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Parteitag der Republikaner: Eine Krönungsmesse für Donald Trump

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Donald Trump mit Pflaster nach Attentat
Donald Trump hatte am Montag seinen ersten Auftritt nach dem Attentat.
quelle: keystone / allison dinner
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Donald Trump: Seine Partei, sein Fest

Der Parteitag der Republikaner ist im Grunde nur eines: eine Krönungsmesse für Donald Trump. Dabei spielt der Anschlag auf ihn eine entscheidende Rolle.
16.07.2024, 12:4416.07.2024, 12:51
Johanna Roth / Zeit Online
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«Delegierte, bitte nehmen Sie Ihre Plätze ein», sagt Michael Whatley ins Mikrofon. Da ist es 13.20 Uhr in Milwaukee im US-Bundesstaat Wisconsin, wo die Republikaner in dieser Woche ihren Nominierungsparteitag abhalten. Whatley ist einer ihrer Vorsitzenden. Er macht nur den Auftakt, die Veranstaltung geht insgesamt vier Tage lang.

Aber nicht einmal zwei Stunden später ist der wichtigste Tagesordnungspunkt schon erledigt. Rund 2'400 Delegierte haben abgestimmt, das Ergebnis könnte klarer nicht sein: Auch bei dieser Wahl soll der Präsidentschaftskandidat der Republikanischen Partei Donald Trump heissen. Man könnte genauso gut sagen: Er ist ihr gekröntes Haupt. Trump ist nun also offiziell nominiert.

Ausschliesslich um ihn dreht sich dieser Parteitag, sein Porträt schmückt selbst die Absperrungen zwischen Essensständen. Im offiziellen Souvenirshop gibt es «Babies for Trump»-Bodies schon in Neugeborenengrösse, Getränkedosenhalter mit seinem erkennungsdienstlichen Foto aus dem Strafverfahren im Bundesstaat Georgia, Trump-Wimpel und Trump-Shirts. Im Aussenbereich der Arena führt ein Mann einen Riesenpudel spazieren, dem er rote Glitzerschühchen und die typische rote MAGA-Kappe angezogen hat. 

Vor allem aber schmücken die unzähligen Redner dieses Tages sich mit Trumps Namen. Ob die Sprecher der Delegiertengruppen aus allen Bundesstaaten und US-Territorien, ob Unternehmer, die sich von einem Auftritt hier gute Geschäfte erhoffen, oder unterlegene Konkurrenten wie Tim Scott, der bei den republikanischen Vorwahlen erkennen musste, dass gegen Trump – noch – nicht anzukommen ist: Sie alle nutzen ihre wenigen Minuten Redezeit, um ihn zu loben und zu preisen. Es gibt kaum ein anderes Thema als Trump und den «Segen» seiner ersten Amtszeit.

«Ein amerikanischer Löwe»

Schon vor dem Anschlag auf den ehemaligen Präsidenten trug der Umgang seiner Partei mit ihm religiöse Züge. Jetzt aber, zwei Tage später, ist er mehr Anbetung denn je. Scotts Rede zeigt das exemplarisch. «Am Samstag kam der Teufel mit einem Gewehr in der Hand nach Pennsylvania», ruft der Senator aus South Carolina. «Aber ein amerikanischer Löwe ist wieder aufgestanden! Und er hat gebrüllt, oh yeah!» Scott schreit nun, als wolle er tatsächlich einen brüllenden Löwen imitieren.

Der Saal tobt. Die Einordnung des Attentats in biblische Dimensionen spricht die Menschen an. Auch Monica Mountain aus dem Bundesstaat Tennessee. Sie ist Ersatzdelegierte, das bedeutet, sie müsste gegebenenfalls bei der Abstimmung einspringen. Dazu kommt es nicht, aber in Gedanken, sagt sie, habe sie Donald Trump mitnominiert. Warum? «Weil ich das Amerika wiederhaben will, das wir 2017, 2018 und 2019 hatten», sagt sie; dass die Trump-Regierung die Corona-Impfung vorantrieb, fand sie wiederum nicht gut, deshalb fällt 2020 weg.

epa11480855 Republican presidential nominee and former President Donald Trump (2-L) with his newly announced running mate, Senator JD Vance (2-R) of Ohio, arrive during the opening night of the Republ ...
Donald Trump und seine Entourage in Milwaukee.Bild: keystone

Der versuchte Mord an Trump habe sie allerdings noch einmal darin bestärkt, ihn zu unterstützen. Genauer gesagt die Tatsache, dass Trump nur leicht verletzt wurde und die Kugel sein Gehirn um wenige Zentimeter verfehlte. «Er ist vom Tod verschont worden», sagt Mountain, «das ist ein Wunder.» Wie der Rest ihrer Gruppe trägt sie ein grellorangefarbenes Oberteil, während die Texaner an ihren grossen Hüten zu erkennen sind und die Delegation aus Arizona einheitliche Sportjacken anhat, auf deren Rückseite «Trump in jeder Runde» steht. Monica Mountain überlegt, wie sie am besten erklären soll, warum sie nun noch leidenschaftlicher für Trump ist als vorher. Dann sagt sie: «Wir Christen glauben an den Gegensatz zwischen Gut und Böse. Das war eine sehr, sehr böse Tat. Und ich vertraue jetzt umso mehr auf das Gute.»

