Nadia Murad hatte mit ihrer Familie ein friedliches Leben am Rande des Sindschar-Gebirges geführt, bevor die Dschihadisten kamen. Doch als die gefürchtete Miliz «Islamischer Staat» («IS») im August 2014 Murads Dorf im Nordirak erstürmte, wurde sie wie tausende andere jesidische Frauen als Sexsklavin verschleppt.
Erst nach Monaten gelang ihr die Flucht. Seitdem setzt sie sich unermüdlich für die Rechte der Jesidinnen und gegen sexuelle Gewalt weltweit ein – ein Engagement, das nun mit dem Friedensnobelpreis gewürdigt wurde.
An dem Tag, an dem die Pickups mit den schwarzen Flaggen in ihr Dorf fuhren, wurde Nadia Murads Leben zum Alptraum. Die Dschihadisten töteten die Männer, rekrutierten die Kinder als Kämpfer und machten die Frauen zu Sexsklavinnen. Auch Murad wurde nach Mossul, die inoffizielle Hauptstadt der Dschihadisten im Nordirak, verschleppt und nach Schlägen, Folter und wiederholten Gruppenvergewaltigungen an einen «IS»-Kämpfer verheiratet.
«Als erstes zwangen sie uns, zum Islam zu konvertieren», berichtete Murad im Jahr 2016 der Nachrichtenagentur AFP. Aus Sicht der sunnitischen Extremisten sind die Jesiden Ungläubige, da sie einer vorislamischen monotheistischen Religion anhängen. In ihrem Herrschaftsgebiet hielten die «IS»-Männer Sklavenmärkte ab, auf denen sie die jesidischen Frauen und Mädchen verkauften. Tausende Jesidinnen wurden so zu Sklavinnen.
Murad gelang es erst nach drei Monaten, mit Hilfe einer muslimischen Familie aus Mossul zu fliehen und die Sicherheit der kurdischen Autonomieregion zu erreichen. In den Flüchtlingslagern dort erfuhr sie von anderen Jesiden, dass sechs ihrer Brüder sowie ihre Mutter getötet worden waren. Mit Unterstützung einer Hilfsorganisation konnte sie später zu ihrer Schwester nach Deutschland reisen, wo sie heute lebt.
Die «IS»-Kämpfer hätten «uns unsere Ehre nehmen wollen, doch es waren sie, die ihre Ehre verloren», sagt Murad im Rückblick. Seitdem die heute 25-Jährige ihre Freiheit wiedergefunden hat, engagiert sie sich für ihre Volksgruppe und gegen den Einsatz sexueller Gewalt in Konflikten. Zusammen mit anderen Aktivisten fordert sie insbesondere, die Taten der Dschihadisten gegen die Jesiden als Völkermord anzuerkennen.
Nach all den Tragödien hat die 25-Jährige zuletzt auch privat gute Neuigkeiten zu verkünden: So gab sie im August ihre Verlobung mit dem jesidischen Aktivisten Abid Schamdin bekannt. «Der Kampf unseres Volkes hat uns zusammengebracht und wir werden diesen Weg gemeinsam weitergehen», schrieb sie im Kurzmitteilungsdienst Twitter. Noch immer bleibt viel zu tun: Mehr als 3000 entführte jesidische Frauen werden weiterhin vermisst.
In seiner Heimat nennen sie ihn «Doktor Wunder». Der Gynäkologe Denis Mukwege behandelt seit mehr als 20 Jahren mit chirurgischem Geschick und viel sozialem Engagement die grausamen Verletzungen, die Frauen in der Demokratischen Republik Kongo bei Vergewaltigungen zugefügt werden.
Weltweit setzt er sich für ein härteres Vorgehen gegen Vergewaltigungen als Kriegsmethode ein. Am Freitag wurde der 63-Jährige gemeinsam mit der jesidischen Aktivistin Nadia Murad für seinen Kampf gegen sexuelle Gewalt mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet.
Mukwege operiert seit Jahren unter einfachen Bedingungen Frauen, die Opfer von Vergewaltigungen wurden und deren Geschlechtsorgane oft völlig verstümmelt wurden. Der Gynäkologe gilt weltweit als Spezialist für das Rekonstruieren weiblicher Geschlechtsorgane. Zudem setzt er sich für die soziale und moralische Rehabilitation von Vergewaltigungsopfern im Kongo ein, wo die betroffenen Frauen oft gesellschaftlich geächtet sind.
In der ostkongolesischen Stadt Bukavu wurde Mukwege am 1. März 1955 als drittes von neun Kindern geboren. Sein Vater – ein Pastor, der regelmässig Krankenbesuche machte – inspirierte ihn dazu, Arzt zu werden. Nach Studien in Burundi und Frankreich kehrte er Ende der 80er Jahre in den Kongo zurück.
Im Spital von Lemera, etwa 100 Kilometer südlich seiner Heimatstadt in der östlichen Provinz Süd-Kivu, sah er erstmals ein Opfer einer schrecklichen Vergewaltigung: «Ihr ganzes Becken war zerstört. Ich dachte, es handle sich um das Werk eines Irren, aber im selben Jahr behandelte ich noch 45 ähnliche Fälle», erinnert sich Mukwege in seiner Biografie «Plaidoyer pour la vie».
Seine Arbeit in der von Bürgerkriegen gebeutelten Krisenregion brachte den Mediziner schon in Lebensgefahr. Im Jahr 2012 entkam er nur knapp einem Angriff, bei dem sein Leibwächter getötet wurde. In Bukavu steht er unter dem ständigen Schutz der UN-Friedenstruppen.Vor vier Jahren war Mukwege für seine Arbeit bereits mit dem Sacharow-Preis für Menschenrechte des Europaparlaments ausgezeichnet worden. 2015 erschien der Dokumentarfilm «Der Mann, der Frauen repariert». (whr/sda)