Beim Staatsbesuch von Recep Tayyip Erdogan in Deutschland haben sich gestern ungewöhnliche Szenen abgespielt. Der türkische Präsident wohnte gestern der Eröffnung der DITIB-Zentralmoschee in Köln bei. Auf den Strassen der Domstadt versammelten sich sowohl Erdogan-Gegner als auch Erdogan-Befürworter.
Gegen 13 Uhr am Samstagnachmittag tauchten plötzlich türkische Sicherheitsbeamte auf, welche ein Absperrband anbrachten, um die Demonstranten fernzuhalten, wie Bild.de berichtet. Demnach hatte das Band sogar die Aufschrift «Polizeiabsperrung».
Unfassbarer Vorgang auf der öffentlichen Straße in der Nähe der Moschee: türkische Sicherheitskräfte übernehmen plötzlich Hoheitsrechte der deutschen Polizei, benutzen sogar deren Absperrband #erdogan #koeln pic.twitter.com/3853MHvhlg
— Frank Schneider (@chefreporterNRW) 29. September 2018
Die türkischen Sicheherheitskräfte hätten in der Folge Erdogan-kritische Demonstranten umringt und diese der deutschen Polizei gemeldet. Sie forderten, dass drei Frauen mit Schildern gegen Erdogan «entfernt» würden, ansonsten würden sie das übernehmen. Auch sollen die türkischen Sicherheitskräfte Journalisten bepöbelt und bedroht haben.
#Erdoğan-Anhänger in #Köln: Islamistische Parolen, Symbole der faschistischen/ultranationalistischen "Grauen Wölfe". Alles öffentlich, alles sichtbar. #ErdoğanInKöln
— Ismail Küpeli (@ismail_kupeli) 29. September 2018
Leider immer noch kaum Gegenwehr gegen diese demokratiefeindlichen Gruppierungen. pic.twitter.com/5NNzh3n4Rq
Dieser Zustand hielt über eineinhalb Stunden an, ehe die deutsche Polizei Verstärkung holte und die Demonstration komplett auflöste. Erdogans Sicherheitsmänner hätten sich in der Folge zur Moschee zurückgezogen, schreibt die «Bild» weiter. Weshalb die türkischen Sicherheitskräfte deutsche Absperrbänder hatten, wird derzeit abgeklärt.
Erdogans Bodyguards sorgten bereits vor einem Jahr für Aufsehen, als sie in Washington unliebsame Demonstranten verprügelten. Die Bilder aus der amerikanischen Hauptstadt gingen damals um die Welt.
#Erdoğan'ın korumaları kavgaya karıştı https://t.co/gsi1iQ68Ye #amerikaninsesi pic.twitter.com/Jv3g5E7AVA
— Amerika'nın Sesi (@VOATurkish) 17. Mai 2017
Der türkische Präsident selber hat eine positive Bilanz seines umstrittenen Besuchs in Deutschland gezogen. Dieser sei «fruchtbar und erfolgreich» gewesen.
Man müsse Differenzen überwinden und sich auf gemeinsame Interessen konzentrieren, sagte Erdogan zum Abschluss seines dreitägigen Besuchs bei der Eröffnung einer Moschee in Köln. Die Gespräche hätten «die deutsch-türkische Freundschaft gestärkt».
Er habe mit Bundeskanzlerin Angela Merkel und Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier gute Gespräche geführt, bilanzierte Erdogan. Es gebe zahlreiche Bereiche, wie die Wirtschaft, in denen die gemeinsamen Beziehungen ausgebaut werden könnten. Er habe dazu auch «bekannte deutsche Investoren» getroffen.
Erdogan sucht die Wiederannäherung an Deutschland auch, weil das NATO-Land wirtschaftlich unter Druck steht und Konflikte mit den USA austrägt.
Der türkische Präsident warb zudem für die doppelte Staatsbürgerschaft und sagte, seine in Deutschland lebenden Landsleute sollten nicht assimiliert werden – vielmehr gehe es um eine gleichberechtigte Integration.
Dabei kritisierte er den Umgang mit dem ehemaligen deutschen Nationalspieler Mesut Özil. Er könne nicht verstehen, dass dieser «ausgestossen» worden sei. Ein Foto Özils mit Erdogan kurz vor der Fussball-WM und den Präsidentenwahlen in der Türkei war der Ausgangspunkt der Debatte um den Fussballer, die zum Rücktritt Özils aus der Nationalelf führte. (cma/sda/reu/dpa)