Sie ist das letzte verbliebene, nicht staatliche Such- und Rettungsschiff im zentralen Mittelmeer: Die «Aquarius», mit der die Hilfsorganisationen Ärzte ohne Grenzen (MSF) und SOS Méditerannée Seerettungsoperationen durchführen. Rund 30'000 Flüchtlinge hat das Schiff laut Angaben der Hilfsorganisationen bisher aufgenommen.
Doch nun droht ein abruptes Ende der Rettungsaktionen vor der libyschen Küste. Panama hat angekündigt, dem Schiff die Registrierung, also die Flagge zu entziehen. Und ohne Flagge kann das Schiff nicht mehr zu Rettungsaktionen auslaufen.
Jetzt schalten sich Schweizer Politiker in den Fall ein. Die Berner Nationalrätin Aline Trede (Grüne) hat gestern im Bundeshaus Vorstösse eingereicht mit dem Ziel: Die «Aquarius» soll die Schweizer Flagge erhalten.
«Ich fordere, dass der Bundesrat dem Schiff «Aquarius» von Ärzte ohne Grenzen im Mittelmeer die Schweizer Flagge gibt. Das liegt in der Kompetenz des Bundesrates», hält die Politikerin fest.
Italien machte Druck
Panama entzog der «Aquarius» die Flagge «unter offenkundigem wirtschaftlichen und politischen Druck der italienischen Regierung», so die «Ärzte ohne Grenzen» auf ihrer Website. Der italienische Innenminister Matteo Salvini, Chef der rechtspopulistischen und fremdenfeindlichen Lega, hatte der «Aquarius» schon lange den Kampf angesagt. Er will nicht, dass das Schiff in einem italienischen Hafen landet.
Derzeit hat die «Aquarius», die vor Malta liegt, 58 Personen an Bord, die in Seenot geraten waren. Malta hat zugestimmt, die Flüchtlinge an Land gehen zu lassen. Zuvor hatten sich vier europäische Staaten bereit erklärt, die Flüchtlinge aufzunehmen.
Die Schweizer Flagge geriet vor allem durch die Hochseeaffäre ins Gerede. Der Bund hatte Bürgschaften in dreistelliger Millionenhöhe an einen Schweizer Reeder vergeben, der Pleite ging. Was Steuerzahler bisher rund 215 Millionen Franken kostete. Derzeit fahren noch 30 kommerzielle Hochseeschiffe unter Schweizer Flagge. Weitere Verluste in hoher Millionenhöhe für den Bund scheinen unausweichlich.
Und jetzt soll, wenn es nach dem Willen der Grünen geht, also ein Hilfsschiff die Schweizer Flagge erhalten. «Damit machen wir einmal etwas Positives mit der Schweizer Flagge», sagt Aline Trede. Zwar ist die Schweizer Flagge gemäss Gesetz Handelsschiffen vorbehalten. Aber laut Trede hat der Bundesrat die Möglichkeit, dem Schiff «im Namen der humanitären Tradition der Schweiz die Flagge zu geben». Ausserdem will sie den Bundesrat auffordern, «dass er sich stark für eine Lösung für die europäische Seenotrettung einsetzt». Denn es sollte eigentlich gar nicht nötig sein, dass private Hilfsschiffe im Einsatz sind: «Die staatlichen Organisationen müssen Schutzbedürftige retten und nicht zurück in die unsichere Heimat schicken.»
Italien hatte den Betreibern der «Aquarius» offenbar vorgeworfen, sie hätten internationale rechtliche Vorgaben nicht eingehalten. Der Kapitän habe sich geweigert, gerettete Migranten an ihren Herkunftsort zurückzuführen. Ärzte ohne Grenzen stellte sich auf den Standpunkt, «dass die italienische Regierung in Kauf nimmt, dass schutzlose Menschen auf See sterben und keine Zeugen anwesend sind, um die Toten zu zählen».
Die «Aquarius» ist ein 74 Meter langes Vermessungsschiff, das bis 2008 zunächst als Fischereischutzschiff für Deutschland im Einsatz war. Seit 2016 wird es von SOS Méditerannée gechartert. Hinter der Hilfsorganisation stehen Trägerschaften aus Deutschland, Frankreich, Italien und der Schweiz.