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Ralph on the Road

Trump vs. Harris: So unterschiedlich waren ihre Rallys in Georgia

Video: watson/Ralph Steiner, Lucas Zollinger
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Trump-Rally: «Wenn er nach einer Vagina greifen möchte, sollten wir ihm eine geben»

In 10 Tagen fällt in den USA die Entscheidung. Donald Trump und Kamala Harris touren fast pausenlos durchs Land, um letzte Wähler zu mobilisieren. watson hat je einen Wahlkampfauftritt besucht. Die Sorgen der Amerikaner sind riesig, Frust und Ärger ebenso. Die Reportage aus Georgia.
27.10.2024, 05:2804.11.2024, 03:28
ralph steiner, georgia
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Duluth und Clarkston sind nur 45 Autominuten voneinander entfernt und doch liegen zumindest in dieser Woche Welten zwischen den beiden Städten im US-Bundesstaat Georgia.

Donald Trump hielt am Mittwoch in Duluth eine Wahlkampfveranstaltung ab, am Donnerstag ging in Clarkston eine Rally von Vizepräsidentin Kamala Harris über die Bühne.

Dass sich beide Anwärter auf das Präsidentenamt in Georgia präsentierten, liegt daran, dass der bevölkerungsreiche Südstaat bei der anstehenden Wahl zu den sieben Swing States gehört. Das Rennen ist absolut offen, gemäss Umfragedaten der «New York Times» liegt Trump aktuell einen Prozentpunkt vor Harris (49 zu 48 Prozent).

Inhaltlich brachten die Auftritte von Trump und Harris keine neuen Erkenntnisse hervor. Beide spulten ihr gewohntes Programm ab. Viel spannender war es, sich auf das Drumherum und die Anliegen der Wählenden zu konzentrieren. Ob Stil, Sprache oder Stimmung – die Unterschiede waren riesig. Ein Eindruck.

Lager Trump: Wirtschaft und Migration

Die Gespräche vor Ort zeigten: Die Sorgen im Trump-Lager drehen sich primär um Wirtschaft, Migration und den Kampf gegen Wokeness.

Trump-Anhängerin Wendy sagte: «Ich glaube nicht an Transsexualität, Woke-Ideologien und die Indoktrinierung von Kindern. Es handelt sich dabei um psychische Krankheiten, die behandelt werden müssen.» Sie warnt vor einer Zukunft unter der Regierung der Demokraten:

«Wird Kamala Harris gewählt, verkommen die USA zu Venezuela 2.0 auf Steroiden.»
Auf Wendys T-Shirt steht: God, Guns and Trump.
Auf Wendys T-Shirt steht: God, Guns and Trump.bild: watson

«Die Wirtschaft, die Wirtschaft und die Wirtschaft», antwortete Dustin auf die Frage nach den aktuell drängendsten Problemen. Unter Trump – den er wie alle anderen Anhänger als kompetenten Geschäftsmann bezeichnet – komme es aber gut: «Donald Trump möchte uns reich und wohlhabend machen und uns den Zugang dazu verschaffen.» Ganz anders Dustins Haltung gegenüber den Demokraten:

«Ich hoffe, Trump geht hart gegen diese korrupten Drecksäcke vor.»
Sollte Kamala Harris gewählt werden, überlegt sich Dustin auszuwandern, z. B. nach Bali.
Sollte Kamala Harris gewählt werden, überlegt sich Dustin auszuwandern, z. B. nach Bali.bild: watson

Tom beschäftigt vor allem die Zuwanderung: «Unser Land wird mit illegalen Migranten geflutet, die kein Recht haben, hier zu sein.» Der Trump-Wähler sagte genervt:

«Schau dir die Kriminalität in Venezuela an, die liegt bei null. Weisst du, wieso? Weil alle Straftäter bei uns sind.»

Tony, der mit seiner Partnerin Marybeth angereist ist, hat in der Vergangenheit beide Parteien gewählt. Die Demokraten seien jedoch vom Weg abgekommen, deswegen gehört er heute zum Lager der Republikaner. Er lobt Trumps Einsatz für die Nation:

«Er ist ein reicher Mann und müsste das alles nicht mehr tun. Doch er kümmert sich um das Wohl des Landes, das schätze ich.»

