Der 15. Juli, an dem der Putschversuch in der Türkei begann, ist zum «Gedenktag für Märtyrer» erklärt worden. Dies teilte Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan in der Nacht zum Freitag in einer Pressekonferenz in Ankara mit.
«Kommende Generationen werden die Helden des Kampfes für die Demokratie nie vergessen», sagte Erdogan laut der Nachrichtenagentur Anadolu an seinem Amtssitz. Bei dem Putschversuch waren mehr als 260 Menschen ums Leben gekommen.
Erdogan betonte, es sei notwendig, dass man sich weiterhin gegen den «hinterlistigsten und niederträchtigsten Putschversuch in der Geschichte des türkischen Volkes» zur Wehr setze. Er rief dazu auf, die von der Regierung als «Demokratie-Wachen» bezeichneten Versammlungen in den türkischen Städten fortzuführen.
Die Bürger sollten sich versammeln und die zentralen Plätze der Städte besetzen, «bis unser Land diese schwere Phase vollständig hinter sich gelassen hat».
Bereits am Donnerstagmorgen schrieb Erdogan in einer an sämtliche Handys des Landes versandten Kurzmitteilung: «Mein liebes Volk, gib nicht den heroischen Widerstand auf, den Du für Dein Land, Deine Heimat und Deine Fahne gezeigt hast.»
Post von #Erdoğan. Jeder Türke bekommt von ihm täglich diese sms. Inhalt: Geht raus, demonstriert weiter! #Türkei pic.twitter.com/0nMyWbkVI0
— Tuncay Özdamar (@TuncayOezdamar) 21. Juli 2016
Es ist nicht das erste Mal, das der türkische Präsident, seine Bevölkerung per SMS anspricht. Seit dem Putsch bekommen die Türken regelmässig eine Nachricht des Präsidenten höchstpersönlich.
Tausende Unterstützer der türkischen Regierung folgten dem Aufruf in Istanbul. Sie marschierten vom Stadtteil Kisikli über eine der Bosporus-Brücken auf die europäische Seite der Stadt. Die Brücke musste am Abend für den Verkehr gesperrt werden.
Erdogan hatte die Bevölkerung bereits während des Putschversuchs von Teilen des Militärs am Freitagabend im Fernsehen dazu aufgerufen, sich auf den Strassen den Putschisten entgegenzustellen. Seine Anhänger folgten zu Tausenden dem Appell und trugen damit wesentlich dazu bei, dass der Putschversuch scheiterte. Seitdem demonstrieren jeden Abend tausende Menschen in Istanbul, Ankara und anderen Städten.
Am Mittwochabend hatte Erdogan nach einer Sitzung des Nationalen Sicherheitsrats einen dreimonatigen Ausnahmezustand verhängt. Das Parlament stimmte der Massnahme am Donnerstag mit grosser Mehrheit zu. Die Regierung kündigte ausserdem an, die Europäische Menschenrechtskonvention zumindest teilweise auszusetzen.
Erdogan macht seinen in den USA lebenden Rivalen Gülen für den Putschversuch verantwortlich. In der Folge wurden tausende Soldaten, Polizisten und Beamte unter dem Verdacht festgenommen, an dem versuchten Umsturz beteiligt gewesen zu sein.
Nach Angaben eines Sprechers der regierenden AKP wurden inzwischen 10'400 Beschuldigte in Gewahrsam genommen. Zehntausende weitere Staatsbedienstete, darunter Richter, Staatsanwälte, Hochschuldozenten und Lehrer, wurden entlassen oder versetzt. Die EU und andere westliche Partner reagierten besorgt auf das harte Vorgehen der türkischen Regierung.
Erdogan kritisierte zudem die Herabstufung der Kreditwürdigkeit seines Landes durch die US-Ratingagentur Standard & Poor's als politisch motiviert. Die türkischen Finanzmärkte hätten keine Liquiditätsprobleme, sagte Erdogan in einem Interview mit der Nachrichtenagentur Reuters. Der Finanzsektor sei sehr stark.
Erdogan warf S&P vor, sich auf die Seite der Putschisten geschlagen zu haben und nicht auf die der Demokratie. Sollte die Ratingagentur Moody's den Experten von S&P folgen, wäre das keine objektive Entscheidung, sagte Erdogan.
S&P hatte am Mittwoch angesichts der politischen Turbulenzen in der Türkei die Note für das Land um eine Stufe auf BB gesenkt. Zugleich stufte die Ratingagentur den Ausblick auf «negativ» von bislang «stabil» herab. Als Begründung nannte die Agentur die zunehmende Polarisierung der Politik in dem NATO-Staat. Nach dem Putschversuch sei mit einer Phase der erhöhten Unsicherheit zu rechnen, schrieben die Experten. Das könne Investoren davon abhalten, ihr Geld in der Türkei anzulegen. (cma/sda/dpa/afp/reu)