Islamischer Staat (IS)
Irak

Schweizer Kriegsreporter unterwegs im IS-Kalifat: «Foleys Tod ist ein Grund mehr für mich, in dieses Gebiet zu reisen.»

Interview mit Kurt Pelda, unserem Mann in Syrien

Schweizer Kriegsreporter unterwegs im IS-Kalifat: «Foleys Tod ist ein Grund mehr für mich, in dieses Gebiet zu reisen.»

21.08.2014, 07:2811.11.2020, 12:23
Kian Ramezani
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Die grausame Hinrichtung des US-Kriegsfotografen James Foley durch die Terrorgruppe Islamischer Staat (IS) hat nicht zuletzt unter Journalisten grosse Betroffenheit ausgelöst. Auch der Schweizer Kurt Pelda berichtet seit mehreren Jahren aus Syrien. Was löst der Tod Foleys bei ihm aus? watson erreichte den 49-jährigen Kriegsreporter auf dem Weg ins syrisch-irakische Grenzgebiet – oder das Kalifat, wie der IS die Region nennt.

Kannten Sie James Foley?
Kurt Pelda: Nein, ich kannte ihn nicht persönlich. Aber ich habe – wie andere Reporter, die in Syrien waren – besonderes Mitgefühl mit allen Journalisten, die in Syrien vom so genannten Islamischen Staat, von der Regierung oder anderen bewaffneten Gruppen verschleppt wurden.

Kurt Pelda bei der Arbeit in Syrien.
Kurt Pelda bei der Arbeit in Syrien.bild via twitter/KurtPelda

Wie reagierten Sie auf die Nachricht seines Todes?
Mit Trauer und mit Wut. Die Terroristen haben Foley nicht nur abgeschlachtet, sondern ihn auch für ihre abstrusen politischen Ziele missbraucht, ihn gezwungen, kurz vor seinem Tod Dinge zu sagen, die er freiwillig bestimmt nicht gesagt hätte. Die Terroristen wollen uns Journalisten Angst einflössen, damit wir nicht mehr nach Syrien oder Irak gehen. Sie wollen die absolute Deutungshoheit über alles, was in ihrem so genannten Kalifat geschieht. Ich aber weigere mich, mich von solchen Leuten terrorisieren zu lassen.

«Foleys Tod ist ein Grund mehr für mich, in diese Gebiete zu reisen und über die schrecklichen Ereignisse zu berichten.»
kurt pelda

Ziehen Sie irgendwelche Konsequenzen?
Foleys Tod ist ein Grund mehr für mich, in diese Gebiete zu reisen und über die schrecklichen Ereignisse zu berichten – allerdings mit den notwendigen Vorsichtsmassnahmen. Killer wie diese Leute dürfen ihre Ziele nicht erreichen. Jeder kann dazu einen Beitrag leisten, zum Beispiel, indem er solche Schlächtervideos nicht anguckt und sie oder andere Propaganda der Terroristen nicht weiterverbreitet.

Was ist Ihre Motivation, sich solchen Gefahren auszusetzen?
Auch wenn wir das in der Schweiz vielleicht längst vergessen haben: Es gibt so etwas wie das Böse in dieser Welt. Das macht nicht jeden automatisch gut, der gegen das Böse kämpft. Aber Leute, die für diesen so genannten Islamischen Staat einstehen, für ihn kämpfen oder bei uns dafür Werbung machen, die stehen auf der Seite des Bösen. Ähnliches gilt für Assad und seine Schergen. Ich jedenfalls will berichten, wie es für Menschen ist, die unter dem Islamischen Staat oder unter Assad oder unter beiden leiden. Und ich will analysieren, was dagegen zu unternehmen wäre.

Was hält Ihre Familie vom aktuellen Einsatzort?
Meine Kinder und meine Freundin haben durchaus ein gewisses Verständnis für das, was ich mache. Ich tue das schon seit genau 30 Jahren, lange bevor meine Kinder geboren wurden. Und ich tue es aus Überzeugung und nicht, weil ich den «Kick» suche. Bilder, wie ich sie zu sehen bekomme, lösen keinen Adrenalinschub aus bei mir. Nur Trauer und Wut.

«Bilder, wie ich sie zu sehen bekomme, lösen keinen Adrenalinschub aus bei mir. Nur Trauer und Wut.»
kurt pelda

Was sind Ihre Pläne im syrisch-irakischen Grenzgebiet?
Ich kann nichts Genaueres darüber sagen, wo, wann, mit wem und wohin ich reise, weil das meine Sicherheit gefährden würde. Ich würde jedenfalls gerne darüber berichten, welche Gruppen im Kampf gegen den Islamischen Staat erfolgreich sind und warum. Was machen sie besser als die Verlierer? Das hätte angesichts der westlichen Bemühungen, die Gegner der Terroristen aufzurüsten, enorme Bedeutung. Man hat schon einmal Waffen geliefert – an die irakische Armee – und diese Waffen befinden sich nun im Besitz der Terroristen. Man sollte deshalb nur jene aufrüsten, die auch wirklich gegen die Terroristen kämpfen.

Haben Sie aufgrund Ihrer bisherigen Recherchen den Eindruck erhalten, dass IS über Rückhalt in der Bevölkerung verfügt?
Es gibt Leute – vor allem in Syrien nach drei Jahren Krieg und Chaos, die es schätzen, wenn der Islamische Staat ihnen Ruhe und Ordnung bringt. Aber diese Ruhe kommt zu einem hohen Preis. Die Syrer, die ich kenne, halten den IS für schlimmer und brutaler als Assad. Und das will viel heissen ...

«Wir können uns diesen Krieg nicht auswählen, er wird einfach zu uns kommen, in der einen oder in der anderen Form.»
kurt pelda

Frankreich spricht von der gefährlichsten Situation seit 9/11. Teilen Sie diese Auffassung?
Ich weiss nicht, ob es die gefährlichste Situation ist. Aber: Es gibt nur noch einen Bereich, in dem IS hinter al-Kaida herhinkt, und das sind grosse Terrorattentate auf westliche Ziele. Wenn es IS gelingt, hier aufzutrumpfen, ist al-Kaida aus der Sicht von IS geschlagen. Und nach den Luftangriffen der USA im Irak wird es sicher eine Reaktion geben. Foleys trauriges Schicksal hat da nur einen Vorgeschmack gegeben. Auch wir in der neutralen Schweiz müssen endlich begreifen: Wir können uns diesen Krieg nicht auswählen, er wird einfach zu uns kommen, in der einen oder in der anderen Form. Wir sollten jetzt schon etwas gegen jene Leute tun, die IS bei uns verherrlichen und die Terroristen unterstützen. Und gegen jene, die radikalisiert aus dem Irak oder Syrien zurückkommen werden.

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