Das Gute, das verkörpert Trump für sie und für den Rest der Delegierten, die den Innenraum der riesigen Arena im Stadtkern von Milwaukee füllen. Sie beten für ihn, sie schwenken stundenlang immer wieder die Schilder mit seinem Namen darauf. Fallen vorn auf der Bühne die Worte «Make America …», dann stimmen sie ein wie in eine Liturgie: «… great again!»

Und dann gibt es diese Momente, in denen jemand die Faust in die Luft stösst und dazu ruft: «Fight, fight, fight!» Andere Delegierte stimmen mit ein. Es ist eine Reminiszenz an Trumps Reaktion unmittelbar nach den Schüssen auf ihn, als er dieselbe Geste gezeigt hatte, begleitet von denselben Worten. Innerhalb von 48 Stunden ist jener Moment zu einem Ritual dieses Parteitags geworden.

Spät am Abend, gegen 21 Uhr, taucht Trump plötzlich auf, obwohl er erst für den letzten Tag des Events angekündigt worden war. Nicht auf der Bühne, sondern zunächst nur auf den meterhohen Bildschirmen, die hoch oben unter der Decke hängen. Die Menschen im Saal jubeln ihm frenetisch zu, sie rufen «USA! USA!» und «We love Trump!». Trump grinst in die Kameras und winkt ein bisschen mit der Hand, offenbar um anzudeuten, dass ihm der Jubel noch nicht laut genug ist.

Donald Trump erscheint zum ersten Mal nach Anschlag in Öffentlichkeit

Video: youtube/FOX4

Dann betritt er den Saal, begrüsst auf der VIP-Tribüne seine Familie und J. D. Vance, Senator aus Ohio, den er vor wenigen Stunden erst zu seinem Kandidaten für die Vizepräsidentschaft gemacht hat. Trumps rechtes Ohr ist von einem weissen Verband bedeckt. Er spricht nicht, lässt sich nur feiern von der Menge, reckt dreimal hintereinander die Faust in die Luft. Sein Gesichtsausdruck wirkt nicht spöttisch wie sonst, eher emotional und fast ein wenig angefasst; sein Sohn Don Jr. scheint Tränen in den Augen zu haben. Währenddessen singt der Sänger Lee Greenwood live das Lied, das seit Jahren schon bei jeder Wahlkampfveranstaltung Trumps läuft: God Bless the USA. 

«Fight! Fight! Fight!»

Es ist Trumps erster öffentlicher Auftritt seit dem Mordversuch, und er kommt ohne ein Wort aus. Trump selbst ist die Botschaft, nicht deren Überbringer. Und wieder brandet der Sprechchor auf: «Fight! Fight! Fight!» Diesmal ist es nicht nur ein Grüppchen, sondern ein Grossteil der Delegierten. Sie stehen zu Trump gewandt und boxen in die Luft, so wie er es tat, als der Secret Service ihn von der Bühne brachte. Vance neben ihm klatscht rhythmisch mit.

Am Donnerstag wird Trump die Nominierung mit seiner Abschlussrede offiziell annehmen. Es ist nicht mehr als eine Formsache. Genau wie sein Wahlsieg, so wollen es viele hier glauben. Auf der Bühne nennen sie ihn ausschliesslich den «nächsten Präsidenten der Vereinigten Staaten».

Jetzt auf

Der Wahlkampf zumindest dreht sich gerade weiter zu seinen Gunsten. Da ist das TV-Duell gegen Biden, bei dem dieser einen derart schwachen Auftritt hatte, dass seine Partei ihn öffentlich in Zweifel zieht, da sind die Umfragen, denen zufolge Trump in kritischen Bundesstaaten führt. Da ist aber auch die Nachricht aus dem Gericht in Miami, wo er sich eigentlich längst wegen der Geheimdokumente hätte verantworten müssen, die er widerrechtlich in seinem Wohnsitz hatte lagern lassen. Nach einigen Verzögerungen hat die zuständige Richterin – die Trump vor Jahren selbst ernannt hatte – das Verfahren nun ganz eingestellt.

Das und nicht zuletzt das knapp überstandene Attentat verdichten die Aura des Unangreifbaren, die Trumps Anhänger auch bei diesem Parteitag immer wieder heraufbeschwören. Während die Demokraten versuchen, ihre Wahlstrategie vor der Implosion zu retten, versammeln die Republikaner sich umso ekstatischer hinter ihrem Kandidaten. Nichts kann ihn stoppen, nichts darf ihn stoppen. Und ihm gebührt jede Sekunde Aufmerksamkeit, den diese Partei zu bieten hat – das ist die Stimmung, in der sie auch in den kommenden Tagen zusammenkommen wird.

Dieser Artikel wurde zuerst auf Zeit Online veröffentlicht. Watson hat eventuell Überschriften und Zwischenüberschriften verändert. Hier geht’s zum Original.

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Attentat auf Donald Trump
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Attentat auf Donald Trump
Spezialkräfte des Secret Service bringen Donald Trump nach dem Anschlag von der Bühne.
quelle: keystone / gene j. puskar
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26 Kommentare
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Triple A
16.07.2024 13:23registriert November 2018
Man gerät beim Lesen dieses Artikels in Schockstarre und denkt: Ist es tatsächlich möglich, dass die US-Amerikaner ihre Demokratie am 4. November 2024 demokratisch zu Grabe tragen und DT wählen?
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