Israel
Naher Osten

Israels Albtraum wird wahr: Soldat im Gazastreifen verschleppt – Kämpfe gehen unvermindert weiter

Bereits wenige Stunden nach Beginn der Waffenruhe flogen wieder Raketen.
Bereits wenige Stunden nach Beginn der Waffenruhe flogen wieder Raketen.Bild: IBRAHEEM ABU MUSTAFA/REUTERS
Nach gescheiterter Waffenruhe

Israels Albtraum wird wahr: Soldat im Gazastreifen verschleppt – Kämpfe gehen unvermindert weiter

Statt Waffenruhe neue Eskalation: Die Verschleppung eines israelischen Soldaten hat die Gewalt im Gazastreifen neu entfacht. Ein radikaler Likud-Politiker droht, Israel werde Gaza «plattmachen».
01.08.2014, 13:0726.08.2014, 12:22
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Die palästinensischen Angreifer tauchten aus einem der von Israel gefürchteten «Terror-Tunnel» auf. Israelische Soldaten bereiteten sich gerade darauf vor, den unterirdischen Gang im südlichen Gazastreifen zu zerstören. 

Dann überschlugen sich die Ereignisse. Ein Selbstmordattentäter sprengte sich nach israelischen Medienberichten in der Nähe der Truppen in die Luft. Zwei der Soldaten wurden getötet. Offenbar in der allgemeinen Verwirrung verschleppten die militanten Palästinenser dann den 23-jährigen Offizier Hadar Goldin, der nach Medienberichten auch britischer Staatsbürger ist. 

Hadar Goldin.
Hadar Goldin.Bild: EPA/ISRAELI EMBASSY

Die tagelang mühevoll von UNO und USA ausgehandelte humanitäre Feuerpause in dem Palästinensergebiet, die der leidenden Bevölkerung ein Atempause verschaffen sollte, war mit dem neuen Zwischenfall hinfällig. Israels Armee bombardierte danach in aller Härte die nahe gelegene Palästinenserstadt Rafah, die Rettungskräfte berichteten von Dutzenden Toten. 

«Wenn wir den Soldaten nicht binnen weniger Stunden zurückbekommen, werden wir Gaza platt machen», sagte Danny Danon von der regierenden Likud-Partei der Nachrichtenseite «ynet». Er hatte allerdings unmittelbar vor der Bodenoffensive wegen radikaler Äusserungen das Amt des Vize-Verteidigungsministers verloren. 

«Wenn wir den Soldaten nicht binnen weniger Stunden zurückbekommen, werden wir Gaza platt machen.»
Danny Danon, Likud-Partei

Kollektives Trauma für Israelis

Soldat Gilad Schalit war fünf Jahre lang in der Gewalt der Hamas.
Soldat Gilad Schalit war fünf Jahre lang in der Gewalt der Hamas.Bild: EPA

Dennoch spiegeln seine Äusserungen die Stimmung von Wut und Verzweiflung in Israel wider. Mit der ersten Entführung eines Soldaten durch militante Palästinenser seit 2006 ist für den jüdischen Staat ein Albtraum wahr geworden. Die Armeeführung hatte den Soldaten seit Beginn der Offensive am 8. Juli immer wieder eingebläut, alles zu unternehmen, um eine Gefangennahme durch Hamas-Kämpfer zu verhindern. 

Die Entführung des Soldaten Gilad Schalit ist für Israelis noch eine Art kollektives Trauma. Mehr als fünf Jahre war er in der Gewalt der im Gazastreifen herrschenden Hamas. Nach jahrelangen Verhandlungen mit deutscher Vermittlungshilfe kam der junge Mann schliesslich 2011 frei. Der Preis war für Israel jedoch schmerzhaft hoch: Mehr als 1000 palästinensische Häftlinge musste es im Tausch für ihn freilassen. 

