Es geschieht nicht alle Tage, dass ein Komiker Post erhält von einem Botschafter. Trevor Noah, seines Zeichens Anchorman der erfolgreichen US-Satiresendung «The Daily Show» und niemand, der einen guten Witz der politischen Eintracht opferte, wurde jetzt zur Zielscheibe französischer Kritik aus der höchsten Ebene.
Auslöser der Affäre: Noah hatte nach dem Sieg Frankreichs an der WM in seiner Sendung Afrika gratuliert – eine Anspielung auf den Migrationshintergrund vieler Spieler der französischen Nationalmannschaft. Für den Botschafter Frankreichs in den USA eine grobe Beleidigung, ja geradezu ein Angriff auf die Grundwerte der Grande Nation.
In einem geharnischten Schreiben wies er Noah darauf hin, dass es sich bei den Spielern ausnahmslos um Franzosen handelt, dass ihre «Französischheit» nicht in Zweifel zu ziehen sei und dass eigentlich überhaupt nichts wahr sei an dem, was Noah gesagt hatte.
Die Retourkutsche der französischen Regierung auf einen Satirebeitrag erinnert an die ätzende Doppeladler-Diskussion, die die Schweiz nach dem Sieg gegen Serbien an der WM erfasst und das Land für einige Tage in einen Zustand kollektiver Hysterie versetzt hatte.
Damals prasselte eine Welle der Kritik auf Granit Xhaka, Xherdan Shaqiri und Co. ein, der Generalsekretär des Fussballverbands SFV goss zusätzlich Öl ins Feuer mit einem Interview, in dem von «Problemen mit Mehrfachnationalitäten» die Rede war. Der Chefredakteur einer grossen Zeitschrift fabulierte von der «Fortsetzung des innerjugoslawischen Bruderkriegs unter Schweizer Flagge» und stramm rechte Patrioten hätten es am liebsten gesehen, wenn die Schweiz ihre besten Spieler gleich selber für den Rest des Turniers ausgeschlossen hätte.
Begründet wurden diese interessanten intellektuellen Verrenkungen mit der Eidgenossen-Formel: Schweizer sein kann nur, wer schon immer Schweizer war und vor allem: Wer sonst nichts ist.
Noah wählte einen anderen Weg, der einen, sagen wir, positiveren Ansatz beinhaltete. In seiner nächsten Sendung las er den Brief des Botschafters vor – natürlich nicht ohne sich über den Englisch-Akzent der Franzosen zu mokieren – und sezierte den Inhalt ebenso gründlich wie genüsslich.
Noahs Kernbotschaft: Das Eine schliesse das Andere nicht aus, mehrschichtige Identitäten seien kein Ding der Unmöglichkeit, sondern vielmehr wünschenswert. Oder ganz simpel: «Why can't they be both?»
Er wolle den Franzosen afrikanischer Abstammung nicht ihre Französischheit wegnehmen, im Gegenteil, so Noah. Er wolle vielmehr ihre Afrikanischheit feiern, gerade weil sie es geschafft haben, französische Staatsbürger zu werden.
Das allgemeine Unverständnis in den USA über die Doppelbürger-Diskussion in Frankreich (und in der Schweiz) leitet Noah gleich selber her: Während Frankreich das Französischsein mit der Auslöschung der afrikanischen Herkunft kopple, um eine vermeintliche Gleichheit unter seinen Bürgern zu schaffen, sei es in den USA völlig selbstverständlich, sich als US-Bürger zu fühlen und gleichzeitig die Erinnerung an die eigene Herkunft hochzuhalten. Der St.Patricks-Day der irisch-stämmigen Bevölkerung sei bestes Beispiel dafür.
Natürlich unterliess es der Komiker nicht, den einen oder anderen Seitenhieb auf die angebliche Heuchelei anzubringen, die in den Worten des Botschafters mitschwängen.
Wo der französische Botschafter die Vielfalt der Hintergründe der französischen Nationalmannschaft preist, erwähnt Noah mit maliziösem Lächeln die Geschichte des Kolonialismus – der vielbeschworene gemeinsame Hintergrund resultiere letztendlich daraus, dass die Kolonialmacht Frankreich fremde Länder eroberte und ihre Bevölkerung ausbeutete.
Auch die Doppelmoral, die in der mit viel Medienecho begleiteten Geschichte des jungen malischen Migranten Mamoudou Gassama mitschwang, der ein Kleinkind rettete, indem er die Fassade eines Pariser Wohnhauses hochkletterte, kritisierte Noah scharf.
Gassama erhielt nach der mirakulösen Rettungstat kurzerhand die französische Staatsbürgerschaft von Premier Macron höchstpersönlich überreicht – zuvor war er allerdings ein unwillkommener illegaler Einwanderer oder schlicht: Un noir.
«Wenn sie arbeitslos sind oder ein Verbrechen begehen, dann sind sie afrikanische Immigranten. Wenn ihre Kinder die Weltmeisterschaft gewinnen, dann sind sie Franzosen.» Besser hätte man es nicht zusammenfassen können.
Übrigens: Trevor Noah selber ist Südafrikaner mit Schweizer Wurzeln. Darauf kann man eigentlich stolz sein. (wst)