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Erdogan: «Wird die Justiz gegen Medien, die den Putsch unterstützt haben, nichts unternehmen? Natürlich wird sie!»

Präsident Erdogan im CNN-Interview: Probleme mit der Presse? Ich doch nicht!
Präsident Erdogan im CNN-Interview: Probleme mit der Presse? Ich doch nicht!
screenshot: cnn

Erdogan: «Wird die Justiz gegen Medien, die den Putsch unterstützt haben, nichts unternehmen? Natürlich wird sie!»

19.07.2016, 12:3119.07.2016, 12:56
Philipp Dahm
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Der türkische Präsident hat dem Sender CNN ein Interview gegeben, in dem er einen vielsagenden Einblick in seinen künftigen Umgang mit der Presse gewährte. Moderatorin Becky Anderson fragt Recep Tayyip Erdogan zunächst, wie er die Nacht von Freitag auf Samstag persönlich erlebt habe. Der antwortet:

In this photo released and broadcast by CNN Monday, July 18, 2016, Turkey's President Recep Tayyip Erdogan, right, is interviewed by CNN's Becky Anderson, about the failed military coup on J ...
Becky Anderson sprach am 18. Juli mit dem Präsidenten.
Bild: AP/CNN

«Ich habe mit meiner Familie fünf Tage Ferien in Marmaris gemacht. In der Nacht wurde ich gegen 22 Uhr [23 Uhr unserer Zeit] benachrichtigt und man sagte mir, was los ist. Man hat mich informiert, dass es in Istanbul, Ankara und an einigen anderen Orten eine Art Bewegung gebe. Wir beschlossen aufzubrechen. Meine Frau, mein Schwiegersohn und meine Enkel waren bei mir, als das passierte.»

Dann kommen die Medien ins Spiel. Erdogan fährt fort: «Bevor wir aufbrachen, wollte ich vor die Kameras treten. Ich wollte die Bevölkerung über das Fernsehen erreichen, doch der Staatssender erreichte die Bevölkerung nicht mehr.» Der TV-Sender TRT war von den Putschisten lahmgelegt worden.

Erdogan: Justiz wird putschfreundliche Medien bestrafen

«Wir mussten also, was die Medien angeht, Plan B anwenden: Wir haben Smartphones benutzt und uns bei einigen Privatsendern live gemeldet. Bei diesen Übertragungen habe ich die Leute aufgerufen, auf die Strassen und Plätze der Städte zu gehen. Ich wurde informiert, dass die Leute gleich nach diesem Aufruf in Massen auf die Strasse gingen. Das war sehr wichtig.»

Erdogan habe sich bei CNN Türk via Facetime gemeldet. Becky Anderson fragt, ob diese Nacht Erdogans Sicht auf Social Media und die Pressefreiheit verändert hat. Der Präsident lacht: «Wir haben die Pressefreiheit und private Sender immer geschätzt, und in unserer 14 Jahre währenden Regierung haben wir diese Dinge immer gefördert. Wir haben einige Hürden entfernt und solche Unternehmen unterstützt.»

Neben CNN Türk war Erdogan auf A-Habesh, NTV und NTGRT zu sehen. Die Sender gaben ihm die Freiheit, zu reden, fasst Anderson zusammen: Fühlt er sich nun der Freiheit der Presse verpflichtet?

Lynchstimmung in der Türkei

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Lynchstimmung in der Türkei
Szene vom 16. Juli in Istanbul: Eine aufgebrachte Menge geht gegen vermeintliche Putschisten vor.
quelle: x90138 / murad sezer
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«Nun, Becky, ich habe nie ein Problem mit der Pressefreiheit gehabt», holt der Präsident aus. «Wenn jemand immer noch sagt, die Presse in der Türkei sei nicht frei, möchte ich so antworten: Es gab einen versuchten Putsch. Es gibt Leute, die auf der Seite der Putschisten sind, und Medien, die für und gegen den Coup sind.»

«Ich habe nie ein Problem mit der Pressefreiheit gehabt.»
Präsident Erdogan im CNN-Interview

Dann wird es interessant: «Die Frage ist: Wird die türkische Justiz gegen die Medien, die den Putsch unterstützt haben, denn nichts unternehmen? Natürlich wird sie! Warum? Nun, wenn du diesen Putschversuch unterdrücken willst, müssen die Putsch-Sympathisanten an den richtigen Ort gebracht werden, wenn man so will. Sie sollten die richtige Behandlung erfahren, denn sonst werden die Leute durch Fehlinformationen getäuscht.»

Auf gut Deutsch: Den Medien, die nicht linientreu sind, stehen schwere Zeiten ins Haus – wobei angemerkt werden muss, dass kritische Pressevertreter in der Türkei bis dato ohnehin nichts zu lachen hatten. Die «Säuberungswelle», die Militär, Verwaltung und Polizei erfasst hat, wird auch vor der vierten Macht nicht halt machen.

Update: Und schon lässt die türkische Regierung ihren Worten Taten folgen. Meedia berichtet unter Berufung auf «Reporter ohne Grenzen», dass in den letzten 48 Stunden mehr als ein Dutzend türkischer Nachrichtenwebsites ohne richterlichen Beschluss vom Netz genommen wurden.

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21 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Louie König
19.07.2016 13:57registriert Juni 2014
Blanker Hohn, zu behaupten, die Presse sei frei in der Türkei! Meine Fresse, der Sultan hat ja auch vor Medien in anderen Ländern nicht Halt gemacht! Natürlich, wenn die Medien sagen, was Erdi hören will, dann sind sie völlig frei, dies zu sagen. Sorry, aber der Verdacht, dass Recep hier seine Finger im Spiel hat, verhärtet sich von Tag zu Tag.
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zombie woof
19.07.2016 13:31registriert März 2015
Der Wahnsinnige dreht auf....
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Linus Luchs
19.07.2016 13:18registriert Juli 2014
Recep Tayyip Erdogan hält sich an eine simple Gleichung: Wer nicht meiner Meinung ist, ist gegen mich, also auf der Seite der Putschisten. So sieht er sich legitimiert, alles und jeden „an den richtigen Ort zu bringen“, wenn sich Widerstand auch nur vermuten lässt. Es ist nicht auszuschliessen, dass es geheime Gefängnisse gibt, wo gefoltert und gemordet wird. Gegenüber dem Ausland wird Erdogan eine rechtsstaatliche Fassade hochhalten, aber hinter der Fassade gibt es nichts, was die Inhaftierten schützt. Sehr wahrscheinlich beginnt gerade ein sehr dunkles Kapitel in der Geschichte der Türkei.
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