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Zehn Armeen gegen eine Miliz: Die Machtverhältnisse im Jemen im Überblick

Krisenland Jemen: Schwieriges Terrain für Invasoren. 
Krisenland Jemen: Schwieriges Terrain für Invasoren. bild: spiegel online

Zehn Armeen gegen eine Miliz: Die Machtverhältnisse im Jemen im Überblick

Saudi-Arabien plant eine gewaltige Invasion im Jemen – und gibt sich siegesgewiss. Doch wie schlagkräftig ist die sunnitische Militärallianz? Wie werden die Huthi-Milizen Widerstand leisten? 
28.03.2015, 17:3928.03.2015, 19:33
Christoph Sydow
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Ein Artikel von
Spiegel Online

Saudi-Arabiens Königshaus hat von den USA gelernt. Die PR-und Medienpropaganda, die Riads Militäreinsatz im Jemen begleitet, hätte auch aus dem Pentagon kommen können. Sie wirkt wie eine Kopie der Öffentlichkeitskampagne, die das US-Verteidigungsministerium bei den Kriegen im Irak und in Afghanistan gefahren hat.

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Machtkampf im Jemen
Ein Widerstandskämpfer, loyal zu Präsident Abed Rabbo Mansur Hadi, besetzt ein Luftabwehrgeschütz.
quelle: x80002 / stringer
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Die Saudis haben ihrer Mission einen markigen Titel gegeben, «Sturm der Entschlossenheit», der bewusst an die «Operation Wüstensturm» erinnern soll. So nannten die USA ihren Krieg gegen das irakische Regime 1991. Dazu verbreitet das Herrscherhaus in Saudi-Arabien Bilder aus dem Einsatzführungskommando der Armee. Immer im Mittelpunkt: Prinz Mohammad bin Salman, Sohn des erst vor zwei Monaten inthronisierten Königs und mit 34 Jahren der jüngste Verteidigungsminister der Welt.

Verteidigungsminister Mohammad bin Salman: Saudis demonstrieren Stärke.
Verteidigungsminister Mohammad bin Salman: Saudis demonstrieren Stärke.Bild: HANDOUT/REUTERS

Wie die USA bei ihren Kriegen im Nahen und Mittleren Osten betont Saudi-Arabien ausdrücklich, dass es nicht allein handelt. Stolz verkündet Riad, an der Spitze einer Allianz aus zehn Staaten zu stehen, die noch dazu von den USA und Grossbritannien unterstützt wird.

Wie schlagkräftig ist das Bündnis, das die Huthi-Rebellen bekämpfen soll?

Saudi-Arabien stellt den Grossteil der Truppen für den «Sturm der Entschlossenheit». 100 Kampfjets sind im Einsatz, zudem eine nicht genau genannte Zahl von Kriegsschiffen. Ausserdem stehen 150'000 Soldaten für eine Bodenoffensive bereit. Damit würden sich zwei Drittel der saudi-arabischen Soldaten an der Invasion beteiligen.

Möglicherweise übertreibt Riad diese Zahlen bewusst, denn eine solch massive Truppenverlegung würde bedeuten, dass die Armee andere Konfliktzonen entblösst - etwa die Grenze zum Bürgerkriegsland Irak, in dem der «Islamische Staat» (IS) grosse Teile kontrolliert. Der IS will das saudische Königshaus stürzen und hat Anschläge gegen die Monarchie angedroht.

Neben Saudi-Arabien soll offenbar Ägypten die Hauptlast des Militäreinsatzes tragen. Nach Angaben aus Kairo bringt das Militär derzeit fünf Kriegsschiffe im Roten Meer in Stellung. Etwa 40'000 Soldaten sollen sich an der geplanten Invasion beteiligen, unterstützt von ägyptischen Kampfjets.

Offenbar plant die Anti-Huthi-Koalition, die Aufständischen von zwei Seiten zu bedrängen: Während die Saudi-Araber von Norden einmarschieren, sollen die Ägypter an den Küsten im Westen und Süden anlanden. Unklar bleibt, woher Ägyptens Staatschef Sisi die Zuversicht nimmt, seiner Armee könnte im Jemen gelingen, woran sie auf der heimischen Sinai-Halbinsel seit Jahren scheitert: Eine islamistische Guerillagruppe militärisch besiegen, die sich mit lokalen Stammeskämpfern verbündet hat.

