International
Türkei

Türken-Offensive in Syrien steht bevor – Befürchtungen wachsen

Türken-Offensive in Syrien steht bevor, Trump zieht US-Truppen ab – was du wissen musst

07.10.2019, 11:2607.10.2019, 14:17
Mehr «International»
A Turkish n armored vehicles patrol as they conduct a joint ground patrol with American forces in the so-called "safe zone" on the Syrian side of the border with Turkey, near the town of Tal ...
Bild: AP

Der Syrien-Konflikt flammt neu auf. Das sind die Gründe und Folgen:

Erdogan will in Syrien einmarschieren ...

Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan hatte am Samstag vor Parteimitgliedern in Ankara gesagt, die Türkei stehe kurz vor einem Militäreinsatz in Syrien, der «sowohl aus der Luft als auch mit Bodentruppen» ausgefochten werde. Am Sonntagabend sprach Erdogan mit US-Präsident Donald Trump am Telefon. Das Weisse Haus signalisierte daraufhin am frühen Montagmorgen in einer Erklärung, dass sie sich einer Offensive nicht in den Weg stellen werde. Streitkräfte der USA würden künftig nicht mehr «in der unmittelbaren Region sein».

Fast gleichzeitig begann an der Grenze der Abzug. Die Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte berichtete, die US-Kräfte seien im Morgengrauen aus den Städten Ras al-Ain und Tal Abiad nahe der türkischen Grenze abgezogen. Sie warnte vor einem «totalen Krieg».

epa07903001 A handout photo made available by the US Army shows US and Turkish military forces conducting the third ground combined joint patrol inside the security mechanism area in northeast Syria,  ...
Die Einen kommen, die Anderen gehen.Bild: EPA

... und Trump lässt ihn

Erdogan will schon lange gegen kurdische Milizen in Nordsyrien vorgehen - nun gewähren die USA ihm freie Bahn. US-Truppen haben den Rückzug begonnen und lassen damit ihre Verbündeten im Stich. Die sind entsetzt.

US-Truppen begannen am Montag, sich aus der syrisch-türkischen Grenzregion zurückzuziehen. Das bestätigte der Sprecher der von Kurdenmilizen dominierten Syrisch-Demokratischen Kräfte (SDF). Auf Twitter schrieb Mustafa Bali, die USA liessen damit zu, dass die Gegend zum Kriegsgebiet werden würde. Er warf ihnen vor, ihrer Verantwortung nicht nachzukommen und verlangte eine Erklärung.

Die Türkei wiederum sieht in den kurdischen YPG-Milizen, die an der Grenze Gebiete kontrollieren, eine Terrororganisation. Sie fordert schon seit langem entlang der Grenze eine sogenannte «Sicherheitszone» unter ihrer alleinigen Kontrolle.

Das sagt Trump

Auszüge aus Donald Trumps Statement zu seinem Entscheid, US-Truppen aus Syrien abzuziehen:

Bild
NBC

Zehntausende «IS»-Kämpfer jetzt in türkischer Hand

Die USA übergaben der Türkei laut Stellungnahme auch die Verantwortung für die in der Region inhaftierten «IS»-Kämpfer. «Die USA werden sie nicht festhalten», hiess es. Denn es könne um Jahre und grosse Kosten für den amerikanischen Steuerzahler gehen. Deutschland, Frankreich und andere europäische Länder, aus denen die IS-Anhänger stammten, hätten diese trotz des Drucks aus Washington nicht gewollt. «Die Türkei wird jetzt für alle IS-Kämpfer in der Gegend verantwortlich sein, die von den Vereinigten Staaten über die vergangenen zwei Jahre nach der Niederlage des örtlichen Kalifats gefangen genommen wurden.»

Erdogan sagte dazu am Montagvormittag vor der Abreise zu einem Besuch in Serbien, die Zahlen der Kämpfer in Gefängnissen seien «etwas übertrieben». Man überlege derzeit, wie mit ihnen umzugehen sei.

Was ist mit den Kurden?

Die Kurdenmilizen waren im Kampf gegen die Terrormiliz Islamischer Staat (IS) ein enger Verbündeter der USA. Die Entscheidung von US-Präsident Donald Trump ruiniere das Vertrauen in die USA, schrieb SDF-Sprecher Bali.

Wie heftig wird Erdogan gegen sie vorgehen? Noch im Juni hat Trump nach eigenen Angaben verhindert, dass die Türken 65'000 Kurden «auslöschen». Jetzt dürfte sie niemand mehr daran hindern.

Kommt der Krieg und der «IS» zurück?

Das Generalkommando der SDF in Syrien warnte, dass eine türkische Militäroperation im Nordosten Syriens «einen grossen negativen Einfluss» auf den Kampf gegen den IS haben werde. Er «wird alle Stabilität zerstören, die wir in den vergangenen Jahren erreicht haben». Das Generalkommando rief «Araber, Kurden und Assyrer» auf, sich zusammenzuschliessen und das «Heimatland gegen die türkische Aggression zu verteidigen».

