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«Auf barbarische Weise getötet» – der Fall Khashoggi

Holding a poster of missing Saudi writer Jamal Khashoggi, a man stands near the Saudi Arabia consulate in Istanbul, Friday, Oct. 5, 2018. Khashoggi, a 59-year-old veteran journalist who has lived in s ...
Sollten sich die aufgetauchten Tonaufnahmen als wahr erweisen, so ist Jamal Khashoggi im saudi-arabischen Konsulat in Istanbul brutal getötet worden.Bild: AP/AP

«Auf barbarische Weise getötet» – 4 neue Fakten zu Khashoggis Verschwinden

18.10.2018, 03:1324.10.2018, 13:42
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Tonaufnahmen aufgetaucht – wieso gerade jetzt?

In der Türkei sind Aufnahmen von Khashoggis Tötung aufgetaucht, wie die «New York Times» berichtet. Informationen und Gerüchte von offizieller Seite drangen bereits unmittelbar nach dem Verschwinden des Journalisten an die Öffentlichkeit. Als sich der saudi-arabische König Salman um eine diplomatische Lösung bemühte und ein längeres Telefonat mit dem türkischen Präsidenten Erdogan führte, wurden für wenige Tage keine Informationen mehr verbreitet. Aber seit gestern wurden die Medien von Beamten wieder mit Neuigkeiten versorgt – an jenem Tag, an dem sich US-Aussenminister Mike Pompeo mit Kronprinz bin Salman traf.

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US-Aussenminister Mike Pompeo mit Kronprinz Mohammed bin Salman.Bild: EPA/SAUDI ROYAL PALACE

Dabei ist das kein Zufall und vermutlich eine Reaktion der türkischen Regierung auf bin Salmans Aussage gegenüber Pompeo, er habe mit dem Verschwinden Khashoggis nichts zu tun. In der Türkei werden Medien und Zeitungen vom Staat streng kontrolliert – geheime Informationen gelangen nur durch Zustimmung der Regierung an die Öffentlichkeit. Mit den gestern veröffentlichen Aufnahmen üben die türkischen Behörden weiter Druck auf Saudi-Arabien aus. 

So soll sich die Tat zugetragen haben

Am 2. Oktober betrat Khashoggi um 13.15 Uhr das Konsulat. Zunächst soll der Regimekritiker ins Büro des Generalkonsuls, Mohammad al-Otaibi, geführt worden sein, wo ihn 15 Agenten ergriffen und auf ihn einschlugen. Die Rede ist auch von Folter. Wie ein türkischer Beamter berichtet, sollen ihm die Finger abgeschnitten worden sein, bevor er ermordet wurde. «Sie haben ihn nicht nur im Konsulat getötet, sondern auch noch auf barbarische Weise», zitiert abc News einen engen Vertrauten des Opfers. 

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Die türkische Polizei durchsucht jeden Winkel im Konsulat. Bild: EPA/EPA

«Macht das draussen. Ihr bringt mich in Schwierigkeiten», soll der Konsul gesagt haben. Auf den Aufnahmen sagt einer der Agenten zu den anderen: «Wenn ihr leben wollt, wenn ihr nach Saudi-Arabien zurückkommt, dann seid still!» Zudem soll einer der Anwesenden Arzt gewesen sein und Anweisungen für die  Enthauptung und Zerlegung von Khashoggis Körper gegeben haben. Wie die New York Times weiter schreibt, soll sich der Mediziner danach Kopfhörer aufgesetzt und Musik gehört haben, während er vom leblosen Körper Gliedmassen abtrennte.

Khashoggis Körperteile sollen anschliessend in die Residenz des Generalkonsuls geschafft worden sein, die sich rund 1,5 Kilometer vom Konsulat entfernt befindet. Al-Otaibi ist in der Zwischenzeit aus der Türkei geflüchtet. 

Möchte sich Trump diese Aufnahmen auch anhören?

US-Präsident Donald Trump sagte am Mittwoch, dass die Vereinigten Staaten von der Türkei Kopien von Audio- und Bilddateien angefordert haben, «sofern welche existieren». Trump wolle nur herausfinden, was wirklich geschehen war. «Ich bin noch nicht sicher, ob (Audio- und Bilddateien) existieren, vielleicht ja, möglicherweise ja», fügte er an. Mike Pompeo werde ihm nach seiner Rückkehr darüber berichten. 

Trump machte nicht den Eindruck, dass ihn der Fall Khashoggi besonders interessiert. Bereits vorgestern äusserte er sich ungewohnt friedfertig gegenüber Saudi-Arabien und kritisierte, dass das Land voreilig verurteilt wird. Gestern fügte er hinzu, dass der Wüstenstaat «ein sehr wichtiger Verbündeter ist» und Milliarden für amerikanische Waffen ausgebe. Saudi-Arabien hatte sich bereit erklärt, amerikanische Waren im Wert von 450 Milliarden einzukaufen – 110 Milliarden davon allein für militärische Zwecke. 

Mehr Selbstbestimmungsrechte im muslimischen Königreich:

Video: srf

Apropos Geld... da war doch noch was?

Saudi-Arabien steht mächtig unter Druck und täglich werden neue Fakten zum Verschwinden von Khashoggi bekannt, die das Wüstenland weiter schwer belasten. Inmitten dieser Krise versucht sich die saudi-arabische Regierung in ein besseres Licht zu rücken und überwies am Dienstag – Mike Pompeo war zu Gast – 100 Millionen Dollar an die amerikanische Regierung. Damit wolle man die USA in ihrem Bestreben unterstützen, Nordostsyrien weiter zu stabilisieren. 

Brett McGurk, the U.S. envoy for the global coalition against IS, speaks during a press conference at the U.S. Embassy Baghdad, Iraq, Wednesday, June 7, 2017. McGurk says the fight for Raqqa, the Isla ...
Brett McGurk.Bild: AP/AP

Kritiker sehen darin einen Versuch, von der Affäre Khashoggi ablenken und sich die Gunst und das Vertrauen der USA erkaufen zu wollen. Das US-Aussenministerium winkt aber ab und betont, dass kein Zusammenhang mit Pompeos Besuch bei bin Salman besteht. «Der spezifische Geldtransfer ist schon länger in Arbeit und hat nichts mit anderen Vorkommnissen oder dem Besuch des Aussenministers zu tun», zitiert die Washington Post Brett McGurk, Vertreter der Anti-IS Koalition. (vom)

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29 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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walsi
18.10.2018 06:06registriert Februar 2016
Beim versuchten Mord an Skripal wird vermutet, dass es die Russen waren. Deswegen gibt es Sanktionen gegen Russland und Botschaftspersonal wurde ausgewiesen. Bei den Saudis weiss man nun, dass sie den Mann umgebracht haben und dennoch kommt keine Reaktion von der politischen Elite Weltweit so wie bei den Russen. Bei den Sanktionen gegen die Russen ging es also nicht um Skripal, er war einfach eine Entschuldigung.
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DerewigeSchweizer
18.10.2018 09:26registriert Juli 2018
Die Finger ...
wurden ihm abgeschnitten, weil er mit eben diesen seine regimekritischen Artikel in die Tasten haute.

Kronprinz Mohammed bin Salman hat nicht nur den Mord angeordnet, sondern auch, dass man ihm diese bösen Finger als Trophäe nach Hause bringt.

Kulturell rückständig, trotz Billionen.
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Bibilieli
18.10.2018 07:01registriert September 2014
John Oliver bringts einmal mehr auf den Punkt.
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