Vor vier Jahren war das Bewerberfeld der Demokraten für die US-Präsidentschaftswahl gelinde gesagt überschaubar: Neben Hillary Clinton kandidierten Bernie Sanders und ein Gouverneur, den man längst vergessen hat. Der Formstand der Partei war bedenklich. Nach acht Jahren Obama-Präsidentschaft wirkte sie ausgelaugt.
Der unerwartete Erfolg von Donald Trump über Clinton hat die Demokraten erst geschockt und dann revitalisiert. Die Zahl der Möchtegerns für die Wahl im November 2020 ist kaum noch überschaubar. Am Sonntag kam mit dem früheren Abgeordneten und pensionierten Admiral Joe Sestak der 24. Name hinzu. Der Grossandrang bringt die Partei in die Bredouille.
Diese Woche präsentieren sich die Kandidierenden erstmals dem nationalen Fernsehpublikum. Am Mittwoch und Donnerstag werden je zehn Personen in Miami zur grossen Debatte antreten. Vier Namen wurden aussortiert. Der prominenteste ist Steve Bullock, der als Gouverneur von Montana bewiesen hat, dass ein Demokrat in einem erzkonservativen Staat Erfolg haben kann.
Das Auswahlverfahren sorgte aus einem weiteren Grund für eine Kontroverse. Senatorin Elizabeth Warren, die in den letzten Wochen im Aufwind war, wurde in den ersten Slot am Mittwoch «verbannt», der als weniger attraktiv gilt. Tatsächlich duellieren sich die meisten Favoriten, darunter Joe Biden, Bernie Sanders und Kamala Harris, erst am Donnerstag.
Die Herausforderung ist für alle Bewerberinnen und Bewerber riesig: Wer beim ersten grossen TV-Auftritt auf nationaler Ebene nicht glänzen kann, dürfte angesichts der enormen Konkurrenz bald weg vom Fenster sein. Wie aber steht es um den Formstand der aktuellen Favoriten?
Er liegt in allen Umfragen klar an der Spitze. Zu verdanken hat Joe Biden dies seiner Prominenz als Vizepräsident von Barack Obama und der Tatsache, dass viele ihm zutrauen, die zu Donald Trump «übergelaufenen» Bewohner des Rust Belt zurückzugewinnen. Sein Handicap ist das Alter (er ist 76). Auch ist Biden dafür berüchtigt, kaum einen Fettnapf auszulassen.
Letzte Woche ist es wieder passiert: Der ehemalige Senator schwärmte von den Zeiten, als die Politik in Washington noch «zivilisiert» war, und lobte ausdrücklich zwei Südstaaten-Demokraten, die einst die Rassentrennung verteidigt hatten. Der schwarze Senator Cory Booker, der ebenfalls Präsident werden möchte, liess sich nicht zweimal bitten und zoffte sich öffentlich mit Biden.
Für seine Kritiker ist Joe Biden ein hoffnungsloser Nostalgiker, der aus der Zeit gefallen und für die Herausforderungen der Gegenwart nicht gerüstet ist. «Opa Simpson will Präsident werden», titelte das Magazin «Politico». Der nächste Ausrutscher kommt bestimmt. Trotz Umfragehoch sollte man nicht allzu viel Geld darauf wetten, dass Biden nominiert wird.
Der Wahlkampf der Senatorin aus Massachusetts begann holprig. In den letzten Wochen aber hat Warren das Feld von hinten aufgerollt. In einzelnen Umfragen liegt sie bereits auf Platz zwei hinter Joe Biden. Umso ärgerlicher wirkt es, dass die 70-Jährige sich nicht mit ihm und anderen Favoriten messen darf, sondern bereits am Mittwoch zur Fernsehdebatte antreten muss.
Dies kann auch eine Chance für Warren sein, sich im besten Licht zu präsentieren. Mit Cory Booker und Beto O'Rourke hat sie immerhin zwei valable Gegner. Die Senatorin gehört zum linken Flügel, doch ihre Ideen für die Wirtschaft stossen weit darüber hinaus auf Zustimmung. Demokratische «Zentristen» können sich immer mehr mit einer Präsidentin Warren anfreunden.
«Feel the Bern», lautete seine Parole im Wahlkampf 2016. Mit seinen linken Ideen versetzte der selbst ernannte Sozialist, der nicht einmal Mitglied der Partei ist, vor allem junge Wählerinnen und Wähler in Ekstase. Damals aber musste sich Sanders nur an Hillary Clinton «abarbeiten». Jetzt muss er sich mit einer grossen Zahl von Rivalinnen und Rivalen herumschlagen, von denen einige seine Agenda zumindest teilweise übernommen haben.
Seine Umfragewerte sind gut, tendenziell aber rückläufig. Und mit 77 ist der Senator aus Vermont noch ein Jahr älter als Joe Biden, was ihm nicht hilft. «Ist Bernie Sanders erledigt?», fragte sich das Wirtschaftsportal Bloomberg. Dieser Abgesang ist verfrüht. Tatsache ist aber auch: Die demokratische Basis mag Sanders, aber nur wenige würden ihn wählen.
Mit ihrem Geschlecht und ihrer indisch-jamaikanischen Herkunft verkörpert die Senatorin aus Kalifornien die Vielfalt der heutigen demokratischen Partei. Damit kann sie in den Umfragen punkten, dennoch ist Harris' Wahlkampf kaum in Fahrt gekommen. Kritiker monieren, sie habe mit ihrem Mix aus progressiven und moderaten Ideen noch keine Nische gefunden.
In der polarisierten US-Politik könnte die 54-Jährige zwischen Stuhl und Bank fallen. Am Parteitag der Demokraten in ihrem Heimatstaat Kalifornien ging sie neben Elizabeth Warren regelrecht unter. In den letzten Tagen hat Kamala Harris versucht, ihre menschliche Seite gegenüber dem Politischen zu betonen. Aber sie ist mehr als andere auf eine starke Debatten-Performance angewiesen.
Der schwule Bürgermeister von South Bend in Indiana ist die bislang grösste Sensation im demokratischen Wahlkampf. Mit überzeugenden Fernsehauftritten und einer cleveren Strategie hat sich der telegene 37-Jährige vom Nobody in die Spitzengruppe katapultiert. Es sind beste Voraussetzungen, um in der Debatte gegen die mehr als doppelt so alten Biden und Sanders zu glänzen.
Am Wochenende aber musste Buttigieg seine erste Bewährungsprobe bestehen. In South Bend hatte ein weisser Polizist einen Schwarzen erschossen. Bei der Rückkehr in seine Heimatstadt sah sich «Mayor Pete» mit wütenden Afroamerikanern konfrontiert. Die Episode offenbart seine bislang grösste Schwäche: Für Schwarze und Latinos ist Buttigieg einfach ein weiterer weisser Mann.
Mit den fünf Spitzenreitern können bislang nur Cory Booker und Beto O'Rourke in den Umfragen halbwegs mithalten. Umso mehr darf man gespannt sein, wie sich der grosse Rest in den Debatten schlägt. Bis zur ersten Vorwahl dauert es noch mehr als ein halbes Jahr. Sie findet am 3. Februar 2020 statt, wie immer im Staat Iowa.
Quelle: Simpsons