Trotz aller Meinungsverschiedenheiten hat der türkische Präsident Erdogan seinen Staatsbesuch in Deutschland als gelungen bezeichnet. «Es war ein erfolgreicher Besuch», sagte Erdogan am Samstag zum Abschluss der dreitägigen Visite. Die Reise habe die deutsch-türkische Freundschaft vertieft.
In der regierungsnahen Zeitung «Sabah» hiess es, mit der Reise habe ein neues Kapitel in den Beziehungen begonnen. Die Begegnungen seien «warm» gewesen. Die ebenfalls regierungsnahen Zeitungen «Star» und «Günes» berichteten von einer «neuen Ära». Viele Zeitungen zeigten am Samstag ein Bild, das Merkel und Erdogan händeschüttelnd zeigt und Erdogan mit einem Lächeln, was bei dem Besuch eher selten zu sehen war.
Merkel dagegen hatte von «tiefgreifenden Differenzen» gesprochen, auch Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier kritisierte zum Ärger des Staatsgastes die Inhaftierung von Deutschen in der Türkei und die Einschränkung von Pressefreiheit und Menschenrechten.
Mit Merkel und Steinmeier habe er «wichtige Themen ehrlich besprochen», unter anderem Investitionen, sagte wiederum Erdogan. Auf diese wartet die wirtschaftlich angeschlagene Türkei dringend. Beide Seiten hoffen nun auf Gegenleistungen. Die Erwartungen sind aber wohl alles andere als deckungsgleich: Erdogan braucht die Investitionen, Deutschland fordert die Einhaltung der Menschenrechte.
Dabei fing das Treffen bereits mit einem unbequemen Thema an. Kurz nach dem Empfang Erdogans am ersten Tag in Berlin durch Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier wurde bekannt, dass Erdogan von Deutschland die Auslieferung von in der Türkei gesuchten Personen verlangt. Es soll sich laut Berichten von Medien in der Türkei und in Deutschland um 69 Personen handeln.
Unter ihnen soll der bekannte Journalist Can Dündar sein. Der in der Türkei wegen Spionage und Verrats verurteilte Journalist verzichtet auf eine Teilnahme an der geplanten Pressekonferenz von Bundeskanzlerin Angela Merkel und Erdogan.
Versöhnlicher als in Berlin zeigte sich Erdogan bei der Einweihung der Ditib-Zentralmoschee in Köln. Allerdings spielten sich vor der Moschee ungewöhnliche Szenen ab. Auf den Strassen der Domstadt versammelten sich sowohl Erdogan-Gegner als auch Erdogan-Befürworter.
#Erdoğan-Anhänger in #Köln: Islamistische Parolen, Symbole der faschistischen/ultranationalistischen "Grauen Wölfe". Alles öffentlich, alles sichtbar. #ErdoğanInKöln
— Ismail Küpeli (@ismail_kupeli) 29. September 2018
Leider immer noch kaum Gegenwehr gegen diese demokratiefeindlichen Gruppierungen. pic.twitter.com/5NNzh3n4Rq
Gegen 13 Uhr am Samstagnachmittag tauchten plötzlich türkische Sicherheitsbeamte auf, welche ein Absperrband anbrachten, um die Demonstranten fernzuhalten, wie Bild.de berichtet. Demnach hatte das Band sogar die Aufschrift «Polizeiabsperrung».
Die türkischen Sicheherheitskräfte hätten in der Folge Erdogan-kritische Demonstranten umringt und diese der deutschen Polizei gemeldet. Sie forderten, dass drei Frauen mit Schildern gegen Erdogan «entfernt» würden, ansonsten würden sie das übernehmen. Auch sollen die türkischen Sicherheitskräfte Journalisten bepöbelt und bedroht haben.
Die Polizei „holt“ sich mit massiver Verstärkung die Straße nahe der Moschee in #Köln zurück, türkische Sicherheitskräfte sind überrascht #erdogan pic.twitter.com/jtOLHRQoUD
— Frank Schneider (@chefreporterNRW) 29. September 2018
Dieser Zustand hielt über eineinhalb Stunden an, ehe die deutsche Polizei Verstärkung holte und die Demonstration komplett auflöste. Erdogans Sicherheitsmänner hätten sich in der Folge zur Moschee zurückgezogen, schreibt die «Bild» weiter. Weshalb die türkischen Sicherheitskräfte deutsche Absperrbänder hatten, wird derzeit abgeklärt.
#Köln Ein Banner mit Aufschrift „Erdogan not welcome“ von einem Bewohner wird schließlich weggezogen- nach Buhrufen. Mehrere Männer - einer mit einem Messer- hatten versucht in das Haus zu gelangen. Private Sicherheitsleute wehrten sie ab. pic.twitter.com/n0nDZcmuWY
— Golineh Atai (@GolinehAtai) 29. September 2018
Für Aufsehen sorgten auch Erdogans Anhänger. Diese reagierten gereizt auf jegliche Kritik gegen den türkischen Präsidenten. So sollen mehrere mit Messern bewaffnete Männer versucht haben, sich Zutritt zu einem Haus zu verschaffen, an dessen Fassade ein «Erdogan-not-welcome»-Banner hing.
Erst letztes Jahr kam es am Rande von Erdogans Staatsbesuch in Washington zu wüsten Szenen. Im Mittelpunkt standen einmal mehr dessen Sicherheitsmänner. So wurden vor der türkischen Botschaft in der US-Hauptstadt kurdische Demonstranten verprügelt, die gegen Erdogan demonstrierten. Neun Personen wurden dabei verletzt. Zwei Personen mussten sogar ins Spital gebracht werden.
#Erdoğan'ın korumaları kavgaya karıştı https://t.co/gsi1iQ68Ye #amerikaninsesi pic.twitter.com/Jv3g5E7AVA
— Amerika'nın Sesi (@VOATurkish) 17. Mai 2017
Videoaufnahmen zeigen, wie in Anzug gekleidete Männer die Absperrung der US-Polizisten durchbrachen und danach gnadenlos auf die Demonstranten einprügelten. Selbst als diese am Boden lagen, wurde nachgetreten. «The Guardian» bestätigte, dass es sich bei den Angreifern um Erdogans Bodyguards handelte. (sda/dpa/afp/reu/vom)