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AfD-Reise nach Syrien provoziert Shitstorm

«Liebe Mama, hier ist alles schön friedlich» – AfD-Reise nach Syrien provoziert Shitstorm

07.03.2018, 19:24
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Junge Frauen in Blue-Jeans und hohen Schuhe, lachende Kindergesichter, bunte Auslagen mit Süssigkeiten – Strassenszenen, wie sie in einer x-beliebigen arabisch geprägten Stadt spielen könnte. Die Bilder und Beschreibungen, die eine handvoll AfD-Abgeordneten von ihrer Nahostreise in den sozialen Medien posteten, erwecken den Eindruck von heiler Welt. Nur waren die Politiker nicht in einer blühenden Touristenmetropole unterwegs, sondern in Damaskus, Syrien. 

Es lohnt sich kurz in Erinnerung zu rufen, was seit dem März 2011, als der Bürgerkrieg ausbrach, in Syrien passiert ist:

  • 400'000 Menschen kamen laut Weltbank bei dem bewaffneten Konflikt ums Leben.
  • 5 Millionen Menschen flüchteten laut UNO ins Ausland. 
  • Mehr als 4 Millionen flüchteten innerhalb der Landesgrenzen.

Die AfD-Abgeordneten kümmerten diese Zahlen nicht gross. Ebensowenig, dass die Stadt Ost-Gouta gerade von Assad-Truppen sturmreif geschossen wird. Ihr Kalkül: Sie wollen Syrien nach Aussen als sicheres Land darstellen, um syrische Flüchtlinge in Deutschland leichter abschieben zu können. Bereits im November forderte die Partei im Bundestag, Verhandlungen mit der syrischen Regierung über ein Rückübernahmeabkommen aufzunehmen.

Auf ihrer Propagandatour trafen sich die AfD-Vertreter unter anderem mit dem regimetreuen syrischen Grossmufti Ahmad Badr al-Din Hassun. Dieser warnte noch 2011 vor einer Intervention durch westliche Länder wie die «Welt» schreibt: «Wenn die erste Bombe auf Syrien fällt, sind alle Söhne und Töchter Syriens und des Libanon bereit, Selbstmordattentäter auf dem Boden Europas oder Palästinas werden», sagte der Prediger damals.

Die Reaktionen auf das zynische AfD-Gruppenreisli blieb nicht aus. Der Grünen-Bundestagsabgeordnete Konstantin von Notz twitterte: «Assad-Fanboys irrlichtern durch Syrien.»

Andrew Stroehlein, Medienbeauftragter der NGO Human Rights Watch schrieb: «Während Assad Spitäler & Schulen bombardiert und chemische Waffen einsetzt, treffen Abgeordnete der deutschen Rechtsaussen-Partei AfD Verbündete von Assad, um über die Rückführung von Flüchtlingen zu sprechen.»

Sawsan Chebli, Staatssekretärin der SPD rät dem Nordrhein-westfälische Landtagsabgeordneten Christian Blex, doch gleich im Land zu bleiben ... 

... und natürlich lässt es sich auch das Satiremagazin «Extra 3» nicht nehmen, die AfD-Abgeordneten aufs Korn zu nehmen ... 

... ebensowenig wie die «heute-show» von ZDF:

Der deutsche Regierungssprecher Steffen Seibert kritisierte die Aktion der AfD-Politiker in einem Statement scharf: Das syrische Regime zeige jeden Tag, wie menschenverachtend es vorgeht. «Wer dieses Regime hofiert, der disqualifiziert sich selbst». Auch aus den anderen Parteien ertönen klare Worte: Die Reise sei «widerlich», sagte der menschenrechtspolitische Sprecher der CDU Michael Brand laut Tagesschau.de. Der Grünen-Politiker Omid Nouripour wiederum erklärte, das Treffen mit Hassun könne man als «klare Beihilfe zum Terror» bezeichnen. (wst)

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30 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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smoking gun
07.03.2018 21:42registriert Oktober 2015
Erdogan schiesst gerade die Kurden mit deutschen Leopard-Panzern zusammen und die Kurden schiessen mit deutscher Milan-Panzerabwehr zurück. Alles von Deutschland geliefert, business as usual. Darüber sollte man sich aufregen und nicht über ein paar AfD-Politiker. Was für eine üble Heuchelei.
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smoking gun
07.03.2018 21:20registriert Oktober 2015
Der deutsche Regierungssprecher Seibert soll das Maul halten. Widerlich ist auch, mit Saudi Arabien Geschäfte zu machen oder vor dem türkischen Staatspräsidenten Erdogan zu kuschen. Von Politikern erwarte ich, dass sie sich vor Ort ein Bild machen. Immerhin sind viele Syrer nach Deutschland geflüchtet. Und es sind ja nicht nur die Leute der AfD, welche die Syrer gerne wieder nach Hause schicken möchten. Da kann man schon mal hinfahren und Gespräche führen. Aber ja, Assad ist "Hitler" und mit dem darf man nicht reden. Mit allen anderen "Hitler" macht man gerne Geschäfte und small talk.
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raues Endoplasmatisches Retikulum
07.03.2018 19:55registriert Juli 2017
Ich zolle den AfDlern Tribut, nicht weil ich ihr Anliegen unterstützen, sondern weil sie es wiedereinmal geschafft haben, alle Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen und quer durch alle Medien wieder über sie berichtet wird. Dabei empört man sich wieder schrecklich, wie wenn das der erste Tabubruch der AfD wäre.
Die Meinungen zur AfD sind gemacht. Um erfolgreich zu bleiben muss sie aktuell bleiben, wieder hat sie einen Köder ausgeworfen, der von den Medien dankend geschluckt wurde.
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