Die kleineren arabischen Golfstaaten Bahrain, Katar, Kuwait und die Vereinigten Arabischen Emirate beteiligen sich nach den bisher bekannten Plänen nur an den Luftangriffen gegen die Huthi-Miliz. Gleiches gilt für Jordanien, Marokko und den Sudan. Insgesamt sollen sich damit 185 Kampfjets an der Mission beteiligen. Das ist ein Vielfaches mehr, als im Irak und in Syrien gegen den IS im Einsatz ist.

Als zehnter Staat beteiligt sich Pakistan an der Operation «Sturm der Entschlossenheit». Islamabad unterstützt den Einsatz mit Flugzeugen und Kriegsschiffen. Um welche Arten es sich dabei handelt, und welche Aufgaben sie übernehmen sollen, ist bislang nicht bekannt. Premierminister Nawaz Sharif teilte zudem mit, er prüfe die Bitte Saudi-Arabiens zur Entsendung von Bodentruppen. Pakistan versucht seit Jahren vergeblich im eigenen Land die Taliban militärisch zu besiegen - fühlt sich aber trotzdem zu einem Eingreifen im Jemen berufen.

Wie stark sind die Huthi-Rebellen?

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Ein Huthi-Soldat: Teile der Armee stützen die Rebellen.
Ein Huthi-Soldat: Teile der Armee stützen die Rebellen.Bild: YAHYA ARHAB/EPA/KEYSTONE

Ein grosses Rätsel ist derzeit die Widerstandsfähigkeit der Huthis und ihrer Verbündeten. Die Schätzungen zur Zahl der Milizionäre schwanken zwischen 30'000 und 100'000. Sie haben in den vergangenen Monaten deutlich aufgerüstet. Zu ihrem Arsenal gehören inzwischen Artilleriegeschütze, Panzerabwehrraketen und schultergestützte Flugabwehrwaffen.

Einen Teil der Waffen haben sie offenbar aus Iran erhalten, vieles erbeuteten sie aber bei ihrem Vormarsch in den vergangenen Monaten. Damit können die Rebellen zwar nicht einer Invasion von 200'000 Soldaten standhalten, sie können die Truppen aber nach dem Einmarsch in einen verlustreichen Guerillakrieg verwickeln.

Die bisherigen militärischen Erfolge der Huthis wären undenkbar ohne ihr taktisches Bündnis mit dem Clan des 2012 abgesetzten jemenitischen Langzeitpräsidenten Ali Abdullah Salih. Dessen Sohn Ahmed befehligte einst die Republikanischen Garden, die Eliteeinheit der Armee. Anfänglich hatte Ahmed Salih dem Nachfolger seines Vaters, Präsident Abd Rabbo Mansur al-Hadi, seine Unterstützung versprochen, doch bald kam es zum Bruch.

Der Sohn des Ex-Diktators scharte mehrere tausend Soldaten hinter sich, darunter Teile der Luftwaffe. Mit ihrer Hilfe drängten die Huthi-Rebellen Präsident Hadi und seine Anhänger immer weiter zurück.

Noch hält die Allianz zwischen Huthis und dem Salih-Clan, doch beide verfolgen langfristig kollidierende Interessen. Beide wollen letztlich die alleinige Macht in Sanaa. Versuche einer Einigung waren schon zu Regierungszeiten von Salih Senior unzählige Male gescheitert. Unter dem Druck der ausländischen Intervention könnte das Bündnis bald zerbrechen.

Zusammengefasst: Insgesamt knapp 200'000 Soldaten und 185 Kampfjets sollen sich unter Saudi-Arabiens Führung an der Militäroperation im Jemen beteiligen. Der Erfolg ist ungewiss: Die Huthi-Rebellen wollen die Invasoren in einen verlustreichen Guerillakrieg verwickeln.

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