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Reaktionen zum US-Austritt aus dem Menschenrechtsrat

epa06823703 The US name plate reading Etats-Unis in French is photographed one day after the United States announced its withdrawal at the 38th session of the UN Human Rights Council at the UN headqua ...
Leerer Platz: Die USA sind nicht länger im Menschenrechtsrat der UNO vertreten.Bild: EPA/KEYSTONE

«Freipass für Unrechts-staaten» – diese Folgen hat der UNO-Alleingang der USA 

20.06.2018, 18:38
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Der Austritt der USA aus dem Menschenrechtsrat hat für ein mittleres Beben in der internationalen Staatenwelt gesorgt. Praktisch einhellig bedauerte die internationale Gemeinschaft den Entscheid der USA, dem Menschenrechts-Gremium der UNO den Rücken zu kehren. Auch Experten kritisieren Trumps Beschluss.

Das sind die möglichen Folgen des Alleingangs der USA:

Ein Freipass für Unrechtsstaaten

Der emeritierte Völkerrechtsprofessor Rainer Schweizer hält den Entscheid der USA für einen grundlegenden Fehler, wie er im Gespräch mit watson sagt. «Die USA sind ein zentraler Akteur der Weltpolitik und ein Hüter der Menschenrechte, der Austritt sendet ein fatales Signal für die Situation der Menschenrechte.»

Auch die Menschenrechtsorganisation Amnesty International bezeichnet den Entscheid als kontraproduktiv und schädlich. In einem Statement warf die Generalsekretärin den USA vor, die Menschenrechte und den Kampf um Gerechtigkeit mit Absicht zu untergraben. Der Sprecher der Schweizer Sektion, Beat Gerber, sagte gegenüber watson, der Schritt reihe sich ein in eine «Politik der absoluten Verachtung des Rechts, welche die Trump-Regierung seit Beginn prägt.» 

Die USA werden die Menschenrechte weiterhin schützen und fördern, erklärte Haley an der Pressekonferenz am Dienstag. Amnesty-Sprecher Gerber sieht darin vor allem Lippenbekenntnisse: «Die selbsternannte Rolle als Champion der Menschenrechte haben die USA spätestens gestern verwirkt.»

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Fast noch schlimmer aber sei die Signalwirkung, die vom Austritt der USA ausgehe. «Unrechtsstaaten haben einen Freipass bekommen, den Menschenrechtsrat weiter auszuhöhlen, Länder wie Russland, China oder Saudi-Arabien werden daran arbeiten, den Menschenrechtsrat noch zahnloser zu machen, als er ohnehin ist.» Gerber befürchtet einen Dominoeffekt, der dazu führe, dass Grossmächte noch rücksichtsloser ihre Interessen durchsetzen.

Das Israel-Problem im Menschenrechtsrat

Dass der Menschenrechtsrat der UNO Mängel hat, bestreiten nur wenige westliche Beobachter. Zwei Kritikpunkte stehen im Vordergrund: Erstens die angebliche notorische Kritik an Israel, die im sogenannten Item 7 ihren Ausdruck finde. Unter diesem ständigen Traktandum werden Menschenrechtsverstösse seitens Israel in den besetzten palästinensischen Gebieten behandelt. Für andere Länder existiert kein ähnliches Traktandum. Der zweite Punkt bezieht sich auf die Tatsache, dass auch Unrechtsregimes Einsitz nehmen und so Entscheidungen zu ihren Gunsten beeinflussen können.

Völkerrechtler Rainer Schweizer bedauert die «Politisierung» des Gremiums, die sich gerade beim Thema Israel exemplarisch zeige. Anderseits sei eine ähnliche Entwicklung auch in der UNO-Generalversammlung festzustellen, in der Israel immer wieder gerügt wird. Das Problem sei strukturell, sagt Schweizer: «Die muslimische Staatenwelt ist mittlerweile schlicht zu gross um überstimmt zu werden, und sie verhält sich in der Israel-Frage oft solidarisch.» 

Auch für Gerber ist der Menschenrechtsrat «lange nicht perfekt». Deswegen das ganze Gremium in Frage zu stellen und die Menschenrechts-Prinzipien zu unterwandern, sei fahrlässig, so der Sprecher von AI.  

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Der Austritt der USA ist nicht in Stein gemeisselt, wie Haley klar machte. Ein erneuter Eintritt hänge aber davon ab, ob der Menschenrechtsrat dringend nötige Reformen angehe. Reformen, die auch Corina Eichenberger-Walther begrüssen würde. Die FDP-Nationalrätin und Zentralpräsidentin der Gesellschaft Schweiz-Israel sieht den Menschenrechtsrat nach dem Austritt der USA in der Pflicht. Die «unverhältnismässige und ungerechte» Dauerkritik an Israel sei stossend, mit Trumps Entscheid könne nun eine entsprechende Diskussion neu angestossen werden. Dazu fordert Eichenberger Bundesrat auf, bei einer Motion des FDP-Nationalrats Hans-Ulrich Bigler betreffend Item 7 noch einmal über die Bücher zu gehen. 

Dass Trump mit seinem Alleingang der Sache der Menschenrechte keinen Dienst erweise, glaubt zwar auch Eichenberger. Aber, so die FDP-Nationalrätin, «die USA sind ein Rechtstaat mit starken Institutionen, die die Macht haben, Reformen anzustossen, ausserdem können sie ja jederzeit wieder eintreten.»

Die Diskussion in der Schweiz

Auch in der Schweiz wird das Thema Menschenrechte spätestens mit der von der SVP lancierten Selbstbestimmungsinitiative SBI wieder auf der politischen Agenda stehen. Die Initiative verlangt einen generellen Vorrang des Landesrechts vor Völkerrecht, eine Kündigung der EMRK wäre nicht ausgeschlossen. SP-Nationalrat Fabian Molina stellte den Entscheid der USA auf Twitter in eine Linie mit der SBI.

Staatsrechtler Schweizer sieht keinen direkten Zusammenhang: «Bestimmte Kreise werden Trumps Abzug zwar begrüssen, unmittelbare Auswirkungen auf die Schweizer Politik hat der Beschluss aber nicht.» Besorgter äussert sich Amnesty-Sprecher Gerber: «Die Schweiz ist als Kleinstaat nicht nur angewiesen auf ein funktionierendes Völkerrecht, als Depositarstaat der Genfer Konventionen kommt der Schweiz auch eine Rolle als Hüterin zu. Genau dieses Völkerrecht will die SBI nun aushebeln.» Komme die Initiative durch, sende das ein fatales Signal an die Weltgemeinschaft, so Gerber. (wst)

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