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Weisse Nationalisten laut Experten so gefährlich wie Islamisten

Weisse Nationalisten sind laut Experten so gefährlich wie Islamisten

Weisse Nationalisten rund um den Globus eint vor allem eines: die Furcht davor, zur Minderheit zu werden. Eine fragwürdige Rolle kommt Donald Trump zu.
16.03.2019, 15:06
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Der Anschlag auf zwei Moscheen in Christchurch mit 49 Todesopfern wirft ein Schlaglicht auf die Bewegung der weissen Nationalisten. Gewalttätige Einzeltäter wie der 28-Jährige Brenton Tarrant sorgen dafür, dass die weltweite Bewegung neue Anhänger gewinnt.

Sicherheitsexperten sehen im weissen Nationalismus daher eine ebenso grosse Bedrohung wie im militanten Islamismus.

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Donald Trump sagt, er sehe den weissen Nationalismus nicht als eine wachsende Gefahr an.Bild: EPA/EPA

Sie sind antisemitisch oder islamfeindlich, wollen im Kapitalismus oder im Sozialismus leben: Die Vorstellungen der weissen Nationalisten sind alles andere als einheitlich, auch eine feste Führungsstruktur gibt es nicht.

Was sie rund um die Welt verbindet, sind die Ablehnung von Einwanderung, die Vorstellung eines «europäischen» Ideals und das Verbreiten oft brutaler Drohungen im Internet. Der Attentäter von Christchurch hatte in seinem 74-seitigen Manifest davon gesprochen, er wolle die «Einwanderung vernichten» und Rache nehmen für Anschläge in Europa.

«Diese Menschen haben Angst vor dem demografischen Wandel. Sie benutzen den Begriff ‹Völkermord an Weissen›», sagt Brian Levin vom Zentrum für Extremismusforschung an der California State University in San Bernardino. Experten sind sich einig, dass die weissen Nationalisten zwar eine zersplitterte Bewegung sind, die über das Internet jedoch von Europa über Russland bis hin nach Kanada und in die USA vernetzt ist.

Rechtsradikale Websites helfen dabei, über Kontinente hinweg Kontakt zu halten. Nach dem Anschlag von Christchurch wimmelte es auf einschlägigen Websites rasch von Reaktionen.

Grösste extremistische Bedrohung in den USA

Laut Levin stellen weisser Nationalismus und Rechtsextremismus in den Vereinigten Staaten derzeit «die grösste extremistische Bedrohung» dar. Seit Jahren gibt es in den USA mehr Anschläge von weissen Nationalisten als von Dschihadisten.

Sophie Bjork-James, Professorin an der Vanderbilt-Universität in Nashville, sieht bei den weissen Nationalisten vor allem eines, das sie eint: die Furcht davor, dass weisse Christen zur Minderheit in den Gesellschaften werden könnten, die sie seit Jahrhunderten dominieren. Aus dieser Vorstellung heraus entstand etwa die identitäre Bewegung mit Wurzeln in Frankreich.

Anschläge von Einzeltätern wie jetzt in Neuseeland sorgen dafür, dass die Bewegung der weissen Nationalisten Zulauf bekommt. Laut Bjork-James sind solche Einzeltäter Teil einer weltweiten Strategie: Die Bewegung verstehe sich bewusst als «Widerstand ohne Anführer», dessen Mitglieder stattdessen versuchten, sich untereinander zu Taten anzustacheln.

Zulauf erhalten die weissen Nationalisten auch dank des Aufstiegs einer Reihe von Politikern, die extrem konservative Standpunkte vertreten und gegen Einwanderung kämpfen. Dazu gehören etwa Marine Le Pen in Frankreich, Viktor Orban in Ungarn, Wladimir Putin in Russland und Donald Trump in den USA.

Trumps fragwürdige Rolle

Trump hatte in seinem Wahlprogramm für strengere Einwanderungsregeln geworben und so eine überwiegend weisse Wählerschaft erreicht. Seit seiner Wahl zum Präsidenten fiel Trump wiederholt dadurch auf, dass er rechtsextreme Gewalt nicht klar verurteilte – etwa nach dem Marsch weisser Nationalisten im Ort Charlottesville, bei dem ein Rechtsextremer eine Gegendemonstrantin tötete.

Laut Bjork-James sehen die weissen Nationalisten den US-Präsidenten als «unglaubliche Gelegenheit, ihren Einfluss auszuweiten». Der Attentäter von Christchurch bezeichnete Trump in seinem Manifest als Symbol einer «erneuerten weissen Identität».

Trump löste am Freitag neue Kontroversen aus, als er den Anschlag zwar verurteilte, aber gleichzeitig erklärte, er sehe den weissen Nationalismus nicht als eine wachsende Gefahr an: «Das tue ich wirklich nicht. Ich glaube, das ist eine kleine Gruppe von Leuten», sagte der US-Präsident vor Journalisten im Oval Office.

(dsc/sda/afp)

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Attacke auf zwei Moscheen in Neuseeland
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Attacke auf zwei Moscheen in Neuseeland
Bei einem Terrorangriff auf zwei Moscheen in Christchurch hat es am Freitag, 15. März 2019, mindestens 50 Tote gegeben. Mit einer Schnellfeuerwaffe schoss ein Tatverdächtiger auf Muslime.
quelle: epa/snpa / martin hunter
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49 Tote, ein Manifest und grosse Trauer
Video: srf
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72 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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leu84
16.03.2019 17:05registriert Januar 2014
Extremismus ist in den meisten Fällen immer ein Problem. Speziell dann, wenn physische Gewalt angewandt wird. Unabhängig vom politischen Spektrum oder Gruppierung.
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Yolo
16.03.2019 20:48registriert Mai 2015
Logisch, es sind doch beides Fundamentalisten.
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Rotom
16.03.2019 19:31registriert März 2018
Eines dürfte doch jedem vernünftigen Menschen klar sein, jede Art von Extremismus ist gefährlich. Es gab und gibt immer wieder gute Beispiele in unserer Geschichte. Bedenklich ist aber auch, dass die Medien die Extremisten manchmal schon fast pushen. Ihnen wird somit viel zu viel Beachtung geschenkt.
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