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Möge der Bessere gewinnen, heisst es unter normalen Umständen. Aber was ist dieses Jahr schon normal? Für die US-Präsidentschaftswahl wäre wohl «möge der weniger Verhasste gewinnen» angebrachter. Gemäss einer aktuellen Umfrage wollen 22 Prozent für keinen der beiden Kandidaten stimmen. Millionen von Amerikanern stehen also vor einem Dilemma:
Die meisten werden sich wohl für die erste Option entscheiden und hoffentlich nicht allzu viele für die zweite. Ungewöhnlich viele scheinen zur dritten Option zu tendieren, denn ein alternativer Kandidat erfreut sich dieses Jahr hoher Zustimmung: Der libertäre Gary Johnson (63).
Gary Johnson war von 1995 bis 2003 republikanischer Gouverneur von New Mexico und ist damit der einzige Kandidat, der zuvor bereits in ein Exekutivamt gewählt wurde. 2012 bemühte er sich erfolglos um die Nomination der Republikaner für die Präsidentschaftswahl und liess sich stattdessen von der libertären Partei aufstellen. Damals erhielt er landesweit knapp 1 Prozent der Stimmen. Derzeit kommt er in den Umfragen auf 9 Prozent.
Johnson vertritt in Finanz- und Steuerfragen republikanische Positionen wie weniger Staat, vereinfachte Steuergesetze und ein ausgeglichenes Budget. Gesellschaftspolitisch steht er hingegen weit links: So befürwortet er das Recht auf Abtreibung, gleichgeschlechtliche Ehen, Alkoholkonsum ab 18 (statt wie aktuell 21) Jahren und die Entkriminalisierung von Drogen. Die Todesstrafe lehnt er ab. Ebenso wie Einschränkungen beim Waffenrecht, da ist er konsequent libertär.
Johnsons erklärtes Ziel ist es derzeit, in den nationalen Umfragen in die Nähe von 15 Prozent zu kommen. Dann wäre er berechtigt, an den drei TV-Präsidentschaftsdebatten gegen Trump und Clinton anzutreten. Zuletzt war dies 1992 Ross Perot gelungen. Ansonsten sind die Debatten eine exklusive Angelegenheit der Demokraten und Republikaner.
Laut Medienberichten schliessen die Organisatoren dieses Szenario nicht aus und planen schon einmal ein drittes Rednerpult. Sollte Johnson die 15 Prozent knacken, könnte er seinen Wähleranteil durch die nationale Aufmerksamkeit für die Debatten wohl weiter steigern. Für den Sieg wird es trotzdem nicht reichen, doch Trump – und Clinton würde er auf jeden Fall Kopfzerbrechen bereiten.
Aufgrund der hohen Bedeutung von Swing States, wo manchmal einige Zehntausend Stimmen den Ausschlag geben, hat ein Kandidat wie Johnson erhebliches disruptives Potenzial. Die entscheidende Frage lautet: Wem nimmt er mehr Stimmen weg? Bislang scheint er eher in Trumps Wählersegment abzuschöpfen, doch aufgrund seiner gesellschaftsliberalen Positionen wäre er auch für viele Demokraten wählbar. Das gilt auch für die Kandidatin der Grünen Partei, Jill Stein. Sie liegt derzeit bei knapp vier Prozent in den Umfragen.
Richtig interessant wird es, sollte es Johnson gelingen, einen Gliedstaat zu gewinnen. In Utah etwa hat er in den Umfragen zu Donald Trump aufgeschlossen. Sollte es landesweit zusätzlich zu einem knappen Rennen zwischen Trump und Clinton kommen, könnte es passieren, dass keiner der beiden die nötigen 270 Elektorenstimmen erreicht.
Dann bestimmt das Abgeordnetenhaus den Präsidenten (pro Gliedstaat eine Stimme). In seiner aktuellen Zusammensetzung dürfte dann der republikanische Kandidaten das Rennen machen – ob das Trump wäre, ist eine andere Frage. Ebenso, ob die Republikaner ihre Mehrheit im Abgeordnetenhaus halten können, das 2016 ebenfalls neu gewählt wird.
Es wäre nicht das erste Mal, dass ein dritter Kandidat entscheidend in die US-Präsidentschaftswahl eingereift. 2000 fehlten dem Demokraten Al Gore gegen George W. Bush nur wenige hundert Stimmen in Florida, um Präsident zu werden. Ralph Nader machte dort fast 100'000 Stimmen, die mehrheitlich an Gore gegangen wären. Stattdessen verhalfen sie indirekt George W. Bush zum Sieg, so die Meinung vieler Beobachter. 1992 war es Ross Perot, der George Bush Senior die Wiederwahl vermieste.