Sag das doch deinen Freunden!
Ob Facebook-Nachrichten, Online-Überweisungen oder E-Mails – das Internet ist aus unserem Alltag nicht mehr wegzudenken. Doch die meisten Menschen auf der Welt haben weiterhin keinen Zugang zum World Wide Web. Laut einem Bericht der United Nations Broadband Commission sind 4,2 Milliarden Menschen auf der Welt noch immer offline.
In Afrika sind ganze Landstriche ohne Internetverbindung, die Menschen müssen oft mehrere Kilometer bis ins nächste Internetcafé zurücklegen. In Guinea, Somalia und Burundi verfügen gerade einmal zwei Prozent der Bevölkerung über einen Internetzugang.
Die Wachstums- und Entwicklungsmöglichkeiten für Telekommunikations- und Internetkonzerne sind also riesig. So lässt der französisch-amerikanische Netzwerkausrüster Alcatel-Lucent in Kooperation mit Go-To Networks quer durch den Indischen Ozean ein 10'500 Kilometer langes Seekabel verlegen. Der Australia West Express soll bis Ende 2016 Dschibuti am Horn von Afrika mit Perth an der australischen Westküste verbinden.
In China gibt es derweil immer weniger weisse Flecken auf der Internetlandkarte. China Mobile hat im letzten Jahr den amerikanischen Telekommunikationsriesen Verizon als weltweit grössten Mobilfunkanbieter überholt und 700'000 LTE-Basisstationen für schnelles Internet errichtet.
Auch die Tech-Giganten aus dem Silicon Valley mischen kräftig mit. Microsoft baut drei neue Seekabel im Pazifik, um den Traffic und das Datenvolumen auf seine Servern zu erhöhen. Google plant sogar mit Heissluftballons aus der Stratosphäre per Funk eine Internetverbindung zur Erde herzustellen. Mit der Regierung von Sri Lanka wurde eine Kooperation vereinbart.
Mit dem Projekt Link hat Google überdies in der ugandischen Hauptstadt Kampala 700 Kilometer Glasfaserkabel verlegt, mit denen Mobilfunkanbieter 4G-LTE-Dienste anbieten können. Facebook will mit einer Solardrohne das Internet auch in entlegene Regionen bringen.
Facebook-Chef Mark Zuckerberg hat die Maxime ausgegeben, alle Menschen auf der Welt miteinander zu verbinden. Im September kündigte er am Rande einer UN-Konferenz an, Flüchtlingsunterkünfte mit schnellem Internet versorgen zu wollen.
Wenn Mark Zuckerberg erklären will, warum er ein guter Mensch ist, erzählt er gern die Geschichte von Ganesh – jenen armen Bauern aus Indien, dessen Leben dank Facebook ein kleines bisschen besser geworden sei.
We just took another step towards connecting India. As of today, everyone in India nationwide can access free internet...
Posted by Mark Zuckerberg on Montag, 23. November 2015
Denn mit der Facebook-App Free Basics könne Ganesh jetzt kostenlos ins Internet und sei bestens über den Monsunregen und Saatgut-Preise informiert, schreibt Zuckerberg in einem Blog der Times of India. Das Internet sei das Tor zur Welt und befreie die Menschen aus der Armut. Der Facebook-Gründer will daher einer Milliarde Indern kostenlosen Zugang zu ausgewählten Online-Diensten ermöglichen.
Im Rahmen des Projekts Internet.org übernimmt Facebook die Kosten für den Internetanschluss, indem es lokale Internetprovider dafür bezahlt. Allein, die Nutzer bekommen nicht das vollständige Angebot des Netzes, sondern in erster Linie Facebooks eigene Dienste. Mit Entwicklungshilfe hat das freilich wenig zu tun.
Gegen die Pläne von Mark Zuckerberg haben in Indien denn auch 750'000 Menschen per Mail protestiert. Netzaktivisten sehen die Initiative als Verstoss gegen die Netzneutralität, also den Grundsatz, dass alle Daten gleich behandelt werden müssen. «Internet.org ist nicht neutral, nicht sicher und nicht das Internet», kritisierte die Bürgerrechtsorganisation Electronic Frontier Foundation auf ihrer Webseite.
Google hat in Kooperation mit dem kenianischen Mobilfunkanbieter Safaricom ein ähnliches Programm («Free Zone») lanciert. Nutzer haben darauf Zugang zum Internet, allerdings nur eingeschränkt über Google-Apps. «Man gibt den Leuten die Idee, dass sie mit dieser freien offenen Welt des Internets verbunden sind, aber in Wirklichkeit sind sie in einem digitalen Gefängnis der Konzerne eingesperrt», kritisierte der Netzaktivist Niels ten Oever.
Ein Bericht des UN-Rats für Menschenrechte zum Schutz der Meinungsfreiheit nannte Internetzugang – sowohl zu Inhalten als auch zur technischen Infrastruktur – ein elementares Menschenrecht. In Finnland und Estland wurde dies bereits in der Verfassung verankert. Die Frage ist, ob Entwicklungsländer künftig in der Lage sein werden, einen Breitbandausbau voranzutreiben oder ob sie auf die Dienste der Tech-Giganten rekurrieren müssen.
Internet-Konzerne wie Facebook oder Google übernehmen mehr und mehr Aufgaben des Wohlfahrtsstaates. Allein, sie kümmern sich weniger um das Gemeinwohl als um ihre eigenen Geschäftsinteressen. In Kansas City, wo Google mit seinem Dienst «Fiber» Glasfaserkabel verlegt, wurden ärmere Viertel nicht ans Netz angeschlossen.
Die Sorge ist berechtigt, dass dadurch eine Art Zweiklassengesellschaft entsteht. In westlichen Metropolen die privilegierten Nutzer, die via High-Speed-Zugang Serien auf Netflix streamen, in Entwicklungsländern die mittellosen Nutzer, die das Internet nur über Google oder Facebook erreichen können.
Die Kommunikationswissenschaftlerin Bianca C. Reisdorf, die sich an der Michigan State University mit Fragen digitaler Ungleichheit (digital divide) beschäftigt, sagt: «Wir erleben derzeit nicht nur eine Kluft zwischen Online und Offline, sondern auch digitale Ungleichheiten in der Qualität des Zugangs, der Geschwindigkeit und Zahl der Geräte, mit denen Nutzer online gehen können.»
Schnellere Verbindungen sind teurer. Eine andere Frage sei es, ob es Grundgeschwindigkeiten wie sie etwa die US Federal Communications Commission definiert hat, erforderlich sind – zu einem fairen Preis. Eine Art «Existenzsicherung» oder staatlich gewährleistete Grundversorgung im Netz also.
Das würde allerdings eine Regulierung der Betreiber erfordern. «Solange globale Konzerne kostenlose Dienstleistungen in diesen Regionen anbieten oder Regierungen den freien oder günstigen Internetzugang subventionieren, werden die digitalen Ungleichheiten bestehen», schätzt Reisdorf. Die Welt wird zwar vernetzter, aber auch ein Stück weit ungleicher.