Justiz
Islamischer Staat (IS)

Bundesstrafgericht: Terrorverdächtige IS-Sympathisanten bleiben in U-Haft

IS-Anschlagspläne vereitelt

Bundesstrafgericht: Terrorverdächtige IS-Sympathisanten bleiben in U-Haft

Die drei Iraker, die im März und April 2014 wegen Terrorverdachts verhaftet wurden, bleiben gegen ihren Willen in Untersuchungshaft. Die Beschlüsse des Bundesstrafgerichts lesen sich stellenweise wie ein Kriminalroman.
19.01.2015, 11:5919.01.2015, 14:26
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Die Beschwerdekammer des Bundesstrafgerichts hat die Entlassung von drei terrorverdächtigen Irakern im Laufe des vergangenen Jahres abgelehnt, wie aus Beschlüssen ersichtlich ist, die am Montag publiziert wurden. Die drei werden der Unterstützung des Islamischen Staats (IS) verdächtigt, wie die Bundesstaatsanwaltschaft (BA) Ende Oktober unter dem Titel «IS-Anschlagspläne in Europa vereitelt» vermeldete.

Hinzu kommen die Vorwürfe Gefährdung durch Sprengstoffe und giftige Gase in verbrecherischer Absicht, strafbare Vorbereitungshandlungen, Pornografie und Förderung der rechtswidrigen Ein- und Ausreise sowie des rechtswidrigen Aufenthalts.

Im April verlangten die Verhafteten ihre Entlassung aus der Untersuchungshaft. Diese Beschwerden wurden von der Beschwerdekammer des Bundesstrafgerichts im selben Monat allesamt abgelehnt, wie aus den nun publizierten Entscheiden hervorgeht. Eine weitere Beschwerde wurde im Juli zurückgewiesen. Weshalb die Entscheide erst jetzt veröffentlicht werden – bis zu neun Monaten nach den Beschlüssen –, konnte die Mediensprecherin des Bundesstrafgerichts am Montag nicht erklären.

Dringender Tatverdacht bestätigt

Das Bundesstrafgericht konstatierte in allen drei Fällen dringenden Tatverdacht: Die drei Männer sollen eine kriminelle Organisation, konkret die Terrorgruppe «Islamischer Staat im Irak und der Levante» (ISIL), unterstützt haben. Zudem bestehe Flucht- und Kollusionsgefahr.

Ausgelöst wurden die Strafuntersuchungen durch nachrichtendienstliche Informationen eines Partnerdienstes. Aus Telefonabhörungen schloss dieser auf einen vom ISIL geplanten Anschlag. Der Nachrichtendienst des Bundes (NDB) informierte die Bundeskriminalpolizei und darauf eröffnete die BA Mitte März eine Strafuntersuchung, durchsuchte die Wohnung eines IV-Rentners und hörte dessen Telefon ab.

Im Zentrum des Verfahrens steht ein in der Schweiz anerkannter Flüchtling, der im Rollstuhl sitzt. Der IV-Rentner soll mit einem ISIL-Aktivisten, offenbar dem Drahtzieher, einen Anschlag in der Schweiz oder in den USA geplant haben. Dabei kann es sich gemäss den Richtern «nur um einen terroristischen Anschlag handeln».

Verdächtiger Datenträger

Zu diesem Zweck sollte ein Terrorist aus Syrien oder Saudi-Arabien in die Schweiz eingeschleust werden. Zudem soll der IV-Rentner einen weiteren Mann, einen Familienvater, der seit zehn Jahren in der Schweiz lebt, in die Türkei an die syrische Grenze geschickt haben, um einen Datenträger abzuholen.

Enthalten soll dieser gemäss Telefonüberwachung «Fotos und Erläuterungen zu Arbeiten mit elektronischen Geräten und deren Umbau bzw. von Details über Herstellung von Materialien und den Umbau von Geräten, am besten in Bild und Video». Bis im Juli, dem Zeitpunkt des letzten Beschlusses, war der Datenträger von den Ermittlern noch nicht aufgefunden worden. 

Türkeireise und Geheimnistuerei

Das Bundesstrafgericht bezieht sich in seinen Erwägungen auf mehrere Verdachtsmomente. So hat die Türkeireise, wie vom NDB vorausgesagt, tatsächlich stattgefunden. Der Familienvater begründete diese in den Einvernahmen mit dem Spitalaufenthalt der Mutter des IV-Rentners – später sprach er von seiner eigenen Mutter. Zudem erklärte er, dass er für Schlepperdienste in die Türkei gereist sei: Er habe Verwandte und Freunde in die Schweiz schleusen wollen.

Die Richter erachten das Reisemotiv als unglaubwürdig. Zudem nutzten terroristische Organisationen die Dienstleistungen von Schleppern, wenn sie ihre Mitglieder und Aktivisten in andere Länder verschieben wollten. «Wer als Schlepper tätig ist, kann auch islamistische Aktivisten 'schleppen'.»

Weiter liess die Richter aufhorchen, dass die Hauptfigur sehr bemüht war, den Inhalt von Telefongesprächen geheim zu halten. So warf der Mann dem Türkeireisenden in einem abgehörten Gespräch vor, auf die «offizielle» Telefonnummer angerufen zu haben. Über diese Verbindung könne man keine Geheimnisse besprechen.

«Die Erklärung für ein solches Verhalten kann nur in einem hoch gesteigerten Geheimhaltungsinteresse gründen», halten die Richter fest. Da der Mann gemäss Gericht höchstens am Rande mit den Schlepperaktivitäten seines Kollegen zu tun hatte, «muss das Geheimhaltungsinteresse in einer anderen, illegalen Absicht von erheblicher Bedeutung bestehen».

Dritter als mutmasslicher Terrorist entlarvt

Der dritte im Bund wurde angehalten, als die beiden anderen Männer verhaftet wurden. Die drei hatten sich zu einer Besprechung getroffen. Nach der Befragung wurde der Mann wieder freigelassen. 

Knapp drei Wochen danach wurde er aufgrund erster Ermittlungsresultate verhaftet. Die Auswertung seines Mobiltelefons und der Befragungen erhärteten den Verdacht, dass auch er an der Planung und Vorbereitung eines Attentats im Auftrag oder für die ISIL in der Schweiz mitbeteiligt war. Zudem fanden sich auf seinem Handy Gewaltdarstellungen und kinderpornografisches Material. 

Im April war seine Funktion noch nicht klar. Doch schon zu diesem Zeitpunkt erörterte das Bundesstrafgericht, dass der Mann der eingeschleuste Terrorist sein könnte. Belastendes Indiz war unter anderem die Anwesenheit am Treffen zwischen den beiden anderen.

Aus dem Beschluss vom Juli geht hervor, dass es sich beim dritten Mann tatsächlich um einen Iraker handelt, der verschiedene Aliasnamen nutzt und der bei Interpol wegen Aktivitäten im Bereich des Terrorismus im Irak registriert ist. Er soll Anschläge geplant und finanziert haben und gilt als hochrangiges Unterstützungsmitglied der Al-Kaida. (whr/sda)

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