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Syrien

Idlib: die letzte Schlacht des Syrien-Krieges?

Steht Syrien vor der letzten Schlacht? Die wichtigsten  Antworten zu Idlib

Die Welt schaut in diesen Tagen auf Idlib – machen sich nun Hunderttausende Flüchtlinge nach Europa auf? In der nordsyrischen Provinz könnte sich in diesen Tagen der seit sieben Jahren tobende Krieg entscheiden. Die wichtigsten Fragen und Antworten.
13.09.2018, 07:34
Fabian Hock / az aargauer Zeitung
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Es wirkt wie ein letztes Ultimatum: Alexander Lawrentjew, Russlands Syrien-Beauftragter, will der Türkei offenbar doch noch etwas Zeit gewähren, um eine Lösung für die Provinz Idlib zu finden. Ein Weg ohne militärische Mittel sei möglich, hiess es nun aus Moskau.

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Die «Freie Syrische Armee» erwartet den Angriff des Diktators: Assads Regierungstruppen haben Idlib umstellt.Bild: AP/AP

Zugleich setzte die syrische Armee am Mittwoch ihre Angriffe auf Idlib fort. In der nordsyrischen Provinz könnte sich in diesen Tagen der seit sieben Jahren tobende Krieg entscheiden.

Die wichtigsten Fragen und Antworten.

Wer hält sich in Idlib auf?

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Bewaffnete Männer in Idlib.Bild: AP/AP

Die Provinz Idlib ist die letzte von islamistischen Rebellen kontrollierte Gegend in Syrien. Rund drei Millionen Menschen leben derzeit dort. Ein grosser Teil ist aus anderen Landesteilen geflohen, darunter zahlreiche bewaffnete Kämpfer.

Was passiert gerade rund um die Provinz?

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Bild: az/zvg

Syrische Regierungstruppen sind rund um Idlib aufmarschiert und haben die Region umstellt. Seit Tagen fliegen russische Kampfflugzeuge Angriffe auf die Rebellenhochburg. Beobachter sehen darin die Vorbereitungen für einen gross angelegten Angriff. Assad holt zum finalen Schlag aus.

Was wären die Folgen eines Sturms auf Idlib?

In this Tuesday Sept. 11, 2018 photo, schoolchildren attend a class in the northern town of Jisr al-Shughur, Syria, west of the city of Idlib. Syrian government forces, backed by Russia and Iran, have ...
Schulkinder in einem Dorf westlich von IdlibBild: AP/DHA

Assad könnte die Kontrolle über die letzte Bastion der Aufständischen zurückgewinnen, was dem vorläufigen Ende des Syrien-Krieges gleichkommen würde. Die UNO warnt indes vor einer der schlimmsten humanitären Katastrophen seit Jahrzehnten – mit bis zu 800'000 neuen Flüchtlingen.

4. Wer unterstützt Assad?

epa06837012 Syrian President Bashar al-Assad gives an interview to the Russian NTV Channel in Damascus, Syria, 24 June 2018. Assad affirmed that any constitutional reform in Syria should be done by a  ...
Bild: EPA/EPA

Der Iran und Russland greifen dem syrischen Diktator unter die Arme. Ohne Hilfe aus Moskau hätte sich Assad wohl nicht an der Macht in Syrien halten können. Auch der bevorstehende Angriff auf Idlib dürfte mit russischer Unterstützung ablaufen: Moskau hat Marineeinheiten vor der Küste stationiert. Die Bombardierung aus der Luft hat längst begonnen.

Was will Russland in Syrien?

Russian President Vladimir Putin gestures as he addresses at the Eastern Economic Forum in Vladivostok, Russia, Wednesday, Sept. 12, 2018. (Sergei Bobylevl/TASS News Agency Pool Photo via AP)
Bild: AP/POOL TASS Host Photo Agency

Präsident Putin will durch eine starke militärische Präsenz in Syrien seinen Einfluss in der Region festigen und Russlands Rolle auf der weltpolitischen Bühne verankern. Es ist daher in Putins Interesse, seinen Verbündeten Assad an der Macht zu halten.

Warum konzentriert sich nun alles ausgerechnet auf Idlib?

In this Sunday, Sept. 9, 2018 photo, fighters with the Free Syrian army eat in a cave where they live, in the outskirts of the northern town of Jisr al-Shughur, Syria, west of the city of Idlib. In th ...
Kämpfer der «Freien Syrische Armee» in einer Höhle westlich von Idlib.Bild: AP/AP

Die Absenz der USA im Syrienkrieg hat ein Vakuum geschaffen, das drei Staaten füllten: Russland, der Iran und die Türkei. Im Versuch, Syrien zu stabilisieren, hatte man sich ursprünglich darauf verständigt, sogenannte «Deeskalationszonen» einzurichten: Vier von Rebellen dominierte Gebiete, überwacht von russischen, türkischen und iranischen Truppen. Beobachter warnten früh, dass die Konzentration der Rebellen auf einige wenige Gebiete de facto einer Einladung an das syrische Regime gleichkommt, eines nach dem anderen einzunehmen. Und genau so kam es. Die Provinz Idlib ist die letzte Zone, die noch übrig ist.

