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Ölverschmutzung und Liebeskummer: Daran sterben Krebse im Golf von Mexiko

Liebestolle Krebse werden im Golf von Mexiko in tödliche Falle gelockt

Wer an die Explosion der Ölplattform Deepwater Horizon denkt, dem kommt sicher keine gescheiterte Romanze in den Sinn. Für die Krustentiere im Golf von Mexiko ist es aber genau das. Und ein bisschen Umweltverschmutzung.
12.09.2019, 14:0713.09.2019, 05:20
Dennis Frasch
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Bild: screenshot LUMCON

Stell dir vor, du bist wuschig. Heute ist einer dieser Tage, an denen du einfach etwas Liebe brauchst. Vielleicht sind es die Pheromone in der Luft, vielleicht die wunderschöne Person, die am morgen an dir vorbei gelaufen ist. Deine Hormone spielen auf jeden Fall verrückt.

Du beschliesst, heute Abend an einen Hot-Spot der Brunstpartner-Suchenden zu gehen: Zum Beispiel ins Gonzo (für alle Nicht-Zürcher: Das Gonzo ist ein Club, in dem sich viele Leute gute Chancen für den Koitus ausrechnen). Marvin Gaye singt irgendwo in deinem Hinterkopf. Du bist bereit. Doch als du das Gonzo erreichst, fallen dir kurz darauf Hände und Beine ab.

Was nach einem schlecht inszenierten Horrorfilm klingt, ist für viele Krebse an der Küste von Louisiana bittere Realität. Eine Studie des Louisiana University Marine Consortium (LUMCON), die Ende August in der Fachzeitschrift Royal Society Open Science erschien, hat die Fauna rund um die 2010 explodierte Ölplattform Deepwater Horizon untersucht.

Deepwater Horizon

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Deepwater Horizon
Der Ölfilm, der auf bis zu 75'000 Quadratkilometer anschwoll, brachte ein ganzes Ökosystem ins Wanken, tötete zehntausende Tiere, verseuchte Strände, zerstörte Korallenriffe, raubte Fischern den Lebensunterhalt und zerstörte eine Saison lang das Tourismusgeschäft in fünf US-Bundesstaaten.
quelle: epa/us coast guard / epa file / us coast guard / handout
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Hormongeschwängerte Krustentiere

Das LUMCON-Team untersuchte dabei den Meeresboden mit Kameras an ferngesteuerten Fahrzeugen in einem Abstand von 300 Metern zum Bohrlochkopf. Die Ergebnisse wurden mit Untersuchungen am selben Ort unmittelbar nach der Katastrophe von 2010 sowie mit aktuellen Daten aus anderen Teilen des Golfs verglichen.

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Bild: screenshot lumcon

Die Forscher entdeckten Scharen von Krebsen und Garnelen rund um die vor Erdöl triefende Pipeline. Insgesamt hat die Artenvielfalt jedoch ihren Tiefpunkt erreicht. Craig McClain, Direktor von LUMCON, sagte in einem Interview mit dem New Orleans Advocate:

«Wir sollten Glasschwämme, Riesenasseln, Fische, Korallen und Seegurken sehen. All dies sind gewöhnliche Tiefseetiere im Golf von Mexiko. Aber wenn man sich dem Bohrlochkopf nähert, sieht man nichts davon.»

Der Studie zufolge machten Garnelen und Krabben 92 Prozent der Tiere auf dem Gelände aus. Doch was machen die Krustentiere dort?

Sie suchen nach Liebe.

Laut den Forschern setzt das alte, zerfallene Erdöl Chemikalien frei, von dem sich die Krustentiere angezogen fühlen. Die Tiere verwechseln die Chemikalien mit Sexualhormonen und begeben sich deswegen auf die Suche nach potenziellen Partnern in der Umgebung. Doch anstatt sich fortpflanzen zu können, passiert eher das Gegenteil: Viele der Krabben waren von einem Ölfilm überzogen, Parasiten wucherten auf ihrer Schale. Auch fehlten den Krabben zum Teil ihre Scheren. Ohne diese können sie sich nicht vor Feinden schützen.

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Bild: screenshot lumcon

Zerstörte Flora und Fauna

Ölbohrinseln und andere Tiefseestrukturen fungieren normalerweise als künstliche Riffe und ziehen eine Vielzahl von Meereslebewesen an. Dies ist bei Deepwater Horizon nicht der Fall. Die Rohrleitungen sind komplett unfruchtbar. Laut den Forschern von LUMCON regenerieren sich Flora und Fauna zudem langsamer als erwartet.

Es ist neun Jahre her, seit die Bohrplattform Deepwater Horizon des britischen Ölkonzerns BP im Golf von Mexiko in die Luft geflogen ist. Elf Arbeiter kamen dabei ums Leben. Die Explosion führte zu einem Leck, das während 87 Tagen rund 800 Millionen Liter Erdöl ins Meer spülte. Es war eine der schwersten Umweltkatastrophen dieser Art in der Geschichte.

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quelle: ap/ap / israel leal
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4 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Lullaby@20past
12.09.2019 15:03registriert April 2019
Die Langzeitfolgen solch eines Unglückes sind leider mindestens so schlimm, wie das Unglück selbst. Der Lebensraum von Tieren und Menschen wird nachhaltig zerstört. Ein paar Milliarden Busse und Schadenersatz bezahlen. Danach geht es weiter wie vorher. Ein Konzern wie BP hat genügend Rückstellungen für solche Fälle. Das kratzt höchstens ganz leicht am Image. Aber wen kümmert das, bei solch einer Machtposition. Wir Menschen sind die schlimmste Spezies, welche das Leben hervorgerufen hat. Tristesse pur :-(
Ps: Das gute an der Story. Mir gefällt das neue Wort, das ich heute gelernt habe: wuschig.
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Mimi Muppet
12.09.2019 14:42registriert Oktober 2018
Die Langzeitfolgen sind schlimm und ob sich das bessern wird ist die Frage.
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