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Wladimir Putin

Westliche Experten sehen Putins Teilmobilmachung skeptisch

epa10195113 Russian President Vladimir Putin chairs a meeting with leadership of military-industrial complex enterprises at the Kremlin in Moscow, Russia, 20 September 2022. EPA/KONSTANTIN ZAVRAZHIN / ...
Wladimir Putin mobilisiert 300'000 Soldaten – ob das ein gelungener Schachzug ist, ist gemäss westlichen Experten fraglich.Bild: keystone

«Schwerwiegender Fehler»: Westliche Experten sehen russische Teilmobilmachung skeptisch

Kremlchef Wladimir Putin will 300'000 neue Soldaten mobilisieren und in die Ukraine schicken. Internationale Fachleute sind mehrheitlich skeptisch, ob Russland mit diesem Schachzug eine Wende im Krieg herbeiführen kann.
21.09.2022, 14:1421.09.2022, 14:21
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t-online

Mit dem Befehl zur Teilmobilmachung hat sich Wladimir Putin für eine weitere Eskalation des Krieges gegen die Ukraine entschieden. 300'000 neue Soldaten sollen das Blatt für Russland wenden.

Darum geht es:

Auf Twitter reagierten am Mittwochmorgen bereits viele internationale Fachleute auf die Rede des Kremlchefs – eine Auswahl.

«Putin macht gerade einen weiteren schwerwiegenden Fehler in seiner Einschätzung der Situation.»
Sabine Fischer, Stiftung Wissenschaft und Politik Berlin

«Putin macht gerade einen weiteren schwerwiegenden Fehler in seiner Einschätzung der Situation», schreibt die Russland-Expertin Sabine Fischer von der Stiftung Wissenschaft und Politik in Berlin. «Die heutigen Schritte werden die ukrainische Gegenoffensive nicht stoppen und der Westen wird seine Unterstützung für die Ukraine nicht aufgeben.»

«Es braucht Zeit, um ein guter Soldat zu werden»

«Russland hat jetzt schon enorme Probleme, den Nachschub für 150'000 Soldaten in der Ukraine aufrecht zu erhalten», schreibt der ukrainische Kriegsreporter Ilia Ponomarenko. «Über den Sommer hat der Kreml nur mit Mühe und Not 10'000 verschuldete 50-Jährige für sein Drittes Armeekorps zusammengekratzt, und jetzt wollen sie 300'000 Leute mobilisieren und mitten im Winter ins Feld schicken? Viel Glück damit.»

«Man darf nicht vergessen, dass Russlands beste Soldaten, die jetzt tot sind, es nicht geschafft haben, die Ukraine zu besiegen. Warum sollte eine Truppe aus Anfängern das dann schaffen?»
Anders Östlund, Center for European Policy Analysis

«Man darf nicht vergessen, dass Russlands beste Soldaten, die jetzt tot sind, es nicht geschafft haben, die Ukraine zu besiegen», schreibt der Politikwissenschaftler Anders Östlund vom Center for European Policy Analysis in Washington, D.C. «Warum sollte eine Truppe aus Anfängern das dann schaffen?», fragt er rhetorisch. Und weiter: «Es braucht Zeit, um ein guter Soldat zu werden. Und Zeit hat Russland nicht.»

«Kein grosser Vorteil für Russland»

«Ein Hauptgrund für die Teilmobilisierung dürfte darin bestehen, die Truppen an der Front auszutauschen, damit diese regenerieren können», schreibt der Militärhistoriker und Kriegsbeobachter Chris Owen.

Er beurteilt den Zug Putins etwas positiver als gewisse Kollegen: «Der Winter kommt und beide Seite werden sich bald bis zum Frühjahr in Schützengräben verschanzen. Das ist nicht die schlechteste Zeit, um die Truppen auszutauschen. Ausserdem braucht man keine besondere militärische Ausbildung, um eine Position zu halten oder hinter der Front Strassensperren zu sichern oder Patrouillen zu fahren.»

«Der Winter kommt und beide Seite werden sich bald bis zum Frühjahr in Schützengräben verschanzen. Das ist nicht die schlechteste Zeit, um die Truppen auszutauschen.»
Chris Owen, Militärhistoriker und Kriegsbeobachter

«Die Ukrainer haben mehr Militärpersonal, lernen schneller, haben die bessere Führung, ein klares strategisches Kriegsziel, Präzisionswaffen und die Moral auf ihrer Seite», schreibt der Experte für die russische Armee, Rob Lee. «Selbst wenn Russland mobil macht, hat die Ukraine weiterhin alle diese Vorteile auf ihrer Seite, auch mittel- und langfristig. Eine grosse Zahl schlecht ausgebildeter und schlechter motivierter Soldaten ist kein grosser Vorteil für Russland.»

«Eine grosse Zahl schlecht ausgebildeter und schlechter motivierter Soldaten ist kein grosser Vorteil für Russland.»
Rob Lee, Foreign Policy Research Institute London

Politikwissenschaftler Michael McFaul kommentiert: «Putin will uns weis machen, dass er im vergangenen halben Jahr gar nicht richtig versucht hat, den Krieg gegen die Ukraine zu gewinnen». «Glauben Sie die Geschichte nicht. Putin setzt jetzt alles auf eine Karte.»

«Der Tagesbefehl muss lauten: Nicht abschrecken lassen, weiter machen», schreibt Kriegsforscher Carlo Masala von der Universität der Bundeswehr in München nach der Rede Putins.
(con/t-online.de, mk)

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113 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Andi Weibel
21.09.2022 14:38registriert März 2018
Die wichtigste Lehre des 21. Jahrhunderts: Kriege lohnen sich nicht und enden für den Aggressor im Desaster. Die USA mussten das im Irak und in Afghanistan lernen. Putin lernt das nun in der Ukraine.

Zusätzliches Kanonenfutter wird daran nichts ändern, sondern nur das menschliche Leid weiter vergrössern.
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Ilovepies
21.09.2022 14:58registriert Februar 2015
Betreffend den Kommentaren zu "in den Schützengräben verschanzen im Winter". Das ist sicherlich korrekt. Nur muss man sehen, die Ukraine hat Systeme wie Himars und wird die Russen bitter treffen. Ganz ehrlich, aus der Position der Russen möchte man kein statisches Ziel abgeben wenn der Gegner über intelligente Munition verfügt. Das erscheint mir ein grosses Risiko zu sein und wird viele Opfer verursachen.
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Die Geschichte wiederholt sich...
21.09.2022 15:35registriert Februar 2022
Es ist einfach immer wieder schlimm zu sehen wie wenig ein Soldatenleben für die Russen wert ist. Am besten sah man das im Zweiten Weltkrieg unter Stalin. Doch Putin scheint sich auch immer mehr in die Richtung zu entwickeln.

Mir tut das hirngewaschene russische Volk leid. Noch viel mehr tun mir die Soldaten selbst leid. Sie müssen ihr Leben zu tausenden lassen für den Grössenwahn Putins. Ich wünsche den Russen so schnell wie möglich eine demokratische Revolution. Es ist bald Oktober!
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