In Ost-Ghuta und Afrin, den beiden Brennpunkten des syrischen Bürgerkriegs, haben massive Angriffe erneut eine Massenflucht der Zivilbevölkerung ausgelöst. Sowohl die türkische Armee wie auch die syrische Regierung und Russland setzten am Freitag ihre Angriffe fort.
Die syrische Armee rief die in der Rebellen-Enklave Ost-Ghuta nahe der syrischen Hauptstadt Damaskus lebenden Zivilisten am Freitag zur Flucht auf. Das Oberkommando der Streitkräfte fordere die Zivilisten auf, das Gebiet über die Fluchtkorridore zu verlassen, hiess es in einer vom syrischen Staatsfernsehen verbreiteten Erklärung.
Knapp 2000 Zivilisten flohen laut der Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte aus der umkämpften Stadt Hammurije und umliegenden Ortschaften im Süden der Region Ost-Ghuta. Schon am Donnerstag waren ihren Angaben zufolge rund 20'000 Einwohner aus Ost-Ghuta geflohen.
Nach Angaben der Beobachtungsstelle setzte Russland nach der Massenflucht seine Luftangriffe auf Ost-Ghuta fort. Dabei seien am Freitag insgesamt rund 80 Zivilisten getötet worden. Da keine Rettungskräfte mehr im Einsatz waren, konnten Verletzte nicht geborgen werden.
Seit dem Beginn ihrer Grossoffensive auf Ost-Ghuta vor einem Monat haben die Truppen von Machthaber Baschar al-Assad rund 70 Prozent der Region erobert. Laut der Beobachtungsstelle wurden mehr als 1350 Zivilisten bei Luftangriffen getötet
Der Präsident des Internationalen Komitees vom Roten Kreuz (IKRK), Peter Maurer, kritisierte nach einem Besuch in Ost-Ghuta den anhaltenden Bruch internationalen Menschenrechts. Dazu zählte er «Belagerungen, Blockaden, unverhältnismässige Attacken in städtischem Gebiet und der gezielte Angriff auf Zivilisten».
Auch in der nordsyrischen Stadt Afrin ging die Massenflucht von Zivilisten angesichts heftiger Kämpfe am Freitag weiter. Seit Mitternacht seien mehr als 2500 Zivilisten geflohen, berichtete die Beobachtungsstelle, die ihre Informationen von einem breiten Netzwerk an Informanten in Syrien bezieht.
Damit habe sich die Zahl der Geflohenen in den vergangenen Tagen auf mehr als 35'000 alleine in Afrin erhöht. Das türkische Militär warf am Freitag Flugblätter über der Stadt ab und rief dazu auf, «der türkischen Armee zu vertrauen» und den «Schutz des türkischen Militärs» zu suchen.
Afrin steht seit Beginn der Woche praktisch unter Belagerung von türkischen Truppen und mit ihnen verbündeten Rebellen. Bei Artillerie- und Luftangriffen auf Wohngebiete in Afrin seien mindestens 27 Zivilisten getötet worden, berichtete die Beobachtungsstelle.
Seit dem 20. Januar geht die Türkei zusammen mit Verbündeten gegen die kurdischen Volksschutzeinheiten YPG in Afrin vor. Sie sieht darin einen verlängerten Arm der verbotenen kurdischen Arbeiterpartei PKK in Syrien.
Uno-Generalsekretär António Guterres äusserte sich besorgt über die neuen Entwicklungen. Er bedauere sehr, dass die vom Uno-Sicherheitsrat geforderte Waffenruhe nach wie vor nicht umgesetzt sei, sagte Guterres am Freitag.
Der Uno-Sonderbeauftragte Staffan de Mistura warnte davor, die Waffenruhe als «Wahlmenü» anzusehen. Sie könne nicht nur stückweise umgesetzt werden, sagte de Mistura, per Video aus Brüssel zugeschaltet, am Freitag dem Sicherheitsrat in New York.
Russland, der Iran und die Türkei wiederum - die sich selbst als Garantiemächte für die Überwachung eines Waffenstillstands sehen - zeigten sich am Freitag nach einem Treffen der Konfliktparteien im kasachischen Astana zufrieden mit der Entwicklung in Syrien. Insbesondere der Kampf gegen den Terrorismus komme voran.
Diese Woche begann das achte Kriegsjahr in Syrien. Bislang kamen nach Schätzungen eine halbe Million Menschen um. Sechs Millionen Syrer flohen aus dem Land, weitere fünf Millionen wurden innerhalb Syriens vertrieben. (sda/reu/dpa/afp)