Das sagen Trump-Fans bei der Rally in Duluth:

Video: watson/Ralph Steiner, Lucas Zollinger

Lager Harris: Abtreibung und soziale Gerechtigkeit

Etwas anders sah die Lage in Clarkston bei den Unterstützern von Kamala Harris aus. Die dominanten Themen sind Abtreibung und Frauenrechte sowie soziale Sicherheit und Gerechtigkeit. HR-Fachfrau Elisabeth macht sich Sorgen:

«Die Vorstellung, unter Donald Trump schwanger zu werden, beängstigt mich. Sollte etwas schiefgehen, möchte ich das Recht haben, selbst über meinen Körper entscheiden zu können.»
Für Elisabeth ist Kamala Harris eine wahre Amerikanerin, die ihr Land liebt.
Für Elisabeth ist Kamala Harris eine wahre Amerikanerin, die ihr Land liebt. bild: watson

«Sie bringt die Mittelklasse dorthin zurück, wo sie sein sollte, etwa mit Zuschüssen beim Hauskauf», so die Meinung von Harris-Anhängerin Patty. Sie wünscht sich, dass Milliardäre stärker besteuert werden. Mit Donald Trump kann Patty nichts anfangen:

«Er spaltet das Land, er ist böse, ein Straftäter und Vergewaltiger. Diejenigen, die ihn immer noch unterstützen, müssen Hass in ihren Knochen haben.»

Sam ist Schreiner und Mitglied der Schreiner-Gewerkschaft. Er unterstützt Kamala Harris, weil sie sich für die handwerkliche Arbeit einsetzt. Sam hofft, dass seine Gewerkschaft unter Harris weitere Fördermittel erhalten wird. Unter Trump sei dies nicht sicher:

«Wenn Trump gewählt wird, könnte dieses Geld anderswo hinfliessen. Es ist schwer, mit dieser Unsicherheit leben zu müssen.»
Sam ist Schreiner, Gewerkschafter und rekrutiert Nachwuchs.
Sam ist Schreiner, Gewerkschafter und rekrutiert Nachwuchs.bild: watson

Auch Rentnerin Jan wählt am 5. November Kamala Harris. Sie betonte: «Ich war mein ganzes Leben eine Republikanerin. Doch ich würde niemals Donald Trump wählen.» Es war ein Zielkonflikt, der Jan zu einer Wählerin der Demokraten machte:

«Ich dachte früher, dass ich wirtschaftlich konservative und gleichzeitig sozialliberale Werte vertreten könnte.»

Beides gehe jedoch nicht. «Ich habe mich entscheiden müssen und die sozialliberalen Werte höher gewichtet.»

Das sagen Harris-Anhänger an der Rally in Clarkston:

Video: watson/Ralph Steiner, Lucas Zollinger

Die Atmosphäre

Nicht nur was die politischen Präferenzen und die Ausdrucksformen betraf, auch hinsichtlich Stil und Stimmung war die Kluft zwischen den beiden Wahlkampfveranstaltungen beträchtlich.

Über die Jahre haben Trumps Rhetorik und sein oft rüpelhaftes Verhalten dazu geführt, dass an der Rally in Duluth teilweise eine angespannte Atmosphäre auszumachen ist.

Wer macht das Rennen?

Seine Anhänger tragen T-Shirts mit Aufschriften wie «Say No to the Hoe» oder «The Hoe Is Just as Bad as Joe». Einige brüllen nicht jugendfreie Parolen durch die Gegend und vergreifen sich auch in Interviews des Öfteren im Ton.

Die teils skandalöse Vergangenheit Trumps wird konsequent schöngeredet. Erstwähler Benjamin plädiert zwar für einen anständigen Austausch auch mit politischen Gegnern, dass Donald Trump ein verurteilter Straftäter ist, stört den 19-Jährigen jedoch nicht:

«Wir alle hatten in der Vergangenheit Probleme, niemand ist perfekt. Für das Gemeinwohl zu sorgen, ist wichtiger.»
Benjamin (rechts) besuchte Trumps Rally in Duluth mit seinem Mitbewohner.
Benjamin (rechts) besuchte Trumps Rally in Duluth mit seinem Mitbewohner.bild: watson

Auch Tom betont in Duluth, dass ihm das Wohl des Landes wichtiger sei als Trumps Privatleben. In Anlehnung an eine frühere Aussage Trumps sagt er:

«Wenn er nach einer Vagina greifen möchte, sollten wir ihm als Präsidenten eine geben.»
Privates sei privat, so Trump-Unterstützer Tom.
Privates sei privat, so Trump-Unterstützer Tom.bild: watson

Natürlich scheuen sich auch die demokratischen Wählerinnen und Wähler an der Rally in Clarkston nicht davor, ihre Meinung kundzutun. Patty bezeichnete Trump als «Vergewaltiger», Jerome führte aus: «Er ist ein Rassist, Faschist und Narzisst, eine solche Person kann ich nicht unterstützen.»

Patty fragt sich: «Wenn man hört, was Trump sagt, und sieht, was er tut, wie kann man ihn immer noch unterstützen?»
Patty fragt sich: «Wenn man hört, was Trump sagt, und sieht, was er tut, wie kann man ihn immer noch unterstützen?»bild: watson

Der Grundtenor bei den Demokraten war jedoch gesittet, die Sprache anständig, die Stimmung – wie für politische Veranstaltungen üblich – lebhaft, aber keineswegs aufgeheizt.

