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Schweiz

Jetzt ermitteln Italiener auch gegen den eritreischen Priester Mussie Zerai

Der katholische Priester Mussie Zerai spricht waehrend einem Medientermin, am Freitag 9. Oktober 2015 in Erlinsbach. (KEYSTONE/Peter Klaunzer)

The Catholic priest Mussie Zerai speaks during a media e ...
Der katholische Priester Mussie Zerai in seinem Büro in Erlinsbach im Jahr 2015.Bild: KEYSTONE

Italienische Justiz ermittelt gegen den Schweizer Vorzeige-Priester aus Eritrea

Seit Jahren lebt der eritreische Priester Mussie Zerai in der Schweiz und unterstützt von hier aus Rettungsaktionen auf dem Mittelmeer. Sein Handy gilt als Hilferuf-Hotline für Flüchtlinge, die in Seenot geraten. Jetzt gerät Zerai wegen seines Engagements ins Visier der italienischen Justiz.
10.08.2017, 16:0710.08.2017, 16:48
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Bei Ermittlungen gegen Seenotretter von Flüchtlingen auf dem Mittelmeer ist nun auch der katholische Priester Mussie Zerai ins Visier der italienischen Justiz gerückt. Italienischen Medienberichten zufolge hat die Staatsanwaltschaft der sizilianischen Stadt Trapani Ermittlungen gegen den Gläubigen aufgenommen. Ihm wird «Beihilfe zu illegaler Einwanderung» vorgeworfen.

Der Welt bekannt ist Mussie Zerai als der eritreische Priester, dessen Handy bis zu 400-mal pro Woche klingelt. Am anderen Ende der Leitung sind Flüchtlinge, die in Seenot geraten sind. Mussie Zerai versucht dann jeweils herauszufinden, wo genau sie sich befinden. Danach alarmiert er die italienische und maltesische Küstenwache. Seine Handynummer wurde in den vergangenen Jahren so etwas wie ein Notruftelefon. Sein Kontakt wird unter den Flüchtlingen weitergegeben.

Seine Rettungstätigkeiten orchestriert er von der Schweiz aus. Hier lebt der 42-Jährige seit sechs Jahren und arbeitet als katholischer Priester und Seelsorger. Doch jetzt hat er wegen seines Engagements die Justiz am Hals.

Er habe Anfang Woche von den Ermittlungen gegen ihn erfahren, zitiert ihn die Zeitung La Repubblica. Die Anschuldigungen weist er zurück. Er helfe Menschen, die vor Krieg, Gewalt und Folter auf der Flucht seien. «Das ist meine Aufgabe als Mensch und Priester. Was für ein Verbrechen soll das sein?»

Die italienische Staatsanwaltschaft wirft Mussie Zerai vor, in einem «geheimen» WhatsApp-Chat in Kontakt mit den Seenotrettungsschiffen vor Ort zu sein. Diese habe er jeweils über den Aufenthaltsort von Flüchtlingen in Seenot informiert.

Auf den Namen von Mussie Zerai sei die Staatsanwaltschaft gestossen, nachdem sie ihre Ermittlungen gegen die Hilfsorganisation «Jugend rettet» eröffnet hatte. Über Abhöraktionen seien die Beamten auf den WhatsApp-Chat gestossen.

Er leite die Hilferufe von Menschen in Seenot immer zuerst an die Seenotrettungszentrale in Italien und Malta weiter, sagt Mussie Zerai. Zudem stehe er in Kontakt mit Nichtregierungsorganisationen wie Ärzte ohne Grenzen, Sea Watch, Moas oder dem UNHCR. Mit der deutschen Hilfsorganisation «Jugend rettet» habe er aber nie zu tun gehabt, sagt er. Auch nicht sei er in einem geheimen WhatsApp-Chat. 

Die Anschuldigungen gegen ihn sieht der Priester als Teil einer Kampagne gegen die Seenotrettung von Flüchtlingen. «Es gibt da eine Hexenjagd. Die Solidarität für Flüchtlinge und Vertriebene wird kriminalisiert», sagte er dem «Corriere della Sera».

Für sein humanitäres Engagement wurde Mussie Zerai 2015 für den Friedensnobelpreis nominiert. Das Time Magazine listete ihn 2016 unter den «100 einflussreichsten Menschen der Welt» auf. 

Dramatische Rettungsaktion auf dem Mittelmeer

Video: reuters

Zivile Schiffe als Retter im Mittelmeer

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Zivile Schiffe als Retter im Mittelmeer
Ein Handelsschiff des Hamburger Reeders Christopher E.O. Opielok trifft am 12. April 2015 im Mittelmeer auf ein sinkendes Flüchtlingsboot.
quelle: epa/dpa / opielok offshore carriers / opielok offshore carriers
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23 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Einstein56
10.08.2017 17:32registriert Juni 2014
Was soll das Prädikat "Vorzeigepriester"? Das ist absolut fehl am Platz.
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Angelo C.
10.08.2017 15:06registriert Oktober 2014
Zitat:

"Er helfe Menschen, die vor Krieg, Gewalt und Folter auf der Flucht seien. «Das ist meine Aufgabe als Mensch und Priester. Was für ein Verbrechen soll das sein?»"

Und da bekanntlich kaum je Eritreer vor "Gewalt, Krieg und Folter" fliehen, sondern mehrheitlich aus rein wirtschaftlichen Gründen migrieren, ist der Herr Pfarrer bloss ein ganz gewöhnlicher Schlepper, der in Italien rechtskräftig verurteilt und von der Schweiz ausgeschafft gehört.

Amen
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demokrit
10.08.2017 18:45registriert Oktober 2015
"Die Anschuldigungen gegen ihn sieht der Priester als Teil einer Kampagne gegen die Seenotrettung von Flüchtlingen."

Es sind keine Flüchtlinge.
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