Kurz nachdem am Sonntagabend die Panama Papers für ein gigantisches Beben in der Finanzwelt gesorgt hatten, tauchten erste kritische Stimmen auf. Der lauteste Vorwurf war: Die Journalisten, die das Datenleak veröffentlichten, konzentrierten sich in ihrer Berichterstattung auf die üblichen Verdächtigen – Putin, Assad, China – während die westliche Politprominenz und Wirtschaftsführer ungeschoren davonkamen.
Tatsächlich ist erstaunlich, wie wenige Namen von amerikanischen Staatsbürgern und Firmen in den Unterlagen von Mossack Fonseca auftauchten. «Fusion», das an der Recherche der Panama Papers beteiligt war, identifizierte in einem ersten Bericht gerade einmal 211 Personen mit US-Adressen auf, die als Firmeninhaber in den Daten auftauchten – und da ist noch nicht einmal klar, ob alle diese Personen die US-Staatsbürgerschaft aufweisen.
Die Schlussfolgerung, dass US-Staatsbürger und amerikanische Firmen auf die Tricks der Briefkastenfirmen verzichten, ist natürlich verfehlt: Jährlich werden über eine Billion US-Dollar vor dem Fiskus versteckt. Die Steuerausfälle gehen in die Milliardenhöhe.
Für die Abwesenheit von bekannten amerikanischen Namen gibt es gute Gründe – die wenig zu tun haben mit einer angeblichen gelenkten Berichterstattung. Das sind die fünf wichtigsten Gründe:
Panama galt einst als Paradies für Geschäftsleute, die es mit Gesetzen und moralischen Grundsätzen nicht so genau nahmen. Im kleinen mittelamerikanischen Landfleck zwischen Costa Rica und Kolumbien konnten sonnenbebrillte Geschäftsleute unbehelligt schmutzige Deals abwickeln – von Geldwäsche, über Drogenhandel bis hin zur Steuerflucht. Eine laxe Gesetzgebung und korrupte Behörden zogen zwielichtige Gestalten an. Bis George Bush Sr. 1989 beschloss, im «Hinterhof der USA» wieder mal ein wenig zu kehren und Regierungschef Manuel Noriega aus dem Amt zu hieven. Seither hat die Attraktivität des Landes als Steuerschlupfloch merklich abgenommen.
Während Panama in den 90er-Jahren in der Gunst der Amerikaner gesunken ist, entwickelten sich die Britischen Überseegebiete, Bermudas, Cayman Islands und die Jungferninseln zu den bevorzugten Steueroasen für reiche Amerikaner mit Fiskus-Phobie. Ein paar Griffe an den Hebeln der Gesetzgebungsmaschine katapultierten die Inseln in den Offshore-Olymp und die Vertrautheit mit dem britischen Justizsystem erleichterte den Anwälten die Arbeit. Hinzu kommt, dass Panama als notorisch instabil galt und gilt. Keine gute Voraussetzung, um seine Millionen in Sicherheit zu bringen.
Wie viele Amerikaner kennst du, die eine Fremdsprache sprechen? Genau. Anstatt sich also in Panama mit spanischsprachigen Anwälten, Dokumenten und Paragrafen herumzuschlagen, wichen die fremdsprachenscheuen Amerikaner, die ihr Geld in Offshore-Konstrukten parkieren wollten, lieber auf die nahe gelegenen Britischen Überseeterritorien aus.
«Warum in die Ferne schweifen, das Gute liegt so nahe.» Für US-Amerikaner gilt Goethes Aphorismus auch für den Finanzbereich: Während die USA mit dem Foreign Account Tax Compliance Act (Facta) den Kunden ausländischer Banken genau auf die Finger schauen, ist es in einigen Bundesstaaten mit der Transparenz nicht allzu weit her. Vor allem Delaware und Nevada legen Unternehmen und Privatpersonen, die ihren Reichtum unauffällig und unentdeckt schlummern lassen wollen, keine grossen Steine in den Weg. Im Gegenteil. Somalia habe leicht höhere Standards als Wyoming und Nevada, sagte ein Experte 2011 der Nachrichtenagentur Reuters. Somalia, das 2015 auf dem zweitletzten Platz des Korruptionsindexes von Transparency International gelandet ist. Knapp vor Nordkorea.
Noch sind bei Weitem nicht alle Daten von Mossack Fonseca ausgewertet und täglich veröffentlichen die an der Recherche beteiligten Medien neues Material zu den Panama Papers. Stefan Plöchlinger, Redakteur der Süddeutschen Zeitung, dämpfte zwar auf Twitter die Euphorie auf kommende US-Enthüllungen. Dennoch: Gut möglich, dass in den nächsten Wochen noch weitere Namen auftauchen werden – auch aus den USA.
@Doener Einfach mal abwarten, was noch kommt...
— Stefan Plöchinger (@ploechinger) 3. April 2016
.@Jimmyeatacid @Doener No, it just means: relax. What's in the files will ne published without fear or favor.
— Stefan Plöchinger (@ploechinger) 3. April 2016
(wst)