit Jahrzehnten spricht Chiles Präsident Sebastián Piñera von einem «Krieg». Die konservative Regierung des südamerikanischen Landes weitete am Sonntag den Ausnahmezustand aus.

Der zunächst nur für die Hauptstadt Santiago de Chile geltende Notstand wurde in mehr als der Hälfte der Regionen des Landes verhängt. Die Zahl der Todesopfer stieg auf zehn, rund 1500 Menschen wurden festgenommen.

«Wir befinden uns im Krieg gegen einen mächtigen, unversöhnlichen Feind», sagte Piñera am Sonntagabend nach einer Krisensitzung mit General Javier Iturriaga, der mit der Wiederherstellung der Sicherheit in der Hauptstadt Santiago de Chile beauftragt wurde. Der Gegner sei bereit, grenzenlos Gewalt und Kriminalität einzusetzen, sagte Piñera. Alle Chilenen müssten sich jetzt zusammenschliessen.

Der Ausnahmezustand wurde von Innenminister Andrés Chadwick auf neun der 16 Regionen Chiles ausgeweitet. Die Gewalteskalation werde organisiert, um Chile zu schaden, sagte Chadwick. Eine nächtliche Ausgangssperre in Santiago de Chile wurde verlängert. Am Flughafen der Hauptstadt fielen hunderte Flüge aus, tausende Passagiere strandeten.

Gewaltsame Proteste

Die Proteste waren durch eine Erhöhung der Ticketpreise für den öffentlichen Nahverkehr in der Sieben-Millionen-Stadt Santiago de Chile ausgelöst worden. Nach ersten Zusammenstössen am Freitag hatte der konservative Präsident Piñera die Fahrpreiserhöhung am Samstag ausgesetzt. Die Unruhen hielten aber an.

Am Wochenende kam es zu gewaltsamen Auseinandersetzungen zwischen Demonstranten und der Polizei. Dutzende Supermärkte und Tankstellen wurden geplündert, die Zentrale eines grossen Energieunternehmens sowie ein Redaktionsgebäude von Chiles ältester Zeitung in Brand gesetzt. 78 U-Bahn-Stationen in Santiago wurden beschädigt.

Rund 9400 Soldaten kamen nach Angaben des Verteidigungsministeriums im Einsatz. Am Sonntag wurden 17 Polizisten verletzt. Insgesamt gab es bisher nach Angaben der Staatsanwaltschaft 1554 Festnahmen. Mehr als 60 Supermärkte wurden in verschiedenen Städten geplündert und mindestens sechs in Brand gesetzt.

Am Rande der Proteste kamen mindestens zehn Menschen ums Leben. Die Leichen wurden nach verschiedenen Plünderungen in der Hauptstadt Santiago gefunden, unter anderem in ausgebrannten Supermärkten, einer Baumarktkette und einer Textilfabrik, wie die Behörden am Sonntag (Ortszeit) berichteten.

«Oase in Flammen»

Angesichts der Proteste in anderen Ländern Lateinamerikas wie etwa Ecuador hatte Piñera noch vor kurzem gesagt, Chile sei wie eine «wahre Oase, eine stabile Demokratie, eine wachsende Wirtschaft». Doch unter der Oberfläche schwelt nach Einschätzung von Beobachtern seit Jahren Unmut über eine wachsende soziale Schieflage.

Die spanische Zeitung «El Mundo» kommentierte: «Eine Art Stabilisator in einer von Populismen dominierten Region. Heute steht die Oase mit mehr als 700 Inhaftierten und 100 Verletzten in Flammen.» Die Zeitung «La Nación» sprach von der schwersten Krise seit Beginn der Demokratie vor fast 30 Jahren. Chile war von 1974 bis 1990 unter Augusto Pinochet eine Diktatur gewesen. (aeg/sda/afp/dpa)

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25 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Thomas Bollinger (1)
21.10.2019 14:54registriert Juli 2015
Wegen 5 Rappen Preiserhöhung explodiert keine Gesellschaft, es sei denn, da sei sonst etwas massiv nicht in Ordnung. Dazu möchte ich gerne etwas lesen.
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Füürtüfäli
21.10.2019 17:10registriert März 2019
Alles dank den neoliberalen Chicago Boys! Das einzige was die Neoliberalen können, ist die einfachen Arbeitnehmer ausplündern und es schön den Reichen und Konzernen nachzuschieben, Chile ist da das beste Beispiel, wohin der Neoliberalismus führt!
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El Mac
21.10.2019 14:01registriert Juli 2017
Ihr stellt nur Videos online, die Polizei und Militär zeigen bei Festnahmen. Ihr zeigt nicht die Videos, bei denen diese Leute ganze Läden ausräumen, Häuser von Familien überfallen, die Metro in Brand stecken und Leute in Supermärkten töten, in dem sie es in Flammen stecken. Gut recherchiert.
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