Welche Interessen verfolgt die Türkei?

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Bild: EPA/TURKISH PRESIDENT PRESS OFFICE

Die Türkei und Syrien sind direkte Nachbarn. Seit sieben Jahren nimmt die Türkei Flüchtlinge aus Syrien auf – insgesamt weit mehr als drei Millionen und damit dreimal so viele wie ganz Europa zusammen. Das Land stösst allerdings an seine Grenzen. Greift Assad Idlib an, könnte sich die Lage dramatisch verschärfen. Es geht jedoch nicht nur um die Flüchtlinge: Die Türkei ist eine Art Schutzmacht der Rebellen in Syrien. Unter diesen befinden sich auch radikale Islamisten. Die Türkei finanziert sie seit Beginn des Syrienkrieges im Jahr 2011. Mithilfe der Rebellen versucht Ankara, die Entstehung eines zusammenhängenden Kurdengebiets in Nordsyrien (und damit an der türkischen Grenze) zu verhindern.

Warum droht die Lage jetzt zu eskalieren?

epa07003234 A handout photo made available by the Iranian presidential office shows Iranian president Hassan Rouhani (C),Turkish president Recep Tayyip Erdogan (R), and Russia president Vladimir Putin ...
Bild: EPA/IRAN PRESIDENTIAL OFFICE

Am Wochenende kamen Russland, Iran und die Türkei zusammen, um über das weitere Vorgehen in Idlib zu beraten. Der türkische Präsident wollte Zeit gewinnen, um die verschiedenen Rebellengruppen in die von der Türkei besetzten Gebiete im Norden des Landes abziehen zu lassen. Russland und Iran lehnten ab. Terroristen werde kein freies Geleit gewährt, so die Begründung. Tatsächlich befindet sich eine Vielzahl an tschetschenischen Kämpfern in Idlib. Moskau wird diese kaum abziehen lassen. Die Türkei steckt in der Zwickmühle: Einerseits hat sie in Syrien aus ihrer Sicht vitale Interessen zu verteidigen. Andererseits möchte sie eine direkte Konfrontation mit Russland unbedingt vermeiden.

Welche Rolle spielt Europa?

Europa soll vor allem beim Wiederaufbau Syriens helfen. Das ist zumindest der Wunsch des russischen Präsidenten. Die mehr als 100 Milliarden Euro, die für den Wiederaufbau des zerstörten Landes nötig wären, kann Russland alleine unmöglich aufbringen. Deutschland, Frankreich und Grossbritannien haben bereits ablehnend reagiert. Putin hat allerdings ein Druckmittel: Die Menschen, die sich bei einem Angriff auf Idlib in Richtung Europa aufmachen würden. (aargauerzeitung.ch)

Kunst in den Ruinen von Syrien

Video: srf/SDA SRF
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25 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Snowy
13.09.2018 09:45registriert April 2016
Geopolitik!

Weder USA, Russland, Iran, Rebellen, Türkei interessieren die Menschenrechte.
Alles andere ist Propaganda. Also soweit alles wie immer wenn Krieg herrscht.

Nun gibt es zwei Möglichkeiten, wie der Konflikt ausgehen könnte:

a) Türkei/EU/USA/Saudis/islamistische Rebellen "gewinnen": Der Diktator ist zwar weg, an seine Stelle treten islamistische Warlods und Terrorgruppen

b) Russland/Iran/Assad "gewinnen": Der Diktator bleibt an der Macht

Die Welt hat die Wahl zwischen Pest und Cholera. Ich entscheide mich mangels besserer Alternativen (und den Erfahrungen aus Irak/Libyen) für b).
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Dirk Leinher
13.09.2018 09:25registriert Februar 2017
Eine wichtige Information fehlt: in Idlib hat hauptsächlich der syrische Zweig der Al-Qaida die Kontrolle. Die sind übrigens für 9/11 verantwortlich. Die USA sollten froh sein wenn Assad und die Russen das Problem lösen. Ausser man will es gar nicht lösen wie so oft.
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Dong
13.09.2018 09:22registriert Oktober 2016
Jetzt fragt sich der Westen wohl, wie man das Ende des Syrien-Krieges noch verhindern kann. Immerhin nur noch halbherzig. Deshalb hier zum mitschreiben:

- Je eher das vorbei ist, desto besser für die Syrer.
- Man müsste aus moralischer Sicht jetzt den Kämpfern, die man in der Vergangenheit unterstützt (verheizt?) hat, Asyl gewähren! (Ich will die Dschihadisten aber nicht in meiner Nähe)
- Geht die Runde halt an Russland/Iran, so what, wir haben ja noch Irak, Afghanistan und Libyen, wo uns niemand an der Stabilisierung des nahen Ostens hindert.

Noch Fragen? Ansonsten nichts zu danken.
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