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Wie Obama die Guantánamo-Altlast «entsorgen» will

A sign identifies Joint Task Force Guantanamo's closed down Camp I at the U.S. Naval Base in Guantanamo Bay, Cuba March 22, 2016. REUTERS/Lucas Jackson/File Photo
Das Lager in Guantánamo Bay ist ein Schandfleck für das Image der USA.Bild: LUCAS JACKSON/REUTERS

Wie Obama vor seinem Abgang die Guantánamo-Altlast «entsorgen» will

17.08.2016, 07:0917.08.2016, 07:29
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Das Gefangenenlager Guantánamo auf Kuba ist so etwas wie die offene Wunde von Barack Obamas Präsidentschaft. Kaum hatte er sein Amt im Januar 2009 angetreten, verfügte er die Schliessung des umstrittenen Camps, das zu einem Schandfleck für das Image der USA geworden war. Umgesetzt aber wurde der Erlass nie. Der Kongress machte auf Fundamentalopposition und verweigerte die Überstellung der Häftlinge aufs amerikanische Festland.

Deshalb versucht es Obama mit einer Art Schliessung durch die Hintertüre: In den letzten Jahren wurden rund 180 Insassen entweder freigelassen oder in Drittstaaten überstellt. Auch die Schweiz nahm 2010 zwei chinesische Uiguren auf. Der bislang grösste Einzeltransfer ereignete sich am Montag, als 15 Guantánamo-Häftlinge in die Vereinigten Arabischen Emirate geschickt wurden.

FILE - In this Jan. 22, 2009 file photo, President Barack Obama, accompanied by Vice President Joe Biden and retired military members speaks in the Oval Office of the White House in Washington, Thursd ...
Am 22. Januar 2009 verfügte Barack Obama die Schliessung von Guantánamo.Bild: J. Scott Applewhite/AP/KEYSTONE

Bereits im letzten November waren fünf Jemeniten in die Emirate gebracht worden, wo sie gemäss «New York Times» einem Rehabilitationsprogramm unterzogen wurde, das für einheimische Extremisten entwickelt wurde. Auch Oman, Saudi-Arabien und Katar übernahmen Häftlinge aus Guantánamo. Das Pentagon zeigte sich in einer Mitteilung dankbar für die «humanitäre Geste» und für die Bereitschaft, «die Bemühungen zur Schliessung des Lagers zu unterstützen».

Schliessung «ziemlich unwahrscheinlich»

Die «New York Times» erachtet es als «zunehmend unwahrscheinlich», dass Obama dieses Ziel bis zum Ende seiner Amtszeit erreichen wird. Allerdings könnte es ihm gelingen, jene Häftlinge loszuwerden, die für einen Transfer freigegeben wurden. Derzeit sitzen noch 61 Personen in Guantánamo, von denen 20 in ein Drittland überstellt werden könnten. Die übrigen gelten als zu gefährlich, gleichzeitig liegt nichts gegen sie vor, um sie vor Gericht zu bringen.

Das Gefangenenlager in der US-Marinebasis Guantánamo Bay auf Kuba war nach den Terroranschlägen vom 11. September 2001 eröffnet worden. Zeitweise waren fast 800 echte oder mutmassliche islamische Extremisten dort inhaftiert. Noch unter Obamas Vorgänger George W. Bush war die Mehrheit von ihnen entlassen worden. Als der heutige Präsident sein Amt antrat, befanden sich noch 242 Insassen in der von Menschenrechtlern heftig kritisierten Einrichtung.

Kritik der Republikaner

Amnesty International begrüsste die Überstellung vom Montag als «starkes Zeichen und drängte gleichzeitig zu einer raschen Schliessung des Lagers. Kritik gab es erwartungsgemäss von Seiten der Republikaner. Ed Royce, der Vorsitzende der aussenpolitischen Kommission im Repräsentantenhaus, bezeichnete die Regierung Obama als «verantwortungslos». Zu viele seien bereits durch die Hand ehemaliger Häftlinge ums Leben gekommen.

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Guantanamo
Der Bericht des US-Senats über die CIA-Foltermethoden an Terrorgefangenen enthüllt bisher unbekannte Grausamkeiten.
quelle: epa/epa / jim lo scalzo
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Tatsächlich sollen gemäss Washington Post mindestens zwölf ehemalige Guantánamo-Insassen «rückfällig» geworden und an Angriffen auf Truppen der USA und ihrer Verbündeten in Afghanistan beteiligt gewesen sein. Allerdings wurden sie alle unter der Bush-Regierung entlassen.

Die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch veröffentlichte am Montag ein Statement des pensionierten Generals Michael Lehnert, der den Bau des Lagers 2002 geleitet hatte. Heute bezeichnet er es als «beträchtliches Hindernis» für die nationale Sicherheit. «Wir können den Kampf gegen Terrrorismus und religiösen Extremismus nur führen, wenn wir den amerikanischen Werten treu bleiben», hielt Lehnert fest. Guantánamo sei «ein Schlag ins Gesicht» dieser Ideale.

Das weitere Schicksal des Lagers dürfte auch vom Ausgang der US-Präsidentschaftswahl abhängen. Der Republikaner Donald Trump hat bereits angekündigt, er wolle «böse Jungs» wieder nach Guantánamo bringen. Unter Obamas Präsidentschaft wurden keine Häftlinge nach Kuba überführt. (pbl)

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12 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Tortejäger
17.08.2016 09:01registriert Oktober 2014
Wenn ich ohne ein Gerichtsprozess in ein solches Lager gesteckt würde, hätte ich danach auch ein gewaltigen Hass auf die USA und würde zum Terroristen mutieren.
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Scaros_2
17.08.2016 08:21registriert Juni 2015
Ach die wurden Rückfällig? Das hätte ich jetzt nicht gedacht. Ich glaube aber nicht das die Rückfällig wurden sondern viel mehr noch mehr radikalisiert. Ich meine wenn jemand seit ca. 2004 fast 10 Jahre ohne Anklage, Beweise und nur auf "Vermutung" festsitzt weil er dummerweise einfach zur falschen Zeit am falschen Ort war und vielleicht noch die falschen besten Freunde hatte nun freikommt kann ich den gut verstehen wenn er abgrundtiefen Hass gegenüber den USA verspürt und jetzt erst recht Terror gegen dieses Land führt. Guantanamo ist doch ein Brutkasten bei dem was dort abgeht.
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Go-away
17.08.2016 10:45registriert Dezember 2014
Wie kann ein Land, welches laufend andere Länder aufgrund Menschenrechtsverletzungen kritisiert, selbst eine so drastische Menschenrechtsverletzung begehen, indem sie Personen ohne Beweise festhält?
Ich kann den Film «5 Jahre leben» nur weiterempfehlen. Sagt sehr viel über die Zustände in Guantanamo...
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