Für einige ist er der Harry Potter der Politik, der Jedi des französischen Polit-Parketts. Für andere ein Sexist, der nicht mehr ganz bei Sinnen ist: Joachim Son-Forget, Vertreter der in der Schweiz lebenden Franzosen im Parlament.
Medien aus ganz Frankreich berichteten seit einer Woche ausführlich über den Fall Son-Forget. Und als sich auch das Schweizer Fernsehen RTS für ihn interessierte, kreuzte Son-Forget mit Harry Potter-Schal beim Interview auf. Ein Insider-Witz zwischen ihm und seinen Anhängern.
Doch fangen wir von vorne an.
Joachim Son-Forget (35) ist so etwas wie der «Mini-Me» von Frankreichs Präsident Emmanuel Macron. Sein Werdegang erinnert stark an jenen des Wunderknaben Macron. Bereits in jungen Jahren sitzt Son-Forget in hohen politischen Ämtern, ist eloquent und ehrgeizig. Er hält einen ETH-Doktortitel in Neurowissenschaften, arbeitet am Universitätsspital in Lausanne als Radiologe. 2016 schliesst er sich der Bewegung En Marche an – bei den Sozialdemokraten war er zuvor nicht glücklich geworden.
Ein Jahr später wählen die Auslandfranzosen in der Schweiz und Liechtenstein Son-Forget mit überragenden 75 Prozent der Stimmen in die Nationalversammlung in Paris. Da war er 33. Ein fulminanter Aufstieg: Son-Forget war als Kind in den Strassen Seouls ausgesetzt und von einer französischen Familie adoptiert worden.
Doch seit einigen Wochen fallen besonders Son-Forgets Twitter-Aktivitäten auf. Dem amerikanischen Präsidenten Donald Trump warf er Anfang Dezember unter anderem «zerebrale Inkontinenz» vor und verlangte vom «alten Knacker», dass dieser Frankreich nie wieder beleidige. Es folgte der erste grosse Shitstorm.
.@realDonaldTrump Donald le Gâteux, est atteint d'incontinence cérébrale... comme un “gâteux” souffre d’incontinence d'urine voire de matières fécales et “gâte” ses draps. DON’T INSULT MY COUNTRY DOTARD. La 🇫🇷 kisses your ass. 😙 from french parliament “my friend”. #giletsjaunes pic.twitter.com/4crfkn7SQ8
— 𝙹𝚘𝚊𝚌𝚑𝚒𝚖 𝚂𝚘𝚗-𝙵𝚘𝚛𝚐𝚎𝚝 💡 (@sonjoachim) 8. Dezember 2018
Kurz vor Weihnachten, am 23. Dezember, schlug Son-Forget abermals wütend in die Tasten. Dieses Mal nahm er die grüne französische Senatorin Esther Benbassa ins Visier und kritisierte sie für die Schminke, die sie in seinen Augen zu dick aufträgt, womit sie sich selbst karikiere. Es folgte der zweite grosse Shitstorm. Und dieser fiel um einiges heftigerer aus als der erste. Es scheint, Trump wollten deutlich weniger Franzosen Rückendeckung geben.
Avec le pot de maquillage @EstherBenbassa que vous vous mettez sur la tête, vous incarnez plus que jamais ce que vous tentez maladroitement de caricaturer. Vous le sentez l’amalgame violent maintenant? https://t.co/7ny8kHubUx
— 𝙹𝚘𝚊𝚌𝚑𝚒𝚖 𝚂𝚘𝚗-𝙵𝚘𝚛𝚐𝚎𝚝 💡 (@sonjoachim) 23. Dezember 2018
Son-Forget wurde auf Twitter umgehend mit Sexismusvorwürfen eingedeckt. Auch im Parlament, sogar aus dem eigenen Lager, wurde heftige Kritik laut. Benbassa ihrerseits brachte seine Attacke in Zusammenhang mit den #MeToo-Skandalen. Son-Forget entgegnet, die Sache mit der Schminke empfänden nur Sexisten als sexistisch. Schminke habe nichts mit der körperlichen Erscheinung von jemanden zu tun.
Son-Forget wollte mit dem Tweet eigentlich Brigitte Macron in Schutz nehmen. Benbassa hatte die Frau des Präsidenten Emmanuel Macron in der Zeitung «Le Monde» für eine Aussage über die «Gilets jaune»-Bewegung kritisiert, weil Brigitte Macron das Auftreten der Gelbwesten-Bewegung als «gewalttätig» und «vulgär» bezeichnete. «Ist die Arroganz der Reichen und Mächtigen mit ihren weissen Zähnen nicht auch vulgär?», griff Benbassa Brigitte Macron im Interview mit «Le Monde» an.
Unabhängig davon, was man vom Benbassa-Tweet hält, ein Blick auf Son-Forgets-Twitter-Profil lohnt sich allemal. Der Politiker hat es sich zum Hobby gemacht, ständig etwas absurde Kurznachrichten und Fotos zu teilen. Das sieht dann in etwa so aus:
De toute façon, à la fin des fins, ça se réglera au sabre laser. #maytheforcebewithyou #jetdail #jedi #empire pic.twitter.com/5RYD4T6UFu
— 𝙹𝚘𝚊𝚌𝚑𝚒𝚖 𝚂𝚘𝚗-𝙵𝚘𝚛𝚐𝚎𝚝 💡 (@sonjoachim) 28. Dezember 2018
Neben den Kritikern feiern aber auch abertausende Menschen Son-Forget für seine satirischen Tweets und die Tatsache, dass er kein Blatt vor den Mund nimmt.
