Islamischer Staat (IS)
England

Wie aus dem jungen Fussballfan Mohammed Emwazi der IS-Schlächter «Jihadi John» wurde

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Jihadi John
Im Februar 2015 outeten US-Medien den IS-Schlächter «Jihadi John»: Es ist der in London aufgewachsene Mohammed Emwazi.
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Von Westlondon nach Syrien

Wie aus dem jungen Fussballfan Mohammed Emwazi der IS-Schlächter «Jihadi John» wurde

Der Terrorist, der als «Jihadi John» bekannt wurde, wuchs in London auf. Ein scheinbar ganz normaler Junge, der immer radikaler wurde.
28.02.2015, 18:1201.03.2015, 08:09
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Nun ist er also demaskiert, der Terrorist mit dem britischen Akzent aus den Propaganda-Videos des Islamischen Staates: Bei «Jihadi John» soll es sich um den 26-jährigen Mohammed Emwazi handeln, geboren in Kuwait, aufgewachsen in London. Informationen von englischen Medien und der Hilfsorganisation Cage zeichnen das Bild eines jungen Mannes, der zusehends in Konflikt mit seiner zweiten Heimat geriet. 

Was ist Cage?
Cage setzt sich in England für die Rechte der Opfer des «Kriegs gegen den Terror» ein. Seit 2009 stand Cage in engem Kontakt mit Mohammed Emwazi alias «Jihadi John». Der britische Premier David Cameron kritisierte die Organisation, weil sie den Geheimdienst MI5 der Mitschuld an der Radikalisierung Emwazis bezichtigen.

Seit Emwazi im Jahr 2009 die Einreise nach Tansania verweigert wurde und einem darauffolgenden prägenden Verhör mit dem britischen Geheimdienst MI5, stand die Organisation Cage in engem Kontakt zu Emwazi. Die Organisation wollte ihm dabei helfen, nach Kuwait auszuwandern, um dort ein neues Leben zu beginnen – nachdem ihm die Ausreise verweigert wurde.

Kindheit und Jugend

Mohammed Emwazi wird 1988 in Kuwait geboren. Im Alter von sechs Jahren zieht er mit seiner Familie in die britische Hauptstadt London. Sein Vater arbeitet als Taxifahrer, während seine Mutter zu Hause bleibt. Mohammed hat zwei jüngere Schwestern.

In diesem Haus soll Emwazi aufgewachsen sein.
In diesem Haus soll Emwazi aufgewachsen sein.Bild: ANDY RAIN/EPA/KEYSTONE

Mohammed wächst zu einem fussballverrückten jungen Mann heran, der gerne Playstation zockt und die Popgruppe «S Club 7» hört. Im Jahrbuch seiner Primarschule schrieb er 1998: «Wenn ich gross bin, möchte ich ein Fussballer sein.» Mohammed war ein Fan von Manchester United.

«Wenn ich gross bin, möchte ich ein Fussballer sein.»
Mohammed Emwazi

Ein ehemaliger Lehrer beschreibt ihn gegenüber «Channel 4» als «gewissenhaften, fleissigen, liebevollen jungen Mann». Abgesehen von gelegentlichen Schlägereien auf dem Schulhof wird Mohammed von ehemaligen Klassenkameraden als reservierter, religiöser Junge beschrieben. Wie BBC berichtet, wurde er wegen seines Temperaments in eine Wut-Therapie geschickt.

Jahre später beginnt Mohammed ein Studium als Informatiker an der University of Westminster. Dort gerät er nach Informationen der «Daily Mail» in Kreise von radikalen Islamisten. Er lernt Bilal el-Berjawi kennen, der mutmasslich Dschihadisten in London rekrutiert. El-Berjawi wird 2012 bei einem Drohnenangriff in Somalia getötet.

Nach seinem Studium plant Emwazi seine Zukunft: Er arrangiert eine Ehe in Kuwait, seinem Heimatland. Er hofft, dort dank seinen fliessenden Englisch- und Arabischkenntnissen und seinem britischen Pass Karriere machen zu können.

