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UNO zur Lage in Eritrea: Willkürliche Hinrichtungen und systematische Folter

UNO zur Lage in Eritrea: Willkürliche Hinrichtungen und systematische Folter

08.06.2015, 11:5708.06.2015, 12:36
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Flüchtlinge haben Gesichter

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Flüchtlinge haben Gesichter
In Europa sind die Flüchtlinge immer wieder Gesprächsthema. Ein wirkliches Gesicht von Flüchtlingen kennen jedoch die wenigsten.
quelle: getty images europe / dan kitwood
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Die Regierung von Eritrea begeht laut UNO-Ermittlern massive Verletzungen der Menschenrechte. Dies treibe Hunderttausende Einwohner des nordostafrikanischen Staates zur Flucht nach Europa.

Dem Regime in Asmara werfen die Experten in einem am Montag veröffentlichten Bericht willkürliche Hinrichtungen sowie systematische Folter – darunter auch Vergewaltigungen – vor, «die den Tatbestand von Verbrechen gegen die Menschlichkeit erfüllen könnten.»

Weite Teile der Bevölkerung des Staates am Roten Meer mit etwa 6,4 Millionen Einwohnern seien zudem Zwangsarbeit sowie einem zeitlich unbefristetem Militärdienst und ungesetzlichen Inhaftierungen ausgesetzt, heisst es in dem Bericht der Eritrea-Untersuchungskommission der Vereinten Nationen.

Das Regime von Staatschef Issaias Afewerki, der in den 1990er Jahren auch von manchen westlichen Politikern als fortschrittlicher Hoffnungsträger für Afrika gepriesen worden war, betreibe ein Orwellsches System der Massenüberwachung, berichtet die Kommission.

Familienmitglieder etwa müssten der Regierung über ihre eigenen Verwandten Bericht erstatten. «Wenn ich in Eritrea bin, traue ich mich kaum zu denken, weil ich Angst habe, dass die Menschen meine Gedanken lesen können», zitiert der Bericht einen befragten Zeugen.

Die vom Staat gesammelten Informationen würden willkürlich benutzt, um die Bevölkerung in einen permanenten Zustand der Angst zu versetzen, heisst es in dem 500-seitigen Bericht. Dieses Klima der Angst ersticke jede Opposition. «Eritrea ist ein totalitärer Staat», konstatiert die dreiköpfige Ermittlergruppe unter Leitung des australischen Juristen Mike Smith.

Tödliche Fluchtrouten

Die meisten Eritreer sähen sich mit einer scheinbar ausweglosen Notlage konfrontiert, heisst es weiter. «In ihrer Verzweiflung riskieren sie tödliche Fluchtrouten durch Wüsten und Bürgerkriegsländer und den gefährlichen Seeweg über das Mittelmeer.»

Die Flucht übers Mittelmeer

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Die Flucht übers Mittelmeer
Der Präsident des Europäischen Parlamentes, Martin Schulz, spricht mit Überlebenden des verheerenden Schiffsunglücks vom 3. Oktober 2013.
quelle: epa/ansa / franco lannino
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Fast 360'000 Eritreer sind nach UNO-Angaben derzeit als Flüchtlinge in Europa registriert. Die meisten von ihnen in der Schweiz, Deutschland und Schweden. Aus keinem anderen Land Afrikas fliehen so viele Menschen nach Europa wie aus Eritrea.

Die UNO-Kommission appelliert an alle Staaten, eritreische Asylsuchende nicht zur Rückkehr zu zwingen. Das Regime bestrafe «jeden, der versucht, das Land ohne Genehmigung zu verlassen».

Wer die Flüchtlinge beschuldige, sie verliessen ihr Land aus rein wirtschaftlichen Gründen, übersehe die desaströse Menschenrechtslage im Land. «Die Eritreerinnen und Eritreer haben das Recht auf internationalen Schutz», forderte die Kommission, die vor einem Jahr vom UNO-Menschenrechtsrat berufen wurde.

UNO-Ermittler durften nicht einreisen

Die eritreische Regierung hat den UNO-Ermittlern jegliche Zusammenarbeit verweigert und sie nicht einreisen lassen. Grundlage ihres Berichts seien daher 550 vertrauliche Interviews mit Zeugen ausserhalb Eritreas sowie 160 schriftliche Berichte von Betroffenen.

Viele potenzielle Zeugen hätten selbst in Asylländern noch aus Angst vor Übergriffen sowie vor Repressalien gegen zurückgebliebene Verwandte eine Aussage vor den Ermittlern abgelehnt.

Über die Lage in Eritrea und den Untersuchungsbericht will der UNO-Menschenrechtsrat im Rahmen seiner am 15. Juni beginnenden Sommersitzung öffentlich beraten. (sda/dpa)

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