Islamischer Staat (IS)
USA

Obamas Allianz gegen die IS-Terrormiliz: Das ist die Strategie des Präsidenten

Barack Obama in seiner Rede an die Nation.video: youtube / the white house
Anti-Terror-Strategie

Obamas Allianz gegen die IS-Terrormiliz: Das ist die Strategie des Präsidenten

Luftschläge in Syrien, Ausbildung für lokale Kämpfer, internationale Allianzen: US-Präsident Barack Obama hat endlich seine Strategie gegen die Terrormilizen des Islamischen Staats präsentiert. Kann sie funktionieren?
11.09.2014, 07:4011.09.2014, 12:26
sebastian fischer
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Ein Artikel von
Spiegel Online

Das wirklich Böse ist das, was sprachloses Entsetzen verursacht. So hat es Hannah Arendt gesagt. In der vergangenen Nacht nun war es am US-Präsidenten, mit Blick auf die im Irak und in Syrien mordenden Terrorbanden des Islamischen Staats (IS) nicht nur Worte zu finden, sondern eine Strategie zu präsentieren.

Den IS «schwächen und letztlich zerstören», das sei das Ziel, erklärte Obama in einer Rede an die Nation, der zehnten seiner Amtszeit. Heisst: Amerika zieht in einen neuen Anti-Terror-Kampf. Dies verkündete der Präsident just einen Tag vor dem 13. Jahrestag der 9/11-Anschläge. Im Einzelnen sieht Obamas Plan so aus:

  • Ausweitung der US-Luftschläge künftig auch auf Syrien. Er werde «nicht zögern», die IS-Terrormilizen sowohl im Irak als auch in Syrien zu attackieren, sagte Obama. Damit bekommt das US-Engagement in der Region eine neue Dimension, denn der Präsident hatte sich drei Jahre lang gegen den Sog des syrischen Bürgerkriegs gestemmt.
  • Obama schickt 475 weitere US-Soldaten in den Irak, um dort kurdische und irakische Streitkräfte auszubilden, auszurüsten und zu beraten. Damit steigt die Zahl der in den Irak beorderten US-Soldaten auf rund 1600.
  • US-Bodentruppen mit Kampfauftrag schliesst Obama aus: «Wir lassen uns nicht in einen neuerlichen Krieg am Boden hineinziehen.»
  • Für die Luftangriffe benötigt Obama keine Kongress-Zustimmung; er appelliert aber an die Parlamentarier, Haushaltsmittel für die Ausrüstung und das Training der moderaten syrischen Rebellen freizugeben. Es handelt sich dabei um den insgesamt fünf Milliarden Dollar umfassenden Counter-Terrorism-Fund, den er schon vor Monaten angekündigt hatte; 500 Millionen davon sollen auf die syrische Opposition entfallen.
  • Obama will mit einer internationalen Allianz in den Kampf gegen die Dschihadisten ziehen, «eine breit angelegte Koalition», wie er sagt: auf militärischer, diplomatischer, ökonomischer Ebene. Die Iraker ihrerseits hätten in den letzten Tagen eine inklusive Regierung gebildet, die er gefordert habe. «Deshalb kann ich nun bekannt geben, dass Amerika eine Koalition anführen wird, um diese Terrorbedrohung zurückzudrängen.»
  • Über die Partner dieser Allianz sagte Obama am Mittwoch wenig, doch sollen wohl in jedem Fall Grossbritannien, Frankreich, Deutschland, Italien, Polen, Dänemark, Kanada, Australien, Jordanien, die Türkei, Saudi-Arabien und die Vereinigten Arabischen Emirate dazu gehören. Gerade den Türken und Saudis ist mit Blick auf Grenzsicherung und finanzielle Unterstützung der moderaten syrischen Rebellen eine zentrale Rolle zugedacht. US-Aussenminister John Kerry, so kündigte es Obama an, reise nach Europa und in den Nahen Osten, um weitere Partner zu gewinnen: «Das ist bestmögliche US-Leadership.»
  • Obama kündigte einen langen Kampf an; einen, der seine Präsidentschaft wohl überdauern wird: «Es braucht Zeit, um ein Krebsgeschwür wie den IS zu eliminieren.»
  • Unbeantwortet bleibt die Frage, wie zu verhindern ist, dass Syriens Diktator Assad profitiert, wenn die USA den gemeinsamen Feind IS attackieren.
Jetzt auf

Obama hat lange gezögert, bevor er diese Rede an die Nation gehalten hat. Mehr noch: Er wollte über Monate wohl nicht wahrhaben, dass sich die USA aus der nahöstlichen Krisenregion kaum heraushalten können –nach einem Jahrzehnt der zermürbenden Kriege im Irak (unsinnig, völkerrechtswidrig) und in Afghanistan (mehr oder weniger verloren).

Enthauptung zweier US-Journalisten 

In einem Interview mit dem «New Yorker» redete er noch im Januar die vom IS und anderen Gruppen ausgehende Gefahr klein: «Es gibt einen Unterschied zwischen den Fähigkeiten und der Reichweite eines Osama bin Laden gegen unser Land – und Dschihadisten, die in diversen lokalen Kämpfen um Macht ringen.» Die Enthauptung zweier US-Journalisten durch IS-Milizen im August sowie die mögliche terroristische Bedrohung Amerikas hat die Kalkulation Obamas geändert. Die Zustimmung der Amerikaner jedenfalls hat er: Knapp drei Viertel unterstützen die Luftschläge im Irak, zwei Drittel die möglichen in Syrien. Das ist mehr als doppelt so viel als vor einem Jahr, als bekannt wurde, dass in Syrien Giftgas eingesetzt wurde.

Damals hielt Obama seine letzte Rede an die Nation. Es war die Rede, in der er Luftschläge gegen das Assad-Regime ankündigte, diese dann aber nicht ausführte. Obama sagte damals: «Ich habe die letzten viereinhalb Jahre darauf verwendet, Kriege zu beenden – und nicht neue Kriege zu beginnen.» Das gilt noch immer. Auch nach seiner Rede in der letzten Nacht. Obama will der Präsident des Rückzugs sein, des Restraint. «Wir können nicht alles Böse in der Welt auslöschen», sagte er. Amerika sieht er offenbar eher als Feuerwehr denn als Weltpolizist. Von Krieg soll keinesfalls die Rede sein. Obama müht sich, die bisher mehr als 150 Luftschläge im Irak, die künftigen in Syrien sowie die angestrebte Allianz der IS-Gegner in seinen bisherigen Anti-Terror-Kampf einzuordnen: So habe man ja schon all die Jahre erfolgreich agiert, etwa im Jemen oder in Somalia.

Obama und sein Nation-Building

Obama ist der Mann des Schattenkriegs. Luftschläge, Drohnen, Spezialeinheiten. Gerade in der letzten Woche meldeten die Amerikaner das Ableben von Ahmed Abdi Godane, des Anführers der islamistischen Schabab-Miliz, getötet bei einem US-Luftangriff in Somalia. Obama erwähnt das bezeichnenderweise in den ersten Minuten seiner Rede. Keinesfalls will sich der US-Präsident in ein Wir-gegen-die-Schema pressen lassen: die USA gegen das Böse der Welt. Einen globalen, unilateralen Krieg gegen den Terror à la George W. Bush will Obama nicht führen. Bezeichnend, dass Obama am Ende seiner Rede auf Optimismus macht, tatsächlich von starker US-Wirtschaftskraft und Arbeitsplätzen spricht.

Es geht ihm eben mehr um Nation-Building daheim als um kriegerische Verwicklung an fernen Orten.

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