Traktor-Unfall
Poltergesellschaft missachtete Vorschriften – Experte: «Der Fahrer hatte keine Chance mehr»

Nach dem Traktor-Unglück stehen rechtliche Fragen im Vordergrund. Wie Recherchen der az zeigen, hätten die Junggesellen so nicht unterwegs sein dürfen. Zwar sind Personentransporte mit landwirtschaftlichen Fahrzeugen gestattet, aber nur für die Bewirtschaftung eines Betriebs.

Mario Fuchs
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Tragisches Ende eines fröhlichen Polterabends: In Wohlen verunglückte die Gesellschaft eines Junggessellenabschieds am Samstag schwer. Die 17 Passagiere, samt Chauffeur und mitgeführtem Equipment, wurden auf die Strasse geschleudert. Drei Personen verletzten sich beim heftigen Unfall schwer.

Anwohner Beni Malgo beobachtete die Szenerie: «Mit viel Lärm und Gepolter ist das ganze Gefährt heruntergekommen. Dann kam es zum Sturz und es herrschte Totenstille», sagte er gegenüber Tele M1. Die Passagiere habe es herausgespickt, sie seien «unter Getränkeflaschen und allem möglichem gelegen». Augenzeugen leisteten sofort erste Hilfe und alarmierten die Rettungskräfte, die schnell vor Ort waren.

Ladung und Personen ungesichert

Die Kantonspolizei nimmt jetzt Traktor und Anhänger unter die Lupe. Die Bremskraft hat offensichtlich bei weitem nicht ausgereicht. Zudem seien «keine wirklichen Sicherheitsvorkehrungen getroffen worden», wie Daniel Saridis, Sprecher der Kantonspolizei Aargau, sagt.

Ladung und Passagiere hätten gesichert werden müssen. Doch auch dann dürfte die Fahrt rechtlich heikel gewesen sein. Personentransporte mit landwirtschaftlichen Fahrzeugen sind nur auf dem Betrieb erlaubt – oder mit einer Spezialbewilligung. Saridis: «Nach ersten Erkenntnissen ist nicht davon auszugehen, dass eine solche Bewilligung vorhanden war.»

Klar ist, dass die Fahrzeuge korrekt eingelöst waren und der Chauffeur, ein Landwirt aus der Region, über die nötige Ausbildung verfügte. Der Fahrer befindet sich nach Polizeiangaben nicht unter den Schwerverletzten. Bei ihm wurde standardmässig eine Blut- und Urinprobe angeordnet. Auch die Passagiere stammen laut Saridis «grösstenteils aus der Region». Angehörige von Betroffenen wollten sich gestern gegenüber der az nicht zum Unfall äussern.

Der in die Jahre gekommene Bührer-Traktor weist nur an der Hinterachse eine Bremse auf. Sie war zu schwach um das Gewicht des Wagens zurückzuhalten.
17 Bilder
Der mitsamt Anhänger umgestürzte Traktor an der Hochwachtstrasse in Wohlen.
Die Hochwachtstrasse weist ein Gefälle von 18 Prozent auf.
Die Polizei geht davon aus, dass der Anhänger zu schwer war und den Traktor im starken Gefälle vor sich her schob.
Dadurch verlor der Fahrer die Kontrolle über den Traktor.
Bei den schwarzen Spuren handelt es sich vermutlich um Bremsspuren vom Unfall-Traktor.
Die Bremsen reichten wohl nicht aus, um dem schiebenden Anhänger entgegenzuwirken und der Traktor prallte in die Mauer.
Die Feuerwehr Wohlen, Kantons- und Regionalpolizei, acht Ambulanzwagen sowie zwei Rettungshelikopter standen am Samstagabend im Einsatz.
Drei Personen erlitten schwere Verletzungen an Rücken, Kopf oder Becken. Sie wurden mit dem Rettungshelikopter in Spitäler geflogen.
Grossaufgebot der Rettungsdienste: Es kamen verschiedenste Ambulanzen aus dem Kanton Aargau.
Auf dem Anhänger befanden sich Festbänke. 17 Leute feierten auf dem Anhänger. Sie und der Fahrer wurden beim Unfall auf die Strasse geschleudert.
Das Bild der Zerstörung lässt erahnen, wie heftig der Unfall ausfiel.
Beim Unfall wurden alle 18 Personen verletzt. Drei von ihnen wurden schwer verletzt. Sie wurden von zwei Rega-Helikoptern abtransportiert.
Die zahlreichen Ambulanzen am Unfallort brachten die Verletzten in die umliegenden Spitäler – bis nach Basel und Luzern.

Der in die Jahre gekommene Bührer-Traktor weist nur an der Hinterachse eine Bremse auf. Sie war zu schwach um das Gewicht des Wagens zurückzuhalten.

mzm

Route falsch eingeschätzt?

Hans Stadelmann, Sicherheitsingenieur bei der Beratungsstelle für Unfallverhütung in der Landwirtschaft in Schöftland, befasst sich beruflich mit solchen Unfällen, erstellt auch Gutachten zuhanden der Staatsanwaltschaft. Er wohnt selber in Wohlen und kennt die Hochwachtstrasse. Stadelmann sagt: «Wenn der Anhänger nicht gebremst war und von einem alten Traktor ohne Allradbremse gezogen wurde, brauchte es nicht viel bei diesem Gefälle.»

In der Landwirtschaft mit ihren schweren Maschinen, die oft länger, breiter oder schwerer als Strassenfahrzeuge seien, werde viel Verantwortung dem Lenker überlassen. Dieser müsse vor jeder Fahrt eine umfassende Beurteilung vornehmen. Mit dieser Anzahl Personen und dem geladenen Material diese Route zu nehmen, sei wohl schlicht eine Fehleinschätzung gewesen: «In der Situation hatte der Fahrer keine Chance mehr».