Nach mehr als sieben Jahren Bürgerkrieg geben Syriens Rebellen eines ihrer letzten Gebiete auf. Oppositionelle Milizen stimmten einem unter russischer Vermittlung erzielten Abkommen für die Provinz Kunaitra im Süden des Landes zu, wie Staatsmedien und die Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte am Donnerstag meldeten.
Laut Angaben händigen die Rebellen in Kunaitra dem Abkommen zufolge unter anderem ihre schweren Waffen aus. Zehntausende Flüchtlinge sollen in ihre Heimatorte zurückkehren.
Oppositionelle Kämpfer und Zivilisten können in die noch von Rebellen kontrollierte Provinz Idlib im Nordwesten Syriens übersiedeln. Regierungstruppen hatten im Juni im Gebiet um Kunaitra eine Offensive begonnen und in den vergangenen Wochen bereits zahlreiche Orte übernommen.
Mit dem Abkommen verlieren die Regierungsgegner im Süden Syriens fast ihr vollständiges Gebiet. Dort kontrolliert jetzt ein Ableger der Terrormiliz «Islamischer Staat» («IS») noch eine kleine Region. Diese grenzt an die von Israel besetzten und annektierten Golanhöhen.
Die israelische Regierung beobachtet die Entwicklung mit Sorge. Sie will verhindern, dass iranische Kräfte bis an die Grenze vorrücken. Der Iran ist wie Russland ein wichtiger Verbündeter der syrischen Regierung.
Teheran finanziert unter anderem die libanesische Schiitenmiliz Hisbollah, die mit Israel verfeindet und in Syrien an der Seite der Regierungstruppen im Einsatz ist. Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu warnte erst vor einer Woche bei einem Besuch in Moskau vor der Präsenz des Irans in Syrien.
In einer Pufferzone zwischen Israel und Syrien wurden 1974 UNO-Soldaten stationiert, die den Waffenstillstand zwischen beiden Ländern überwachen sollen. Die staatliche syrische Agentur Sana berichtete am Donnerstag, die Armee solle nun an die Waffenstillstandslinie zurückkehren. Aktivisten erklärten zugleich, auch russische Militärpolizei solle entsandt werden.
Der Bürgerkrieg war im Frühjahr 2011 ausgebrochen, als syrische Sicherheitskräfte mit Gewalt gegen Demonstrationen vorgingen. Seitdem kamen in dem Konflikt mehr als 400'000 Menschen ums Leben, Millionen sind auf der Flucht.
Zeitweilig sah es so aus, als könnten die Rebellen den syrischen Machthaber Baschar al-Assad stürzen. Mit russischer und iranischer Hilfe gelang es den Regierungskräften jedoch, grosse Teile des Landes wieder unter ihre Kontrolle zu bringen, darunter alle wichtigen Städte.
Oppositionelle Milizen sind nun ausser in der Provinz Idlib noch in einem Gebiet im Norden präsent, das sie zusammen mit der türkischen Armee beherrschen. Beobachter rechnen damit, dass sich Syriens Regierungstruppen im nächsten Schritt Idlib zuwenden werden.
Dort wurde am Donnerstag die Evakuierung zweier Orte abgeschlossen, die noch in der Hand regierungstreuer Truppen waren. Zunächst seien Kranke mit Rettungswagen aus den überwiegend von Schiiten bewohnten Ortschaften Fua und Kefraja in Sicherheit gebracht worden, meldeten staatliche Medien.
Am Donnerstag früh seien dann die übrigen Einwohner und Kämpfer aus den seit Jahren belagerten Ortschaften mit mehr als 120 Bussen in ein Gebiet in der Provinz Aleppo abgefahren, das von den Regierungstruppen kontrolliert wird.
In beiden Orten lebten vor allem Schiiten. Sie wurden seit 2015 von Rebellen belagert. Im Gegenzug für die Evakuierung kommen 1500 Häftlinge aus Regierungsgefängnissen frei. Schon im April 2017 waren Tausende Einwohner aus den Dörfern in einer ähnlichen Aktion umgesiedelt worden. (sda/dpa/reu)