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Macron greift bei Mittelmeergipfel Erdogan an

epa08657392 French President Emmanuel Macron delivers a speech before a dinner with local officials marking the anniversary of the liberation of Ajaccio of 09 September 1943, in Ajaccio on the island  ...
Emmanuel Macron auf Korsika.Bild: keystone

Macron kritisiert Erdogan scharf – die Reaktion der Türkei folgt umgehend

10.09.2020, 20:2610.09.2020, 21:23
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Frankreichs Präsident Emmanuel Macron hat den EU-Südstaaten-Gipfel auf Korsika zu einem neuen Angriff auf seinen türkischen Kollegen Recep Tayyip Erdogan genutzt. Die Türkei sei kein Partner mehr in der Region des östlichen Mittelmeers, sagte Macron am Donnerstag in Ajaccio auf der Mittelmeerinsel Korsika. Die Türkei reagierte umgehend mit harscher Kritik auf die Äusserungen des mächtigsten Franzosen.

Der 42-Jährige hatte Staats- und Regierungschefs aus sechs südlichen EU-Staaten eingeladen, unter ihnen waren der italienische Ministerpräsident Giuseppe Conte und der griechische Regierungschef Kyriakos Mitsotakis. Zum Auftakt der Gespräche kam Macron mit Mitsotakis zusammen, wie aus Élyséekreisen verlautete.

Macron bekräftigte in dem Gespräch mit Blick auf den Konflikt mit der Türkei, dass Frankreich Griechenland unterstützen werde, wie es weiter hiess. Es gebe laufende Diskussionen über eine strategische Partnerschaft, die in den kommenden Monaten zur Unterzeichnung eines Abkommens führen werde.

«Unsere roten Linien sind einfach der Respekt vor der Souveränität eines jeden europäischen Mitgliedstaates, die Achtung des Völkerrechts»
Emmanuel Macron

Macron forderte zuvor vor Journalisten eine entschlossene Haltung der Europäer gegenüber der türkischen Regierung. Europas Stimme müsse geeinter und klarer sein als bisher. «Unsere roten Linien sind einfach der Respekt vor der Souveränität eines jeden europäischen Mitgliedstaates, die Achtung des Völkerrechts». Er wünsche sich, wieder in einen «fruchtbaren Dialog mit dem Nato-Mitglied Türkei» zu treten.

Im östlichen Mittelmeerraum hat sich die Lage zuletzt gefährlich angespannt. Die Türkei sucht nach Erdgasvorkommen. Griechenland und Zypern sind der Ansicht, dass die Bohrungen in ihren Seegebieten erfolgen und damit illegal sind. Ankara weist dies zurück. Frankreich hatte jüngst als Zeichen der Solidarität mit Athen und Nikosia seine Militärpräsenz in der Region erhöht.

Ankara reagiert

Macron habe eine «arrogante Erklärung» abgegeben, die Ausdruck seiner Unfähigkeit und Verzweiflung sei, hiess es in einer Mitteilung des türkischen Aussenministeriums. Macrons Verhalten weise «alte kolonialistische Reflexe» auf und gefährde die Interessen der EU. Er sei ausserdem nicht dazu befugt, über Grenzen im Mittelmeer zu entscheiden.

Auf Korsika wollten sich Frankreich, Griechenland, Zypern, Malta, Italien, Spanien und Portugal vor dem EU-Sondergipfel am 24. und 25. September abstimmen, wie es aus Macrons Umfeld hiess. Es ist bereits das siebte informelle Gipfeltreffen der Gruppe, die im Diplomatenjargon «Med7» genannt wird.

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Die «Med7» am runden Tisch in Korsika.Bild: keystone

Mitsotakis drohte im Streit um Gebiete in der Ägäis mit Sanktionen. Er schlug in einem Namensbeitrag für die «Frankfurter Allgemeine Zeitung» (Donnerstag) auch die Anrufung des Internationalen Gerichtshofs vor. Falls Ankara bis zum EU-Sondergipfel Ende des Monats keine Vernunft annehme, hätten die EU-Regierungschefs «keine andere Option, als wirksame Sanktionen zu beschliessen», schrieb Mitsotakis.

Macron forderte nach dem Grossfeuer im griechischen Flüchtlingslager Moria europäische Hilfe. «Wir müssen gegenüber Griechenland solidarisch sein.» Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und Macron wollen nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur zusammen mit anderen EU-Ländern 400 unbegleitete Minderjährige aufnehmen.

Macron kritisiert Türkei wegen Libyen-Einsatz

Das Verhalten Erdogans im Libyen-Konflikt kritisierte der französische Staatschef ebenso wie die Erdgaserkundungen im östlichen Mittelmeer als «inakzeptabel». Macron hatte Ankara bereits mehrfach wegen des Libyen-Konflikts angegriffen - denn dieser bedrohe auch die Sicherheit Europas. Die Türkei unterstützt in dem Konflikt die international anerkannte Regierung in Libyen. Die Türkei entsende nach Tripolis radikale, aus Syrien stammende Milizionäre, hiess es aus Kreisen des Élyséepalastes.

In dem nordafrikanischen Land Libyen herrscht seit dem Sturz von Langzeitherrscher Muammar al-Gaddafi 2011 ein Bürgerkrieg, der von aussen befeuert wird. Während die Türkei die Regierung in Tripolis unterstützt, erhält der einflussreiche General Chalifa Haftar Hilfe unter anderem von Ägypten, den Vereinigten Arabischen Emiraten (VAE) und Russland. (cma/sda/dpa)

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33 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Tikvaw
10.09.2020 21:04registriert Mai 2015
Danke Macron. Wenigstens ein Europäischer Regierungschef der sich getraut dem Diktator und Brandstifter aus der Türkei mal "diplomatisch" die Leviten zu lesen.
Meiner Meinung nach kommt man in Zukunft um eine EU-Armee, welche unabhängig von der Nato ist, nicht herum. Auch wenn diese hunderte Milliarden pro Jahr kosten wird.
Auf die Türkei (aber auch die USA) ist kein Verlass
mehr.
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Möwin
10.09.2020 21:40registriert März 2020
Lukaschenko ist nicht der einzige bzw. "letzte Diktator Europas".
Der "Osmanische" ist ein weiterer Diktator, welcher bisher aufgrund des Flüchtlingsabkommens mit Samthandschuhen behandelt wurde.
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weissauchnicht
10.09.2020 21:33registriert März 2019
Interessant, dass in der sogenannten Med7-Gruppe Portugal dabei ist. Sie haben zwar eine lange Küste, sind vom Mittelmeer aber fast so weit entfernt wie die Schweiz. Dafür bleiben Slowenien und Kroatien aussen vor...🤔
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