Dass wir heute alle so Emoji-gestört sind, hat ganz allgemein mit der Schriftlichkeit internetbasierter Kommunikation zu tun, in der es an nonverbalen Ausdrucksmitteln fehlt. Das, was beim Kaffeeklatsch Mimik und Gestik leisten, wird im Chat bestenfalls durch Smileys ausgedrückt.
Ursprünglich war die Form der Emoticons durch Ähnlichkeiten mit Gesichtsausdrücken motiviert, die wiederum konventionell mit verschiedenen Gefühlen in Verbindung gebracht werden.
Für häufig verwendete Emojis hat sich in unserer Gesellschaft eine Art Grundbedeutung festgeschrieben – beispielsweise im Text auf Wikipedias «List of Emoticons». So weiss natürlich jeder, dass «:‑Þ» eine ausgestreckte Zunge bedeutet, bei «8-0» bin ich wiederum nicht ganz so sicher. Je nach Kontext kann die Emoji-Grundbedeutung also auch variieren, und so Spielraum für Interpretation bieten, was dann zum Streit zwischen Annika und Lukas führt. Was hat zum Beispiel der lachende Smiley mit Tränen in den Augen (oder offiziell: «Gesicht mit Freudentränen») zu bedeuten, wenn er an einer vollkommen unangebrachten Stelle abgesetzt wird?
Je nach Sprachgefühl des Absenders können Emojis also ganz gut dazu beitragen, den Stil einer WhatsApp-Interaktion als ungezwungen zu markieren, genauso wie der lustige Smiley an der falschen Stelle Irritationen beim Empfänger hervorrufen kann. Ist ein fahrlässiger Emoji-Einsatz einfach nur schlechter Stil, so wie auch eine Zeit lang Socken in Sandalen mit modischem Fehlversagen gleichgesetzt wurden? Und: wann ist dieses Emoji-Game zwischen familiären WhatsApp-Gruppen und Firmen-Chat so kompliziert geworden?
Als Teenager, der vor einem klobigen Windows-Rechner aufs Einwählen des Modems wartete (Help! I’m gettin' old), kann ich mich noch gut an die Nachmittage erinnern, die ich statt draussen in Muttis Garten vor dem Computer in fragwürdigen Foren verbrachte. MSN-Emojis gab es damals zwar auch schon (kann sich jemand an die furchtbaren GIFs erinnern, die statt Buchstaben verwendet wurden?), über die Bedeutung des betenden-Hände-Emoji mussten wir uns allerdings noch nicht den Kopf zerbrechen. Denn wenn es hart auf hart kam, konnten wir uns alle auf einen Smiley einigen. Nämlich den hier:
Auch als Doppeldach-Emoticon bezeichnet. Das ^^ war der Smiley meiner Jugend. Wenn ich unsicher war, wie eine Nachricht beim anderen in MSN rüberkam, stellte ich einfach ein ^^ hintendran und schwupps klang alles gleich fünf Grad freundlicher. Nicht auf diese etwas schelmische Art allerdings, wie das der «;)» verursacht, sondern so echt und freundlich wie der Heimatempfang von Mutti am Flughafen, wenn man drei Monate nicht zu Hause gewesen war. Grossartig.
Während das Zeichen in der geschriebenen und gedruckten Sprache in der Regel über einem Vokal (z.B. ê) zu finden ist, haben wir das Symbol im Chat meist zweimal hintereinander geschrieben. Bei meinen Recherchen wundert es mich deshalb umso mehr, dass keine mit der Suchanfrage «^^» übereinstimmenden Dokumente gefunden wurden, wo ^^ anno 2007 doch bestimmt unter den Top 3 meistverwendeten Smileys gelandet wäre – gemeinsam mit -___- und <3.
Okayokay, wir sind hier schliesslich nicht mehr bei MySpace. Und doch vermisse ich meinen alten Lieblingssmiley in manchen Konversationen, die ohne einfach nur kalt und abgebrüht klingen. Der ^^-Smiley hat jedem Satz, der missverständlich kommuniziert wurde, seine «Awkwardness» genommen und die Message, so fies sie auch gewesen sein mag, in etwas Positives verwandelt.
An alle nach 1995 Geborenen: ^^ bedeutet übrigens, dass das Gegenüber lächelt oder sich über eine Antwort freut, die beiden spitzen Dächer sind dabei als zwei Augen zu verstehen.
Das Dachsymbol findet ihr rechts oben auf der Tastatur, neben der Backspace-Taste. Es kann genauso inflationär verwendet werden, wie der «Gesicht mit Freudentränen»-Emoji und wird alle eure Freunde auf Snapchat verwirren, die euch Selfies mit Hasenohren senden.
Lasst es mich wissen, was sie gesagt haben. Viel Spass mit den verstaubten Chat-Techniken der frühen und mittleren Zweitausender!
Ich bin dann mal afk.