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Rebellische Teenager: 10 Filme zeigen die Revolutionen der Generationen

Jeder Generation die eigene Revolution – 10 Filme über rebellische Teenager

bild: keystone/ watson
Teenager rebellieren – aber wogegen und warum? Diese 10 Filme zeigen, worauf sich der jugendliche Ärger zu unterschiedlichen Zeiten bezogen hat. 
14.04.2018, 19:0216.04.2018, 11:52
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Sechs Minuten und 20 Sekunden blickt Emma Gonzalez in die Menschenmasse bestehend aus 800'000 leeren Gesichtern, die sich in der US-amerikanischen Hauptstadt Washington D.C. versammelt haben. Sechs Minuten und 20 Sekunden – so lange dauerte das Massaker an ihrer Schule im vergangenen Februar, bei dem 17 Menschen starben. Diese Ereignisse machten Emma Gonzalez zu einer politischen Aktivistin. Ihre Öffentlichkeitsarbeit für strengere Waffengesetze in den USA steht der Dramaturgie eines aufwändig überarbeiteten Hollywood-Drehbuchs in keiner Weise nach.

FILE - In this March 24, 2018, file photo, Cuban-American and Parkland activist Emma Gonzalez, a survivor of the mass shooting at Marjory Stoneman Douglas High School in Parkland, Fla., addresses the  ...
Emma Gonzalez bei ihrer Rede, bzw. bei ihrem Schweigen.Bild: AP/ AP

Ziemlich genau 50 Jahre früher in Paris. Studierende verbarrikadieren die Strassen der Stadt. Die Polizei nimmt 500 Personen fest, verletzt einige sehr stark, es ist sogar von Toten die Rede. Die Bevölkerung ist empört. Ganz Europa solidarisiert sich mit den Pariser Studierenden. Alle wollen weniger Autorität. Einige nannten es eine Massenrevolution. Die 68er Bewegung. Ebenfalls filmreif. 

Die Verzweiflung, der Ärger, die Lust und die Dummheit noch nicht ganz erwachsener Menschen hat schon immer eine Kraft entwickelt, die Gewohntes verwerfen will – ob politisch oder privat. Mal war es die Kleiderordnung, dann der Musikstil, einmal die sexuelle Freiheit und nicht selten das gesamte System. Die Rebellionssehnsucht im Teenageralter fasziniert. Wir haben 10 Filme herausgesucht, die zeigen, worauf (und wogegen) sich jene Sehnsucht in den unterschiedlichen Zeiten bezogen hat.

Rebel without a cause 

Bild: neue visionen filmverleih

Die Idee vom Teenager – ja von der Jugend an und für sich – wie wir sie heute kennen, ist eine Erfindung der 50er-Jahre. Die Kombination aus Eltern mit Nachkriegsdepressionen, dem Aufbau eines soliden Mittelstands und dem massentauglichen Zugang zu hoher Bildung führte dazu, dass der Übergangsphase vom Kindes- ins Erwachsenenalter plötzlich eine grosse Bedeutung zugeschrieben wurde. Und zwar die Bedeutung der Rebellion.

Der Teenager der ersten Stunde war einer, der mit dem Erwachsenwerden und den damit verbunden bürgerlichen Pflichten nichts zu tun haben wollte. Nach dem Krieg tat die Welt der Erwachsenen nämlich so, als liefe alles wieder rund. Aber das machte den Teenie der 50er aggressiv. Er verweigerte sich der Integration in jene scheinheilige Normalität. Er fing an zu rebellieren. Aus Sicht der Erwachsenen, tat er dies nur aus Prinzip. Ohne spezifischen Grund.

Im Film mit dem deutschen Titel «… denn sie wissen nicht, was sie tun» wird die verschmitzte Visage von James Dean zum (anzüglichen) Gesicht des mutmasslich grundlosen Rebellen. 

«Wieso ich besoffen bin? Weil sich meine Eltern ständig streiten, ich mich nicht verstanden fühle und es nicht schaffe, Respekt vor meinem Vater zu haben.»  
James Dean als Jimmy Stark in «Rebel Without A Cause»

If …

Bild: neue visionen filmverleih

Dass die jugendliche Rebellion nicht ganz so grundlos ist, zeichnete sich erst im Verlauf der 60er-Jahre ab. Im Film «if …» bombardieren die Aussenseiter eines gehobenen Internats ihre bürgerlichen Mitschüler, die autoritäre Schulleitung und die biederen Ehrengäste einer Diplomfeier. Aber das Establishment schlägt blutig  zurück und der Film illustriert so, was im Jahre 1968 am liebsten diskutiert wurde:  Den Generationenmentalitätskonflikt.