Bali schrieb direkt an militärische Twitter-Konten gerichtet auch: «Wir erwarten nicht, dass die USA Nordostsyrien beschützen.» Aber sie schuldeten «den Menschen hier» eine Erklärung zum Versagen der USA, ihre Verpflichtungen zu erfüllen.

Trumps merkwürdiger Zick-Zack-Kurs

FILE - In this Wednesday, July 11, 2018, file photo, President Donald Trump, left, talks with Turkey's President Recep Tayyip Erdogan, as they arrive together for a family photo at a summit of he ...
Bild: AP

Die US-Entscheidung, der Türkei mit ihrer lange angekündigten Offensive freie Bahn zu gewähren, ist eine weitere krasse Änderung ihrer Syrien- und Türkeipolitik. Noch im Januar hatte Präsident Trump der Türkei die wirtschaftliche Zerstörung angedroht, sollte sie die YPG-Milizen angreifen. Später entschärfte er die Drohung. Dafür verlangsamten die USA ihren im Dezember 2018 angekündigten Truppenabzug, der eigentlich schnell und vollständig hatte ausfallen sollen, unter anderem, um die YPG vor einem türkischen Angriff zu schützen.

Nach weiteren Drohungen des türkischen Präsidenten, bald in Nordsyrien einzumarschieren von Ende Juli und Anfang August, boten die USA der Türkei im August an, bei der Einrichtung der von der Türkei gewünschten «Sicherheitszone» entlang der Grenze zu helfen. Die Türkei war allerdings unzufrieden mit den Fortschritten, während kurdische Milizen darauf hinwiesen, dass sie sich an die Abmachungen gehalten hätten. Unter anderem sahen diese die Zerstörung von kurdischen militärischen Installationen und den Rückzug von Kämpfern vor. Eine von Erdogan gesetzte Frist für die Fertigstellung war Ende September verstrichen.

Erdogan kündigte am Montag vor seiner Abreise nach Serbien ebenfalls an, die Entwicklungen in der Region bei einem Treffen mit US-Präsident Trump in der ersten Novemberhälfte in Washington zu besprechen. Ob Erdogans Verweis auf die Gespräche in Washington bedeutet, dass er bis dahin auf den Militäreinsatz verzichten will, blieb zunächst unklar.

(aeg/sda/reu)

DANKE FÜR DIE ♥
Würdest du gerne watson und unseren Journalismus unterstützen? Mehr erfahren
(Du wirst umgeleitet, um die Zahlung abzuschliessen.)
5 CHF
15 CHF
25 CHF
Anderer
twint icon
Oder unterstütze uns per Banküberweisung.
Türkische Soldaten aus Syrien evakuiert
1 / 10
Türkische Soldaten aus Syrien evakuiert
700 türkische Elitesoldaten wurden nach Syrien in die Nähe von Kobane zu einem alten Grabmal geschickt, um 38 Kameraden zu evakuieren und die Gebeine von Suleiman Shah zu bergen.
quelle: epa/anadolu agency / okan ozer/anadolu agency
Auf Facebook teilenAuf X teilen
Aleppo-Seife: Eine Tradition wird wiederbelebt
Video: srf
Das könnte dich auch noch interessieren:
99 Kommentare
Weil wir die Kommentar-Debatten weiterhin persönlich moderieren möchten, sehen wir uns gezwungen, die Kommentarfunktion 24 Stunden nach Publikation einer Story zu schliessen. Vielen Dank für dein Verständnis!
Die beliebtesten Kommentare
avatar
Hummingbird
07.10.2019 12:56registriert Juni 2019
Was haben die USA bekommen, um diesen Schritt zu gehen? Irgend ein Deal muss doch dahinter stehen, nicht? Unglaublich, wie mit den Gruppierungen Schach gespielt wird, und angeblich Verbündete verraten werden. Für mich ist eins klar: Es geht allen Beteiligten nur um Macht und Geld. Vielleicht am wenigsten noch die Kurden, welche doch einfach mal ihre Kultur in Frieden leben wollen. Stattdessen werden sie behandelt wie Objekte. Traurig sowas!
25510
Melden
Zum Kommentar
avatar
Maedhros Niemer
07.10.2019 11:47registriert Juni 2018
Was? Die USA würden die Kurden doch nie im Stich lassen!
Das kam auch noch nie vor bisher...
(Gaanz viel Ironie)
25311
Melden
Zum Kommentar
avatar
DerTaran
07.10.2019 11:48registriert Oktober 2015
Wenn es im Inland nicht mehr so gut klappt, dann führe einen Krieg...
23818
Melden
Zum Kommentar
99
Nur 9 Monate im Amt: UBS-Boss Ermotti streicht Monster-Bonus für 2023 ein
UBS-Chef Sergio Ermotti hat mit seiner Rückkehr zur Grossbank ordentlich mehr Lohn kassiert. Für neun Monate 2023 verdiente er 14,4 Millionen Franken.

Für UBS-Chef Sergio Ermotti hat sich die Rückkehr zur Grossbank auch mit Blick auf den Gehaltscheck gelohnt. Überhaupt verdienten die Top-Kader und Verwaltungsräte der UBS deutlich mehr.

Zur Story