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Erdogan gibt nur Finnland grünes Licht für Nato-Beitritt

Erdogan gibt nur Finnland grünes Licht für Nato-Beitritt – Schweden kritisiert er weiter

17.03.2023, 17:1904.04.2023, 09:19
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Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan hat grünes Licht für den Nato-Beitritt von Finnland gegeben. Man werde den Ratifizierungsprozess im Parlament einleiten, sagte Erdogan am Freitag nach einem Treffen mit dem finnischen Präsidenten Sauli Niinistö in Ankara.

Für Schweden sieht das jedoch anders aus: Man erwarte weitere Schritte von Stockholm, so Erdogan. Dem Land warf er vor, seine Arme «Terroristen» geöffnet zu haben, in Finnland sei das nicht der Fall.

Ungarn ratifiziert Finnlands Nato-Beitritt
Ungarn wird den Beitritt Finnlands zur Nato am 27. März ratifizieren. Dies gab der Fraktionschef der Regierungspartei Fidesz, Mate Kocsis, am Freitagnachmittag auf seiner Facebook-Seite bekannt. Seine Fraktion werde geschlossen dafür stimmen, fügte er hinzu. Über die Ratifizierung des Nato-Beitritts von Schweden würde die Fraktion später entscheiden. Ungarn ist ausser der Türkei das letzte Nato-Land, das die Beitritte der beiden nordischen Länder noch nicht ratifiziert hat.
sda/dpa

Niinistö begrüsste die türkische Entscheidung, fügte aber hinzu: Der Beitritt Finnlands sei ohne den Schwedens nicht komplett. Die finnische Ministerpräsidentin Sanna Marin bezeichnete Erdogans Zustimmung als «einen wichtigen Schritt» auf dem Weg zur Nato-Mitgliedschaft. «Finnland wird alles dafür tun, dass auch Schweden so schnell wie möglich Mitglied in der Nato wird», schrieb sie auf Twitter. «Zusammen sind wir stärker.»

Auch Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg begrüsste Erdogans Entscheidung. Er hoffe, dass das türkische Parlament so bald wie möglich abstimmen werde. Das Wichtigste sei, dass sowohl Finnland als auch Schweden schnell Nato-Mitglieder werden, und nicht, ob sie genau zum gleichen Zeitpunkt beitreten.

Zum Zeitplan sagte Erdogan, der Prozess im Parlament werde hoffentlich noch vor den Parlaments- und Präsidentschaftswahlen abgeschlossen. Die Entscheidung kann theoretisch bereits nächste Woche in einer Parlamentssitzung getroffen werden. Bislang fehlt auch aus Ungarn noch die Zustimmung zur Erweiterung.

Nach dem russischen Einmarsch in die Ukraine hatten sich Schweden und Finnland im vergangenen Jahr dazu entschlossen, nach langer Zeit der militärischen Bündnisfreiheit die Aufnahme in die Nato zu beantragen. 28 der 30 derzeitigen Bündnismitglieder haben die Beitritte längst ratifiziert, in Ungarn wird zeitnah mit einem Parlamentsvotum gerechnet.

Die Türkei blockiert den Doppelbeitritt dagegen seit Monaten. Ihre Einwände richten sich vor allem gegen Schweden, dem sie mangelnden Einsatz gegen «Terrororganisationen» vorwerfen. Dabei geht es Ankara vor allem um die verbotene kurdische Arbeiterpartei PKK.

Die Nachbarländer Schweden und Finnland wollten eigentlich zeitgleich und «Hand in Hand» in die Nato aufgenommen werden. Das scheint nun jedoch endgültig an Erdogan zu scheitern. Dessen Einwände gegen Schweden scheinen sich nach mehreren islamfeindlichen Protestaktionen in Stockholm zu Jahresbeginn weiter verfestigt zu haben. Die Lösung nun: Die Türkei stimmt zunächst nur einem Beitritt von Finnland zu, dem von Schweden eventuell zu einem späteren Zeitpunkt. Dieser Plan lag bereits seit längerem auf dem Tisch.

Der schwedische Ministerpräsident Ulf Kristersson hatte am Mittwoch bei einem Besuch beim deutschen Kanzler Olaf Scholz gesagt, dass sein Land auch auf diese Möglichkeit vorbereitet sei - auch wenn ihm ein gemeinsamer Beitritt mit Finnland weiterhin lieber wäre. Scholz betonte, dass Deutschland die beiden nordischen Länder schnell in der Nato sehen wolle.

Erdogan wiederholte seine Vorwürfe an Schweden am Freitag. Man habe dem Land eine Liste mit 120 «Terroristen» gegeben. Solange Schweden diese nicht ausliefere, könne man nicht auf Schweden zugehen. Die türkische Zustimmung zu Schwedens Beitritt dürfte auch an einem Gesetzesvorhaben hängen: Schweden will seine Terrorgesetze verschärfen. Nach Plänen der Regierung soll künftig strafbar sein, sich an einer Terrororganisation zu beteiligen oder eine solche Beteiligung zu finanzieren. Bei Verstössen drohen mehrere Jahre Haft. In Kraft treten sollen die Änderungen am 1. Juni. An einer Verschärfung wurde zwar seit Jahren gearbeitet - dass der Entwurf nun kommt, wird jedoch als Geste in Richtung Türkei betrachtet.

Nach Erdogans Zustimmungssignal muss das Parlament in Ankara zustimmen. Die regierende AKP Erdogans hält hier gemeinsam mit ihrem Partner, der ultranationalistischen MHP, eine Mehrheit. Aber auch die grösste Oppositionspartei CHP hat bereits deutlich signalisiert, einer Erweiterung zuzustimmen. Im Falle einer Wahlniederlage Erdogans gegen den oppositionellen Herausforderer Kemal Kilicdaroglu dürfte Schweden nicht um eine Zustimmung fürchten müssen.

Ungarns Parlament will nach einem Medienbericht am 31. März über die Ratifizierung der Beitrittsprotokolle abstimmen. Der im Lande alles bestimmende Ministerpräsident Viktor Orban hat sich mehrfach für die Annahme der Beitrittsprotokolle ausgesprochen, liess aber Debatte und Abstimmung über die Dokumente unter verschiedenen Vorwänden immer wieder verschieben. Unter anderem beklagte er, dass schwedische und finnische Politiker und Medien Ungarn wegen Rechtsstaatsmängel und Korruption zu Unrecht kritisierten. (sda/dpa)

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quelle: epa / turkish presidential press offic
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19 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Dan Schraubergott
17.03.2023 17:42registriert März 2021
Ach schau mal an. Völlig uneigennützig und selbstredend aus reiner Nächstenliebe - nicht das Wahlen in der Türkei anstehen, das Land jede Hilfe benötigt nach den Erdbeben, und Erdogan und seine Entourage beim Erdbeben-Fonds und bei den Bauten geschlider hätten - geht plötzlich für Finnland alles relativ schnell. Aha. OK, Schweden hält man sich als "Feindbild" noch etwas warm, damit nicht gleich alle seine Befürworter meinen er sei ein Weichei geworden.
Nicht das ich jetzt irgend etwas damit andeuten möcht/würde ....🤨🤨
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Hösch
17.03.2023 17:45registriert März 2022
Die Küste Schwedens deckt die NATO trotzdem ab, da können sich Erdogan und Orban einen Bazar erlauben.
Bei Finnland mit seiner ewig langen Landgrenze hätten sie den Bogen überspannt.
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