Die Organisation

Donald Trump setzt nebst dem verbalen Zweihänder auf einen regelrechten Personenkult, was sich an der Rally in Duluth einmal mehr exemplarisch zeigte.

Eine enttäuschte Trump-Anhängerin berichtete auf Instagram, mit ihren Freunden drei Stunden in der Schlange gestanden zu haben. In die Arena schafften sie es nicht. Mehrere tausend Personen sollen vergeblich angereist sein.

epa11679079 Former US President and Republican presidential nominee Donald Trump speaks at the Turning Point PAC campaign rally at the Gas South Arena, in Duluth, Georgia, USA, 23 October 2024. Trump  ...
Nicht alle schafften es zu Trump in die Arena.Bild: keystone

Am späteren Nachmittag begannen die Organisatoren, die anstehenden Personen darauf aufmerksam zu machen, dass es sehr unwahrscheinlich sei, Trumps Auftritt noch live in der Arena zu können. Auch der watson-Reporter schaute die Rally trotz Ticket im Livestream. Der Antrag für eine journalistische Akkreditierung wurde abgelehnt.

Ob die Situation in Duluth damit zu erklären war, dass Trump seine Rallys bewusst überbucht, lässt sich nicht sagen. Allerdings existieren Berichte über vergangene Trump-Veranstaltungen, bei denen mehr Tickets vergeben wurden, als Plätze vorhanden waren. Hinzu kommen Trumps wiederholte Aussagen, wonach seine Auftritte grössere Menschenmengen anziehen als die seiner Kontrahentin.

Ganz anders die Situation tags darauf in Clarkston. Dort war es auch als Schweizer Journalist möglich, sich zu akkreditieren. Das Presse-Ticket wurde ohne vorgängige Anmeldung spontan vor Ort ausgestellt. Geduld brauchte es nur, bis die Spürhunde des Secret Service das Equipment aller Medienschaffenden geprüft hatten.

Dafür sind die Kommunikationsfähigkeiten der Harris-Kampagne ausbaufähig. Lange blieb der Anlass offiziell unbestätigt, der Ort des Happenings, ein Football-Stadion in Clarkston, wurde erst am Vorabend bekannt gegeben.

Ein amerikanischer Fotograf, der Harris quer durchs Land nachreist, sieht seine Nerven oft strapaziert: «Die Kommunikation der Harris-Kampagne ist grauenhaft, das Team von Trump hat die Planung viel besser im Griff.»

Fazit

Der Besuch der beiden Rallys hat gezeigt, was für ein polarisiertes Land die USA derzeit sind. Auch wenn die Wählerschaft der Demokraten etwas mehr zu einem politischen Miteinander neigt; beide Seiten scheinen realpolitisch zu wenig Konzessionen bereit.

epa11683889 US Vice President and Democratic presidential nominee Kamala Harris speaks during a campaign rally at the Shell Energy Stadium in Houston, Texas, USA, 25 October 2024. Harris is running ag ...
Kamala Harris an einer Rally in Houston, Texas. Bild: keystone

Das Wahlkampf-Stakkato der beiden Kandidierenden geht derweil weiter. Donald Trump hat sieben zusätzliche Rallys angekündigt und macht unter anderem in den Swing States Pennsylvania, Wisconsin und Nevada Halt.

Kamala Harris besucht gemäss Medienberichten die Swing States Pennsylvania und Michigan, zudem hält sie eine Woche vor dem Wahltag eine Rede in Washington D.C.

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So skurril kleiden sich die Trump-Fans
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So skurril kleiden sich die Trump-Fans
Die selbst ernannten Trump-Girls.
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Ralph's Road to the Presidential Election: Das sind die Stimmen von einer Harris-Rally
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130 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Schlaf
27.10.2024 07:21registriert Oktober 2019
Die Trump-Wählerschaft ist so hart von der Realität abgedriftet, dass es schmerzt, ihre Aussagen über Trump zu lesen.

Erfolgreicher Geschäftsmann..
Er will die Menschen reich machen..
Er will Korruption bekämpfen..
Er setzt sich für den kleinen Mann ein..
Er bringt Amerika auf Kurs..

Er hatte 4 Jahre Zeit, Amerika gross zu machen, was er in dieser Zeit gemacht hat, war alles andere als das, was er vorgegaukelt hat.
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Garp
27.10.2024 07:29registriert August 2018
Es ist erschreckend, wie sich die Trumpwählerschaft manipulieren lässt. Es entspricht quasi nichts den Tatsachen, warum sie Trump wählen wollen.
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Möwin
27.10.2024 07:53registriert März 2020
Immer wieder erstaunlich alle vier Jahre in den USA. Diese Einfachheit dieser grosser Anzahl an amerikanischen Bürger/innen, welche sich einfach manipulieren und beeinflussen lassen. Diplomatisch formuliert: Diese Einfachheit dieser Bürger/innen ist erschreckend.
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