Islamischer Staat (IS)
Syrien

«Die Luftschläge der Amerikaner haben uns Mut gegeben»

Hunderttausende sind vor der IS auf der Flcuht
Hunderttausende sind vor der IS auf der FlcuhtBild: AFP
Flüchtlinge atmen auf

«Die Luftschläge der Amerikaner haben uns Mut gegeben»

23.09.2014, 17:35
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Manche Flüchtlinge in der Türkei haben nur noch das, was sie am Leibe tragen. Sie hausen in Schulen oder schlafen unter freiem Himmel. Viele wollen in ihre Heimat Ain al-Arab zurück - trotz Todesangst.

Die Kurdin Maha Mistu könnte einen Stein in ihr Heimatland werfen, so nah ist Syrien - doch zurück kann sie nicht. Sie sitzt mit ihrem Mann und ihren fünf Kindern im Schatten eines Baumes in Mürsitpinar an der türkisch-syrischen Grenze und wartet.

Sie will, dass die türkischen Sicherheitskräfte sie durchlassen - zurück in die Grenzstadt Ain al-Arab (kurdisch: Kobane). «Natürlich habe ich Angst vor IS, aber ich sterbe lieber in meinem Heimatland als hier.» Mit einer abfälligen Bewegung zeigt sie auf die staubige und trockene türkische Landschaft in ihrem Rücken.

Am Samstag ist die 35-Jährige mit ihrer Familie vor der Dschihadistenmiliz Islamischer Staat (IS) aus Ain al-Arab geflohen. IS hatte den Ort zuvor von drei Seiten eingeschlossen. Seitdem sind nach Angaben des UNO-Flüchtlingshilfswerks UNHCR 150'000 Menschen aus der hauptsächlich von Kurden bewohnten Grenzregion vertrieben worden.

Die meisten flohen in die nahe Türkei, in der seit Beginn des Bürgerkrieges in Syrien schon 1,5 Millionen Flüchtlinge Zuflucht gesucht haben.

Viele haben die türkische Grenze erreicht
Viele haben die türkische Grenze erreichtBild: AP/STR

Schlafen in Zeltstädten und im Freien

Die Behörden versuchen, die verzweifelten Neuankömmlinge so gut wie möglich auf die Region zu verteilen. Die einen bleiben bei Verwandten, die anderen in schnell hochgezogenen Zeltstädten. Mistu erzählt, sie habe mit ihren Kindern im Freien in der Nähe der Grenze geschlafen. Doch nun will Mistu zurück.

«Die Luftschläge der Amerikaner haben uns Mut gegeben», sagt sie. «Endlich passiert etwas. Warum hat der Westen dem Morden so lange zugeschaut?» Ihr Mann Hüssein Ibrahim nickt zustimmend. Um sie herum hat sich eine kleine Gruppe von Menschen gesammelt. Viele Flüchtlinge wollen nach ihren Häusern schauen, andere warten auf ihre Familie.

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Bild: SEDAT SUNA/EPA/KEYSTONE

Einige Männer bedrängen die Grenzsoldaten. «Wir wollen nach Syrien und gegen IS kämpfen», ruft einer. Die Soldaten scheuchen die Syrer ungeduldig zurück. «Sie wollen verhindern, dass sie sich der PKK anschliessen», sagt Mohammed Ali, ein Türke, dessen Haus direkt an der Grenze liegt. Der Grenzübergang Mürsitpinar bleibt am Dienstagnachmittag geschlossen.

Immer mehr Flüchtlinge

An anderen improvisierten Übergängen kommen am Dienstag aber weitere Syrer in die Türkei. Nur fünf Kilometer von Mistu und ihrer Familie entfernt warten Flüchtlinge auf der syrischen Seite auf Einlass. Sie sind nur aus der Ferne zu sehen, stehen mit ihren Kühen und Schafen in der brennenden Sonne.

Die UNO und der türkische Katastrophenschutz bereiten den Einlass vor. Die Flüchtlinge sollen medizinisch untersucht und dann auf die Region verteilt werden.

Unter den Vertriebenen sind viel Kinder.
Unter den Vertriebenen sind viel Kinder.Bild: AFP

Einige sind schon zuvor in der Stadt Suruc untergekommen, etwa 15 Kilometer von der Grenze entfernt. Die 40-jährige Salwa ist mit ihrem Mann und ihren drei Töchtern in einer Schule untergekommen.

Rund 3000 Menschen werden hier versorgt. Kinder liegen dicht gedrängt neben ihren Eltern auf den kahlen Steinboden, ohne Kissen und mit einer dünnen Decke zugedeckt. Die Gänge hallen, das Licht ist grell, die Erinnerungen sind stark.

Salwas ist mit ihrer Familie vergangene Woche aus Ain al-Arab geflohen. «Es ging so schnell. Ich dachte, wenn wir bleiben, wird IS uns alle töten», sagt sie. Salwa zeigt an sich herunter. «Das hier ist alles was ich habe.» Sie trägt einen Pulli und einen langen Jeansrock. Ihre Füsse stecken in weissen Sandalen.«Schauen Sie sich das hier an, überall sind kleine Kinder. Ich kann das kaum ertragen.»

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Bild: AFP

Im Duschraum der Schule steht braunes Wasser knöchelhoch. In der Lache schwimmt eine Plastikflasche. Es stinkt verfault.

Wie lange die Flüchtlinge hierbleiben müssen, wissen sie nicht. Salwa sagt, sie habe keine Verwandten in der Türkei, die sie aufnehmen könnten. Sie könne nur abwarten - und am liebsten würde auch sie wieder nach Ain el-Arab zurück. Sie wolle nur, dass dieser furchtbare Krieg aufhört, sagt Salwa. «Meine Töchter haben früher mit Puppen und Autos gespielt. Jetzt schnitzen sie Messer und wollen einander töten. Sie können keine Kinder mehr sein.» (aeg/sda/dpa)

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