Im Visier des Geheimdiensts

Was nach seinem Uni-Abschluss im Jahr 2009 passiert, stellt einen tiefen Einschnitt in Mohammed Emwazis Leben dar: Er reist mit zwei Freunden nach Tansania, angeblich um auf Safari zu gehen. Die britischen Behörden sind jedoch überzeugt, dass die drei jungen Männer weiter nach Somalia reisen wollen, um sich der Terrormiliz Al-Shabaab anzuschliessen.

Asim Qureshi von Cage beschreibt die Reise nach Tansania 2009 als Schlüsselereignis.Video: Youtube/Cage

Mohammed und seinen Freunden wird die Einreise nach Tansania verweigert. Sie werden über Nacht festgehalten und nach Europa zurückgeschickt. In Amsterdam, dem Zwischenstopp, wird Mohammed von einem Agenten des britischen Geheimdienstes MI5, der sich Nick nennt, verhört.

«Du wirst Schwierigkeiten bekommen. Du wirst verfolgt werden. Dein Leben wird schwieriger werden.»
Agent zu Mohammed Emwazi 

In einer E-Mail an Cage schreibt Emwazi: «Nick wusste alles über mich; wo ich lebte, was ich tat, die Leute, mit denen ich meine Zeit verbrachte.» Obwohl Emwazi es wiederholt abstreitet: Nick ist überzeugt, dass er nach Somalia reisen wollte.

Nach dem Verhör bietet der Agent Emwazi gemäss dessen Angaben einen Job beim MI5 an: «Hör mal, Mohammed. Du hast die ganze Welt vor dir. Du bist 21 Jahre alt, du hast gerade die Universität abgeschlossen. Warum arbeitest du nicht für uns?» 

Das Angebot stösst bei Emwazi, der gerade als Terrorist beschuldigt wurde, nicht auf offene Ohren: Er lehnt ab. Nick antwortet: «Du wirst Schwierigkeiten bekommen. Du wirst verfolgt werden. Dein Leben wird schwieriger werden.»

Daraufhin sagt Nick: «Oh, übrigens, wir haben mit deiner Verlobten gesprochen.» Von britischen Agenten darauf aufmerksam gemacht, dass ihr Verlobter ein Terror-Verdächtiger sei, löst die zukünftige Braut die Verlobung auf. Mohammed Emwazi ist überzeugt, dass die Behörden sein Leben zerstören wollen.

Kampf für ein neues Leben

Ein paar Wochen später entscheidet sich Emwazi, nach Kuwait zu der Familie seines Vaters zu ziehen, um «weiteren Schikanen der Behörden» aus dem Weg zu gehen. Er findet einen Job bei einer bekannten Softwarefirma und lernt eine Frau kennen, die er heiraten will.

«Ich fühle mich wie ein Gefangener in London.»
Mohammed Emwazi

Im Juli 2010 besucht Mohammed seine Familie in London. Als er wieder zurück nach Kuwait reisen will, wird er am Flughafen gestoppt. Gemäss eigenen Angaben wird er dort von einem aggressiven Beamten gewürgt und am Bart gezogen.

Das Visum sei ihm verweigert worden, heisst es. Die nächsten zwei Jahre sind geprägt von Mohammeds vergeblichen Bemühungen, nach Kuwait zurückzukehren, wo «ein neues Leben» auf ihn wartet. «Ich fühle mich wie ein Gefangener in London», schreibt er in einer E-Mail an Asim Qureshi von Cage.

Bild
Bild: Uncredited/AP/KEYSTONE

Im Jahr 2012 startet Emwazi einen neuen Versuch, ein neues Leben ausserhalb Grossbritanniens zu starten: Er bewirbt sich bei Englischschulen in Saudi-Arabien, wird aber überall abgewiesen. 

Anfang 2013 ändert er auf den Vorschlag seines Vaters hin den Namen, in der Hoffnung, ohne Probleme in seine neue Heimat reisen zu können. Es hilft wenig: Auch Mohammed al-Ayan wird am Flughafen London Heathrow festgehalten, als er nach Kuwait fliegen will.

Eine Woche später geht Mohammed auf Reisen – und kehrt nicht mehr zurück. Seine Eltern melden ihn als vermisst. Vier Monate später berichtet die Polizei, dass sich ihr Sohn gemäss ihren Informationen in Syrien befindet. Bald würde er wieder einen neuen Namen erhalten: Jihadi John. (rey)

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