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Angesichts heftiger öffentlicher Kritik an dem Tauschhandel will Israels Regierung im Parlament ein Gesetz durchsetzen, das die künftige Freilassung von Terroristen wie im Fall Schalit verhindern soll. Das Parlament billigte vor einigen Tagen zudem ein Gesetz, das eine Wiederverhaftung freigelassener «rückfälliger Terroristen» erleichtern soll. 

«Dies ist ein Weg, mit der Drohung von Entführungen umzugehen», sagte Seev Elkin von der regierenden Likud-Partei der «Jerusalem Post». Das Gesetz solle als Abschreckung für potenzielle Entführer dienen. 

Gescheiterte Waffenruhe
Die für den Gazastreifen vereinbarte dreitägige Waffenruhe hat keine zwei Stunden gehalten. Stattdessen wurden mindestens 62 Palästinenser und zwei israelische Soldaten getötet. Ein israelischer Soldat wurde wohl von Kämpfern der radikal-islamischen Hamas verschleppt. 

Nur 90 Minuten nach Beginn der Feuerpause um 07 Uhr MESZ wurden israelische Soldaten nach Darstellung des Militärs bei Rafah im Süden des Gazastreifens aus einem Tunnel heraus von Hamas-Kämpfern angegriffen. Israel erklärte die von den Vereinten Nationen und den USA vermittelte Waffenruhe am Mittag für gescheitert. (sda)

Jubel bei Palästinensern 

Für die militanten Palästinensergruppen im Gazastreifen ist das neue Kidnapping allerdings ein grosser Erfolg, der auch in den sozialen Netzwerken gefeiert wurde. Sie hatten schon seit Wochen alles daran gesetzt, durch Tunnel israelische Soldaten oder Zivilisten zu töten oder zu entführen. Bei mehreren Anschlägen gab es zwar israelische Tote, die versuchte Verschleppung einer Leiche bei einem Überfall auf einen Militärposten in Grenznähe wurde jedoch verhindert. 

Kurz nach dem höchst umstrittenen Tauschhandel 2011 schrieb ein Kommentator der Zeitung «Haaretz»: «Nach der Entführung von Schalit sehen einige israelische Offiziere einen toten Soldaten als besser an als einen entführten.» 

Umstrittenes «Hannibal-Protokoll»

Das Militär habe nach dem Vorfall das umstrittene sogenannte «Hannibal-Protokoll» in einer überarbeiteten Form wieder eingeführt. Kommandanten sollen demnach bei einer befürchteten Entführung alles unternehmen, um sie zu vereiteln, selbst wenn es das Leben des Soldaten in Gefahr bringt. 

Generalstabschef Benny Ganz betonte, das Protokoll erlaube es nicht, einen Soldaten gezielt zu töten, um seine Verschleppung zu verhindern. Ein Kommandant sagte dem linksliberalen Blatt allerdings, er habe seine Soldaten angewiesen, bei einem Entführungsversuch auf Terroristen zu schiessen, selbst wenn sie dabei ihren Kameraden treffen könnten. «Die Botschaft ist, dass kein Soldat in Gefangenschaft geraten darf, und es ist eine eindeutige Botschaft.» 

USA geben 225 Millionen Dollar für Israels «Eisenkuppel»

Der US-Senat hat 225 Millionen Dollar (204 Millionen Franken) zur Verstärkung des israelischen Raketenabwehrsystems «Eisenkuppel» bewilligt. Die Entscheidung fiel einstimmig. «Wir senden eine klare Botschaft an die Hamas, dass ihre terroristischen Taktiken und ihre Versuche, die israelische Bevölkerung zu terrorisieren, keinen Erfolg haben werden», sagte der Fraktionschef der Republikaner, Mitch McConnell, am Freitag in Washington. 

Es gilt als sicher, dass auch das Repräsentantenhaus zustimmen wird. Das Abwehrsystem fängt einen Grossteil der Raketen ab, die die radikal-islamische Hamas aus dem Gazastreifen nach Israel abfeuert. (viw/sda/dpa) 

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