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Bitte? Dieser Brite soll Londons nächster Bürgermeister werden? Seine Hobbys: Die Revolution und Guillotinen 

Frauen, ergebt euch! Russell Brand als Metarocker Aldous Snow in «Get Him to the Greek»Bild: null
Russell Braaaaand!!!

Bitte? Dieser Brite soll Londons nächster Bürgermeister werden? Seine Hobbys: Die Revolution und Guillotinen 

27.10.2014, 22:2828.10.2014, 10:06
Simone Meier
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Eine Revolution, das haben wir von den Franzosen gelernt, braucht eine Guillotine. Und das Rollen royaler Häupter. Weshalb sich der Comedian und Schauspieler Russell Brand jetzt eine Guillotine für Prinz George wünscht. Nicht als Spielzeug, sondern, um den kleinen Prinzen zu köpfen. Der überübernächste britische König, sagt Russell Brand, wäre nämlich bereits der siebte König namens George, und es sei nun wirklich an der Zeit, diesem überteuerten Leerlauf namens Monarchie ein Ende zu setzen. 

Ach ja, Russell Brands neues Buch heisst natürlich «Revolution». Es ist seit dem 23. Oktober auf dem Markt und bei amazon.co.uk bereits auf Platz drei. Sein Hashtag lautet #ReLOVEution, was schon zeigt, dass es sich dabei nicht nur um einen Weltveränderungs-, sondern auch um einen von Russell Brands semi-esoterischen Weltumarmungsversuchen handelt. Russell Brand, dieses Blumenkind unserer Tage. Das die Menschen zu Einsicht, Liebe und Antikapitalismus erziehen will.

So erfolgreich und beliebt ist der einstige Glamour-Junkie und Sex-Ex von Jemima Kahn, Katy Perry, Kate Moss und Courtney Love, dass der «Mirror» am Sonntag die Umfrage «Würde Russell Brand in der Wahl zum Bürgermeister von London Ihre Stimme erhalten?» lancierte. Bis Montagmittag hatten 77 Prozent der Leser Ja gestimmt. Russell Brand selbst verweigerte dazu bis jetzt jeden Kommentar, was wohl heisst, dass er diese neue Rolle in Betracht zieht. Schliesslich ist er der Mann mit dem Messias-Komplex.

So sieht Russell Brand die Zukunft der britischen Royals.
So sieht Russell Brand die Zukunft der britischen Royals.Bild: Roger Viollet
So sehen die Briten die Zukunft von Russell Brand.
So sehen die Briten die Zukunft von Russell Brand.Bild: mirror

Er hat auch schon gestanden, dass er sich vorstellen könne, a) in Zukunft auf Hollywood zu verzichten, b) seinen ganzen Besitz von geschätzten 15 Millionen Dollar aufzulösen und in den Dienst einer besseren Menschheit zu stellen und c) für seine revolutionären Ideale ins Gefängnis zu gehen und selbstverständlich auch zu sterben. Sein Vorbild ist Edward Snowden, den er so beschreibt: «Wenn Heldentum heisst, sich für das Wohl einer Gemeinschaft zu opfern, dann ist er ein Held.»

Das klingt nun alles nach einer vollpubertären Leidenschaftlichkeit, aber gerade diese ist es, die Russell Brand seit gut einem Jahr zu Englands wichtigstem Agenten für eine Politisierung der Jugend macht. Denn Russell Brand hält zwar keine Lösungen bereit, auch nicht in «Revolution», aber er stellt unendlich viele Fragen (viele davon sind streng marxistisch) und besitzt die Gabe, Missstände – manchmal mit den seltsamsten Beispielen aus der ihm vertrauten Celebrity-Kultur – anschaulich und amüsant zu skizzieren.

Und er baut internationale intellektuelle Netzwerke, etwa mit dem Ethnologen und Anarchisten David Graeber, ein Mann, von dessen Schuldentheorie die meisten Russell-Brand-Fans noch nie gehört haben dürften. Jetzt wissen sie Bescheid, dank «Revolution». 

Russell Brands Medienschau «The Trews»

Seit gut einem Jahr sieht man ihn öfter an Demonstrationen als auf der Bühne, er verteidigte die London Riots und Occupy und erst letzte Woche marschierte er mit Londons Krankenschwestern für mehr Lohn. Seine Auseinandersetzung mit der Welt-Tages-Politik findet sich seit Ende Februar 2014 in seiner täglichen Web-Medienschau «The Trews», was soviel meint wie «true news» oder «news you can trust», also die Wahrheit hinter den Nachrichten.

Gelegentlich beantwortet er in «The Trews» Fragen junger Menschen, und die gleichen, die vor zwei Jahren via Twitter noch Sex mit ihm wollten, diskutieren jetzt über Sozialhilfe, Immigration, Banker-Boni, Ebola und entfremdete Arbeit. 654'000 Menschen haben Brands Videokommentare abonniert, 8,45 Millionen konsumieren sie via Twitter, und nur selten beinhaltet «The Trews» so lustige Dinge wie die Demontage der Medienindustrie am Beispiel von René Zellwegers Gesicht. 

Was ihm von Englands Politkommentatoren noch ewig nachgetragen werden wird, ist sein Aufruf an die Jugend, nicht wählen zu gehen. Weil man eine Regierung, von der man sich nur verarscht und nicht repräsentiert fühle, nicht durch Partizipation stützen solle. Womit er Recht und Unrecht hatte. 

Irgendwie messianisch.
Irgendwie messianisch.Bild: Getty Images North America

Russell Brand ist ein Utopist, ein romantischer noch dazu. Einer, in dessen Sprache sich die Flamboyanz, die Eleganz und Dekadenz von Shakespeare, Charles Dickens und Oscar Wilde wiederfindet. Britisches Kulturerbe, gewissermassen. Einer, in dessen Bühnenprogrammen Foucault zitiert wird. Einer, dessen Autobiografie «My Booky Wook» in Guantanamo verboten ist – neben Werken von Dostojewsky, Solschenizin und Shakespeare.

Russell Brand ist self made. Aufgewachsen in einem blinden Winkel der Gesellschaft, sein Vater zeigte sich erst, als der Sohn alt genug war, um ihn in Bordelle zu begleiten, die heissgeliebte Mutter erkrankte an Krebs, Russell war gewalttätig, mager-, sex- und drogensüchtig. Und vollkommen grössenwahnsinnig. Es brachte ihn weit, er ist ein genialer Rhetoriker. Einer, der mit 39 Jahren schon enorm viel geredet und gelebt hat. Unterschätzt hat man ihn immer.

Jetzt könnte er Bürgermeister von London werden. Seine Chancen dürften realistischer sein als seine revolutionären Theorien. Es sei denn, er denkt ernsthaft daran, vor dem Buckingham Palast eine Guillotine aufzustellen.

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