Auf die Kritik eines falschen Twitter-Kontos von Claire Underwood (House of Cards) antwortet er kurzerhand sarkastisch: «Muss ich Sie daran erinnern, dass Sie niemand sind?» Resultat: tausende Twitter-Herzchen.
Zeitweise trendete sogar der Hashtag #sonforget2022 auf Twitter, also ein Aufruf für Son-Forget für die Präsidentschaftswahl Frankreichs. Während ein paar Stunden war ausserdem auf Wikipedia zu lesen, Son-Forget sei Abgeordneter und Twitter-Held. Ob der Politiker selbst hinter der neuen Berufsbezeichnung steckt, ist nicht bekannt. Jedenfalls hat er einen entsprechenden Screenshot retweetet. Inzwischen ist die Angabe aber wieder von der Online-Enzyklopädie verschwunden.
Hier eine Auswahl seiner Tweets:
Les dessous de la révolution. pic.twitter.com/KVuE1GaNHN
— 𝙹𝚘𝚊𝚌𝚑𝚒𝚖 𝚂𝚘𝚗-𝙵𝚘𝚛𝚐𝚎𝚝 💡 (@sonjoachim) 29. Dezember 2018
#NouvellePhotoDeProfil pic.twitter.com/VvDri7sjsi
— 𝙹𝚘𝚊𝚌𝚑𝚒𝚖 𝚂𝚘𝚗-𝙵𝚘𝚛𝚐𝚎𝚝 💡 (@sonjoachim) 30. Dezember 2018
— 𝙹𝚘𝚊𝚌𝚑𝚒𝚖 𝚂𝚘𝚗-𝙵𝚘𝚛𝚐𝚎𝚝 💡 (@sonjoachim) 31. Dezember 2018
— 𝙹𝚘𝚊𝚌𝚑𝚒𝚖 𝚂𝚘𝚗-𝙵𝚘𝚛𝚐𝚎𝚝 💡 (@sonjoachim) 29. Dezember 2018
Je suis un #animagus comme #sirius black. Pas un loup #garou comme le professeur #lupin. Tout est sous contrôle. Tout. Wouf. 🐺
— 𝙹𝚘𝚊𝚌𝚑𝚒𝚖 𝚂𝚘𝚗-𝙵𝚘𝚛𝚐𝚎𝚝 💡 (@sonjoachim) 30. Dezember 2018
— 𝙹𝚘𝚊𝚌𝚑𝚒𝚖 𝚂𝚘𝚗-𝙵𝚘𝚛𝚐𝚎𝚝 💡 (@sonjoachim) 31. Dezember 2018
@sonjoachim nous te vouons un culte Infini pic.twitter.com/op8mws40BI
— Arnd Lvllt (@ArndLvllt) 30. Dezember 2018
De crier au #sexisme et au #metoo dans ce cas c'est vraiment inapproprié. Plus dangereusement, ça endommage la cause féministe et son image. Les VRAIS problèmes des femmes dans notre société sont réels, mais d'une autre portée.
— Silvia Marchesotti (@sissymarche) 30. Dezember 2018
Für die République en Marche wurde es nun nach knapp einer Woche zu viel: Fraktionschef Gilles Le Gendre distanzierte sich öffentlich von seinem Kollegen und dessen «sexistischen und vulgären» Ansichten. Die Partei suspendierte ihn und pochte auf eine Aussprache Anfang Januar.
Son-Forget hielt das nicht davon ab, im gleichen Stil munter weiter zu twittern. Und er scheint ein gewaltiges Ego zu haben: Am Wochenende kündigte er seinen Rücktritt aus der Partei an. Er sei nicht hier, um zusammengestaucht zu werden (Tweet weiter unten). Das habe er auch Präsident Macron per SMS mitgeteilt.
Aus der Politik will sich Son-Forget aber nicht verabschieden. Am Montag gab er bekannt, er wolle nun eine eigene Bewegung gründen.
Le député #TheGodFather c'est lui qui domine le game sur twitter pic.twitter.com/41iwKBjth7
— Jeunesses Son-Forgetistes (@JeunessesSF) 30. Dezember 2018
On n’est pas là pour se faire engueuler comme le disait Boris Vian! https://t.co/8vBCO7tQHx
— 𝙹𝚘𝚊𝚌𝚑𝚒𝚖 𝚂𝚘𝚗-𝙵𝚘𝚛𝚐𝚎𝚝 💡 (@sonjoachim) 29. Dezember 2018
"J'ai fait la guerre pour habiter rue de la paix" #Booba #demissionLREM pic.twitter.com/cYeYMi5GF2
— 𝙹𝚘𝚊𝚌𝚑𝚒𝚖 𝚂𝚘𝚗-𝙵𝚘𝚛𝚐𝚎𝚝 💡 (@sonjoachim) 29. Dezember 2018
Arrivé comme un roi,reparti en légende
— dav-dav (@davfly54) 29. Dezember 2018