Die Aufforderung des Hamas-Sprechers war eindeutig: «Hast du keine Autos, Motorräder, Messer, Keulen, Bagger und Lastwagen? Wenn du das hast, und damit nicht Juden oder Siedler angreifst und Dutzende Zionisten tötest – dann bist du kein Palästinenser», sagte Fausi Barhum, ranghoher Funktionär der palästinensischen Islamisten in der vergangenen Woche.
Am Montag hat ein Palästinenser genau das getan, was Barhum verlangt hatte. Mitten am Tag, in Schmuel Hanavi, einem ruhigen Viertel im Norden von Jerusalem. Der Attentäter Mohammed Naif Dschabis kletterte in einen Bagger und fuhr los. Er kam nur 50 Meter weit, doch auf dem Weg tötete er einen Fussgänger, stiess einen Bus um, und verletzte fünf Personen. Ein Justizvollzugsbeamter, der zufällig in der Nähe war, feuerte schliesslich mehrfach auf den Angreifer und verletzte ihn tödlich.
Es dauerte nur wenige Stunden, da meldete sich Hamas-Sprecher Barhum wieder zu Wort: «Die Operation in Jerusalem ist ein mutiger Akt des Widerstands und die natürliche Reaktion auf die Massaker der Besatzer gegen unser Volk im Gaza-Streifen», sagte der Funktionär.
Die Familie des Attentäters bestreitet, dass der 19-Jährige vorsätzlich gehandelt habe. «Ein Verkehrsunfall hat sein Schicksal besiegelt», sagte ein Angehöriger dem israelischen Internetportal «Ynet». Mohammed Dschabis habe sich nie für Politik interessiert. Doch die Spuren der Verwüstung und Amateuraufnahmen von der Tat lassen keinen Zweifel daran, dass der junge Palästinenser gezielt Zivilisten töten wollte.
Das Baggerattentat stellt Israels Regierung vor ein Dilemma. Jitzchak Aharonovich, Minister für Innere Sicherheit, nannte den Vorfall einerseits «unbedeutend». Im gleichen Atemzug warnte er jedoch davor, dass sich ähnliche Angriffe jederzeit wiederholen könnten. Jossi Pariente, Polizeichef von Jerusalem, sagte lapidar: «Wir haben so etwas erwartet.» Seit dem Mord an drei jüdischen Schülern im Westjordanland und dem folgenden Rachemord an einem palästinensischen Jungen sind die Sicherheitskräfte in besonderer Alarmbereitschaft, noch mehr seit Beginn der israelischen Militäroperation im Gaza-Streifen.
Vor sechs Jahren hatten sich in Jerusalem zwei ähnliche Angriffe innerhalb weniger Wochen ereignet. Damals waren Palästinenser mit Bulldozern absichtlich in andere Fahrzeuge gerast – unter anderem in einen Linienbus. Drei Menschen wurden dabei getötet. Im Oktober vergangenen Jahres versuchte ein Mann mit einem Bagger in einen Militärstützpunkt nördlich von Jerusalem zu rasen. Er wurde von Wachen erschossen. In jedem dieser Fälle waren die Täter Araber aus dem besetzten Ostjerusalem.
Gegen diese Angriffe hat Israels Terrorabwehr kaum Mittel in der Hand. Die Attentäter leben in einem Gebiet das Israel annektiert hat und als eigenes Staatsgebiet bezeichnet. Diese Menschen kann die Regierung nicht wie die Palästinenser im Westjordanland einfach hinter eine meterhohe Sperranlage verbannen. Wenn ein Araber aus Ostjerusalem fest entschlossen ist, ein Attentat zu verüben, ist er im Vorfeld kaum zu stoppen. Erst recht nicht, wenn er ein alltägliches Arbeitsgerät wie einen Bagger in eine Angriffswaffe verwandelt.
Wenige Stunden nach dem Angriff feuerte ein unbekannter Täter in der Nähe der Hebräischen Universität von Jerusalem auf einen Soldaten. Der 20-Jährige wurde am Bauch getroffen und schwer verletzt. Der schwarzgekleidete Angreifer flüchtete nach Angaben der Polizei auf einem Motorrad in ein arabisches Viertel in Ostjerusalem. Die Sicherheitskräfte fahnden auf Hochtouren nach dem Verdächtigen.
Jerusalems Bürgermeister Nir Barkat warnte die Bürger davor, Rache an Palästinensern zu nehmen. «Niemand sollte das Recht in die eigenen Hände nehmen», sagte das Stadtoberhaupt. In den vergangenen Wochen hatte es mehrfach Übergriffe von Juden gegen Araber in Jerusalem gegeben.
Die beiden Angriffe ereigneten sich an einem besonders sensiblen Tag für Israel. Ab Sonnenuntergang am Montag begehen die Juden Tisha Beav, den Fast- und Trauertag zum Gedenken an die Zerstörung des Jerusalemer Tempels. Der Tag gilt als der traurigste des jüdischen Kalenders.