Der Abstimmungskampf türkischer Politiker in Europa hat am Wochenende zu einem schweren Zerwürfnis mit den Niederlanden geführt. Die niederländischen Behörden verhinderten Auftritte von zwei türkischen Ministern. In Rotterdam und Ankara gab es wütende Proteste gegen die Niederlande, die türkische Regierung droht mit Vergeltung.
Auslöser des Streits war der für Samstag geplante Auftritt von Aussenminister Mevlüt Cavusoglu im türkischen Konsulat in Rotterdam. Bei diesem wollte er um Unterstützung für eine Volksabstimmung im April werben.
Die niederländische Regierung hatte Cavusoglu im Vorfeld zwar erläutert, dass Abstimmungskampfauftritte türkischer Regierungsmitglieder vor den bevorstehenden Wahlen in den Niederlanden nicht erwünscht seien. Als der Minister dennoch auf seine Einreise pochte und mit politischen und wirtschaftlichen Sanktionen drohte, entzog ihm die Regierung in Den Haag die Landeerlaubnis.
Die türkische Familienministerin Fatma Betül Sayan Kaya gelangte darauf per Auto am Abend von Deutschland kommend nach Rotterdam. Sie wurde aber von der Polizei daran gehindert, das Konsulat zu betreten. Nachdem die Ministerin zur unerwünschten Person erklärt worden war, liess sie sich von der Polizei zurück nach Deutschland eskortieren.
Als Reaktion gab es sowohl in den Niederlanden - wo rund 400'000 türkischstämmige Menschen leben - wie auch in der Türkei Proteste. In Rotterdam setzte die Polizei Wasserwerfer und Schlagstöcke ein, um rund 2000 Demonstranten zu vertreiben. Die Beamten wurden von einigen aus der Menge mit Flaschen und Steinen beworfen.
Vor dem niederländischen Konsulat in Istanbul versammelten sich rund 1000 Erdogan-Anhänger. Ein Mann kletterte auf das Dach des Konsulats und ersetzte die niederländische durch eine türkische Flagge. Gegen das Botschaftsgebäude in Ankara wurden Eier und Orangen geschleudert.
Die türkische Regierung bestellte als Reaktion auf den Umgang mit ihren Ministern den Geschäftsträger der niederländischen Botschaft ein. Sie erläuterte ihm, die Rückkehr des niederländischen Botschafters, der sich zur Zeit nicht in Ankara aufhält, sei nicht erwünscht.
Spitzenpolitiker der türkischen Regierungspartei AKP äusserten sich erzürnt - allen voran Präsident Recep Tayyip Erdogan. Der Staatschef zog wie schon zuvor im Streit mit Deutschland Vergleiche zu den Nazis und drohte den Niederlanden mit Konsequenzen. «Sie werden für ihr Vorgehen bezahlen», sagte er am Sonntag in Istanbul. «Wir werden sie lehren, wie internationale Diplomatie funktioniert.» Holland verhalte sich wie eine «Bananenrepublik».
Nach dem Eklat in Rotterdam drohte auch Aussenminister Cavusoglu am Sonntag bei einem Auftritt im französischen Metz erneut Konsequenzen an. Vor Journalisten forderte der Aussenminister zudem eine Entschuldigung ein.
«Das wäre doch bizarr», sagte der niederländische Ministerpräsident Mark Rutte auf die Frage eines Moderators im Fernsehsender WNL, ob er bereit wäre, sich bei Erdogan zu entschuldigen. «Das ist ein Mann, der uns gestern als Faschisten und ein Land von Nazis beschimpft hat.» Er werde sich um Deeskalation bemühen, aber nicht, indem er eine Entschuldigung anbiete.
Die Abstimmungskampagne der AKP-Minister sorgt in mehreren europäischen Ländern für Diskussionen. In einigen Staaten - so in der Schweiz und in Österreich - wurden solche Werbeauftritte bisher abgesagt, vor allem unter Hinweis auf Sicherheitsbedenken. Ein für Sonntag in der Schweiz geplanter Auftritt Cavusoglus wurde auf unbestimmte Zeit verschoben.
Der dänische Ministerpräsident Lars Løkke Rasmussen bat seinen türkischen Amtskollegen Binali Yildirim, einen für nächste Woche geplanten Besuch in Dänemark zu verschieben. Als Grund verwies er auf die verbalen Attacken der Türkei gegen die Niederlande.
Auch in Deutschland - wo besonders viele türkische Bürger leben - hatten in den vergangenen Tagen Gemeindebehörden mehrfach Auftritte von türkischen Ministern abgesagt. Die Regierung in Berlin hat solche Veranstaltungen zwar nicht verhindert, Innenminister Thomas de Maizière sagte jedoch am Sonntag: «Ein türkischer Wahlkampf in Deutschland hat hier nichts verloren.»
Die Verfassungsänderung, über die Türkinnen und Türken abstimmen, trägt die Handschrift von Präsident Erdogan, der damit seine Befugnisse drastisch ausweiten möchte.
Bei einer Annahme würde die Leitung der Regierung auf den Präsidenten übertragen werden, der bisher eine vorwiegend repräsentative Funktion hatte. So soll er die Minister ernennen und entlassen können. Das Amt des Ministerpräsidenten soll abgeschafft werden.
Künftig soll der Staatschef zudem Dekrete mit Gesetzeskraft erlassen und im Fall eines Aufstands oder einer Bedrohung der Einheit der Nation den Ausnahmezustand verhängen können. (sda/afp/reu/dpa)
Von unserer Freiheit profitieren, und dann für Erdogan sein - das geht nicht.