Baumfrevel
Aargauer Obergericht: Wer fällte die magische Föhre auf der Ramsfluh?

Zwei Freunde standen am Montag vor dem Aargauer Obergericht. Sie sollen im Erlinsbacher Wald rund ein Dutzend Bäume illegal gefällt haben, auch die markante Föhre auf der Ramsflue, einem beliebten Aussichtspunkt in der Region.

Jörg Meier
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Die magische Föhre auf der Ramsfluh vor (links) und nach dem nach wie vor ungeklärten Baumfrevel.

Die magische Föhre auf der Ramsfluh vor (links) und nach dem nach wie vor ungeklärten Baumfrevel.

Tele M1

Der Fall hat das Potenzial für ein währschaftes Stück Heimattheater. Das lässt sich bereits jetzt sagen, auch wenn der letzte Akt – und somit der Ausgang des Theaters – völlig offen scheint. Ob es ein Happy End gibt und für wen, entscheidet das Obergericht. Und das Gericht nimmt es sehr genau. Nach der gestrigen Verhandlung erklärte Oberrichter Jann Six, das Urteil werde schriftlich eröffnet; noch seien einige heikle juristische Fragen im Detail zu klären. Also muss sich dieser Bericht darauf beschränken, das Geschehen der ersten viereinhalb Akte zu erzählen.

Der erste Akt spielt auf der Juraanhöhe Ramsfluh. Sie bietet eine prächtige Aussicht, gilt als Ort der Kraft. Hier sollen die beiden Freunde Fritz und Franz (Namen geändert) an einem Dezembersonntag im Jahr 2015 mit der Motorsäge reihenweise Bäume gefällt haben; ganz schlimm dabei war der Frevel an der über hundertjährigen Föhre, die sich stets tapfer in den Felsen gekrallt hatte und als Wahrzeichen der Ramsfluh galt.

Ein wanderndes Ehepaar, das unterwegs zur Ramsfluh war, hörte den Lärm einer Motorsäge. Oben angekommen sahen sie Fritz und Franz, die um ein mächtig loderndes Feuer sassen. Daneben lag, so versicherte das Ehepaar, eine Motorsäge. Als die Frau dann mitten im Wald auch noch zwei illegal parkierte Autos fand, wurde sie misstrauisch und notierte sich die Nummern. Da sie kein Schreibzeug bei sich hatte, ritzte sie die Ziffern mit einem verkohlten Stecken auf einen Stein und steckte diesen ein.

Zweiter Akt, einige Wochen später: Das Ehepaar informiert den Förster, der Förster den privaten Waldbesitzer. Dieser ermittelt via Autokennzeichen Fritz und Franz, ruft sie an, schreibt den beiden. Doch sie reagieren nicht. Da schaltet der geschädigte Waldbesitzer die Polizei ein.

Dritter Akt, Vernehmung durch die Polizei. Zuerst streiten Fritz und Franz ab, dass sie sich kennen. Dann geben sie dies zu, bestreiten aber vehement, nur das geringste mit dem Holzfrevel auf der Ramsfluh zu tun zu haben. Das, was das Ehepaar für eine Motorsäge
gehalten habe, sei wohl ein Radio oder eine Stablampe gewesen, die sie bei sich gehabt hätten. Fritz und Franz sagten, sie seien einzig auf die Ramsfluh gefahren um in Einsamkeit und Ruhe gemeinsam um den verstorbenen Vater von Fritz zu trauern.

Vierter Akt, Februar 2017, Bezirksgericht Aarau. Gerichtspräsident Andreas Schöb hält die Aussagen der Zeugen für plausibler und konsistenter als die Rechtfertigungsgeschichten von Fritz und Franz. Sie werden schuldig gesprochen, müssen für den Schaden von rund 15 000 Franken aufkommen und eine Busse von 9 600, respektive 8 000 Franken bezahlen. Gegen dieses Urteil legen die beiden Berufung ein.

Fünfter Akt: Wiedersehen vor dem Obergericht. Da wartet die Verteidigung mit neuen Argumenten auf: Die Strafanzeige sei erst sechs Monate nach dem Frevel eingereicht worden und damit eindeutig zu spät und deshalb irrelevant. Weiter sei es höchst unklar, ob die magische Föhre überhaupt zum Privatwald gehört habe oder doch eher zum Ortsbürgerwald. Schliesslich handle es sich um ein Naturschutzgebiet, das sich selber überlassen werde, ein teures Aufforsten sei nicht im Sinne der Sache und erübrige sich deshalb.
Fortsetzung folgt. Versprochen!