FDP-Präsident Philipp Müller sagt, es gebe kein «Asylchaos» in der Schweiz.Bild: KEYSTONE
Monatelang hat FDP-Präsident Philipp Müller mit dem «Asylchaos» Wahlkampf gemacht. Jetzt, wo sich in Europa ein echtes und gut sichtbares Flüchtlingsdrama abspielt, ist alles anders.
01.09.2015, 16:3211.11.2020, 12:35
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FDP-Präsident Philipp Müller hat seine Partei zurück auf den Erfolgspfad geführt. Massgeblicher Bestandteil von Müllers Strategie, die darniederliegende Wirtschaftsfilz-Partei wieder volksnah ins Gespräch zu bringen, war es, der SVP beim Thema Migration Konkurrenz zu machen. Dazu begründete Müller 2011 in einem Positionspapier den Begriff «Asylchaos», mit dem er auch im Wahlkampf 2015 vier Jahre später nicht gerade sparsam umging. Noch bis vor kurzem äusserte sich Müller polemisch und mit absurd anmutenden Vorschlägen zur Lösung des angeblichen Asylchaos in der Schweiz.
Nun, angesichts der Tragödien, die sich an den Grenzen Mazedoniens, Serbiens, Ungarns und Österreichs abspielen, macht Müller eine Kehrtwende. Schön zu sehen in den folgenden 6 Zitaten:
1. Asylland Schweiz überfordert!
So beschreibt Philipp Müller die Ausgangslage im FDP-Massnahmenpaket 2011 mit dem Titel «Asylchaos stoppen!»:
«Asylchaos herrscht. Die Anzahl der Asylgesuche explodiert. Junge Männer aus Nordafrika überfordern
das Asylland Schweiz. »
2. Asyl-Akzeptanz belastet!
In einem Blogeintrag «Asylchaos in der Schweiz» auf vimentis.ch von 2011 sagt Philipp Müller nicht nur, dass es ein Asylchaos gebe, sondern dass es auch von vielen als solches wahrgenommen würde:
«Das zunehmend von breiten Bevölkerungskreisen als solches empfundene Asylchaos belastet die Akzeptanz der schweizerischen Migrationspolitik.» sic!
Philipp Müller in einem auf vimentis.ch veröffentlichten Essay vom August 2011
3. Asylchaos beheben!
Auch in einer Medienmitteilung zu politischen Umsetzung des Massnahmepakets von 2011 spricht Müller davon, dass das «Asylchaos» in der Schweiz nicht von heute auf morgen behoben werden könne:
«Die beschlossenen Massnahmen alleine werden das Asylchaos nicht von heute auf morgen beheben können.»
Flüchtlinge auf der griechischen Insel Kos.Bild: ODYSSEUS/EPA/KEYSTONE
4. Wildwest an der Grenze!
Vor etwas mehr als einem Monat beschrieb Philipp Müller in einem Interview mit der «NZZ am Sonntag» die Zustände an der Schweizer Grenzen noch so, als seien es solche, wie sich später in Mazedonien tatsächlich abspielten:
«Flüchtlinge wollen um jeden Preis ins Land, die Schlepper sind skrupellos und zum Teil bewaffnet. An der Grenze herrscht Wildwest!»
5. Flüchtlings-Chaos!
Weiter sagt er im selben Interview:
«Es knallt fast rund um Europa. Solange sich die EU-Staaten nicht zusammenraufen, haben wir in Europa ein Flüchtlingschaos.»
6. Alles Blödsinn!
Nicht mal einen Monat später die Kehrtwende: In einem Interview mit «Schweiz am Sonntag» antwortet Müller auf die Frage, ob die Schweiz in einem «Asylchaos» steckt, wie folgt:
«Nein. Wer wissen will, wie Chaos aussieht, muss auf die Insel Kos in Griechenland blicken. Und doch braucht es in der Schweiz ein Umdenken in der Asylpolitik.»
Auch vergangenen Sonntag, nach der Woche, in der mazedonische Polizisten Flüchtlingskinder mit Tränengas beschiessen und über 70 Flüchtlinge in einem Schlepperlastwagen verenden, möchte Philipp Müller von seinem eigenen «Asylchaos» nichts mehr wissen:
«Nein, wir haben kein Asylchaos. Das ist Blödsinn. Wenn man wissen will, was Chaos ist, soll man die Bilder aus Mazedonien anschauen und von Kos.»
*In der ursprünglichen Fassung dieses Artikels hiess es, das Zitat stamme aus einem Positionspapier von 2012. Das ist falsch, das Zitat stammt aus einer Medienmitteilung zur Umsetzung der FDP-Forderungen aus dem Massnahmepaket Asylchaos von 2011. Wir bitten, die Ungenauigkeit zu entschuldigen.
Flüchtlingskrise auf der Ferieninsel Kos
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Flüchtlingskrise auf der Ferieninsel Kos
Auf der beliebten Ferieninsel treffen immer mehr Bootsflüchtlinge ein.
quelle: x00025 / yannis behrakis
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