Der 20. April 2010 war ein Tag zum Feiern. Das glaubten zumindest am Morgen noch die vier Manager, die an jenem Tag auf die Ölplattform Deepwater Horizon im Golf von Mexiko geflogen wurden. Sieben Jahre ohne ernsten Unfall, die Bohrung abgeschlossen: Dazu gratulierten die Herren – zwei vom Ölkonzern BP, zwei vom Tiefseebohrspezialisten Transocean – den Arbeitern.
Ein paar Stunden, nachdem sie wieder abgeflogen waren, knallte es auf der Plattform. Die Abdichtung des frisch verschlossenen Bohrlochs hatte dem Druck nicht standgehalten. Gas war ausgetreten und hatte sich an einem Funken entzündet. Die Katastrophe liess sich nicht mehr aufhalten.
Elf Arbeiter starben. Fast drei Monate lang floss Öl ins Meer zwischen den USA und Mexiko. Pelikane und Schildkröten verendeten, von einer schwarzen, klebrigen Schicht überzogen. Das Öl gelangte in die Mägen von Fischen, Delfinen und Walen, Robben, Ottern. Pflanzen erstickten im Öl. Korallen- und Austernriffe starben ab.
Ein Teil des Öls konnte von der Meeresoberfläche abgeschöpft oder direkt am Bohrloch eingefangen werden. Ein Teil wurde abgefackelt. Zudem wurden fast 7 Millionen Liter eines Lösungsmittels ausgebracht, das dafür sorgen sollte, dass sich das Öl rascher zersetzt. Einen Monat nach der Explosion – das Öl floss noch immer aus dem Leck – sagte BP-Chef Tony Hayward:
Zwei Monate später musste er seinen Rücktritt erklären.
Auf der Meeresoberfläche war zwar nach wenigen Wochen kein Öl mehr zu sehen. Aber in den Körpern von Tieren und im Boden ist auch zehn Jahre später noch nicht alles in Ordnung. Kürzlich hat die Universität South Florida eine Studie zu 2500 Fischen von 91 Arten publiziert. Laut Meeresbiologe Steven Murawski fanden sich in jedem einzelnen Fisch Spuren des Öls.
«Es gibt in diesem System keine unberührten Fische», sagte er laut Medienmitteilung. Zu den am stärksten belasteten Fischen gehörte der Ziegelbarsch, der sich Höhlen im Meeresgrund gräbt.
Die Belastung mit giftigen Kohlenwasserstoffen in der Galle der Fische hat über die vergangenen zehn Jahre nicht etwa ab-, sondern sogar zugenommen. In den Sedimenten um das Bohrloch herum lagert immer noch Öl, das durch Stürme oder Strömungen freigesetzt wird. Stark belastet ist zum Erstaunen des Forschungsteams aber auch der Gelbflossenthunfisch, der nicht am Meeresgrund lebt.
Laut der US-Meeresbehörde NOAA brauchen im Allgemeinen langlebige Arten länger, um sich zu erholen. Dazu zählen neben grossen Fischen auch Schildkröten und Meeressäuger. Noch immer finden sich bei Delfinen Schäden an inneren Organen wie Lunge und Nebenniere. Sie können entstehen, wenn ein Delfin direkt mit Öl in Kontakt kommt, aber auch wenn er Fische frisst, die verseucht sind.
Auch die Meeresschildkröten haben sich noch nicht erholt. Von den rund 600 toten Schildkröten, die nach der Katastrophe eingesammelt wurden, gehörten drei Viertel zu den vom Aussterben bedrohten Atlantische Bastardschildkröten. Ihr Bruterfolg schwankt seit der Katastrophe stark.
Wie eng dies mit der Ölpest zusammenhängt, lässt sich schwer sagen. Deren Folgen vermischen sich mit anderen Umweltproblemen im Golf von Mexiko. Das Meer wird überfischt. Das Wasser ist schmutzig. Und durch den Klimawandel steigt der Wasserspiegel und es kommt häufiger zu Stürmen. Erosion ist an den Küsten des Golfs ein grosses Problem, das sich verstärkt hat, als das Öl die Pflanzen abtötete, die mit ihren Wurzeln die Ufer zusammenhielten. Es verschwanden Brutplätze von Schildkröten und Vögeln, aber auch Lebensräume für kleinere Tiere, von denen sich wiederum grössere ernähren.
In zahlreichen Projekten wird noch immer versucht, zumindest einen Teil der Schäden wiedergutzumachen. Die Netze der Shrimps-Fischerei werden mit Öffnungen versehen, durch welche Schildkröten entkommen können. Austernriffe werden wiederaufgebaut, in denen sich neben den Austern auch Krabben und junge Fische wohlfühlen.
Düster sieht es dagegen in der Tiefsee aus. Das Bohrloch befand sich 1500 Meter unter der Wasseroberfläche. Dort unten ist es eiskalt und der natürliche Abbau des Öls durch Bakterien schreitet langsamer voran als weiter oben. Das Öl floss auf Korallenkolonien, die bis zu sechshundert Jahre alt waren, heisst es in einem Bericht der «National Wildlife Federation», der grössten Naturschutzorganisation der USA. Einige Kolonien würden sich wohl nie erholen.
Und da solche Wassertiefen nur durch ferngesteuerte Roboter zugänglich sind, kann der Mensch auch kaum nachhelfen.
Hauptschuldig für die Katastrophe ist laut Gerichtsurteil der britische Ölkonzern BP, der grobfahrlässig gehandelt habe. Einen Teil der Schuld trägt zudem die Firma Transocean mit Sitz im Kanton Zug, die im Auftrag von BP die Plattform betrieb.
BP verkündete bereits 2013, der Golf kehre dank den Säuberungsaktionen, Renaturierungsprojekten und natürlichen Erholungsprozessen nun in den Zustand zurück, in dem er ohne den Unfall wäre. Das Gericht war anderer Meinung: BP muss in Tranchen bis 2032 unter anderem 8.1 Milliarden Dollar zur Wiedergutmachung von Schäden an der Natur zahlen.