«What stands, if freedom falls? Who dies, if England lives?»
Mick Trafis in «If …»

Hair

Bild: neue visionen filmverleih

Dass rebellierende Teenager mit der 68er-Bewegung eine Legitimation erhielten, liegt nicht zuletzt auch am bereits erwähnten Bildungszugang, infolgedessen komplexe Probleme für eine viel grössere Gruppe von Menschen greifbar wurden. Mit dem neuen, kritischen Geist fingen sie an, die Welt zu hinterfragen. Man verlangte nach sexueller Freiheit, stellte sich die Frage nach alternativen Lebens- und Wohnformen und kritisierte den Vietnamkrieg.

Aus der Kleinfamilie entsteht der Faschismus. Sie ist die kleinste Zelle des Staates, aus deren unterdrückerischem Charakter sich alle Institutionen ableiten. Sie muss zerschlagen werden.
Auszug aus den Statuten der «Kommune 1», eine der ersten Wohngemeinschaften jener Zeit 

Sobald die 60er aber vorbei waren und Pflastersteine wieder an den Strassenränder lagen, veränderte sich auch der Rebellionscharakter der meisten Teenies. Statt in einem Massaker wie beim Film «if …» manifestierte sich der jungendliche Aufstand der allermeisten in (teilweise bekifften) Friedenspredigten und in Protesten gegen Atomstrom. Im Musical-Film «Hair» kann diesem Geist auf süsse Art nachempfunden werden.

«Hair» erzählt die Geschichte einer Gruppe langhaariger Hippies, die in der Stadt New York leben und lieben und sich gegen die Einberufung als Soldaten für den Vietnamkrieg auflehnen. Der frisch vom Land hinzugestossene Claude Hooper befindet sich dabei immer wieder in einem inneren Konflikt zwischen den patriotischen Impulsen seiner bürgerlichen Herkunft und den im Kreise seiner neuen Freunde erstarkten pazifistischen Idealen. Soll er wie all seine Freunde den Kriegsdienst verweigern, ins Gefängnis wandern und sich einer sozialen Ächtung unterziehen? Oder sich der militärischen Autorität unterwerfen, Menschen töten und sein Leben in Vietnam riskieren?

Der Baader Meinhof Komplex

Bild: constantin film

Rebelliert haben die Jungen der 70er also gegen die vorherrschenden Normen, gegen das starre Gedankengut der Regierungen, für Feminismus und für mehr autonome Freiräume. Rebelliert haben die meisten. Aber randaliert haben nur wenige.

Statt mit Blumenkleid und Haschisch freie Liebe zu praktizieren, griff in Deutschland etwa die «Rote Armee Fraktion» vor allem in den 70er-Jahren zu terroristischen Mitteln, um ihrer politischen Agenda Ausdruck zu verschaffen. Der Tatbestand, der am Ende ihres Wirkens zurückblieb: Verantwortlich für 33 Morde an Führungskräften aus Politik, Wirtschaft und Verwaltung, deren Fahrern, an Polizisten, Zollbeamten und amerikanischen Soldaten sowie für die «Schleyer-Entführung», mehrere Geiselnahmen, Banküberfälle und Sprengstoffattentate mit über 200 Verletzten.

Wie, wann, ob und mit welcher Begründung das alles stattfand, dem geht der Film «Der Baader Meinhof Komplex» nach, benannt nach zwei der vier Gründungsmitglieder.

«Wirft man einen Stein, so ist das eine strafbare Handlung. Werden tausend Steine geworfen, so ist das eine politische Aktion.»
Martina Gadek als Ulrike Mainhof in
«Der Baader Mainhof Komplex»

Züri brännt

Bild: keystone

Auch in der Schweiz folgte nach einem Jahrzehnt Flower Power ein eher militanter Jugendgeist. Im Film «Züri brännt» werden die Jugendunruhen der frühen 80er-Jahre dokumentiert. Während der Zürcher Stadtrat im Mai 1980 60 Millionen Franken für die Renovation des Opernhauses genehmigte, lehnte er die Forderung nach einem autonomen Jugendzentrum ab. Der Film dokumentierte die Organisation und die Kraft aber auch die Gewalt, die jener Diskurs um Hoch- und Subkultur entfaltet hat.

Born in Flames

Bild: pd

Der Film «Born in Flames» tut so, als wäre die Revolution von der alle seit dem ersten geworfenen Pflasterstein im Mai '68 träumen, tatsächlich passiert. Auf fast schon zynische Art und Weise zeigt der Indie-Film das New York der 80er-Jahre und tut so, als wäre die dargestellte Stadt ein Teil der neuen kommunistischen USA. In jener Ironie will der Film zeigen, welche Dinge durch die Romantisierung der 68er-Bewegung vergessen gehen. Hauptpunkte dabei sind die Diskriminierungen aufgrund von Geschlecht oder ethnischer Zugehörigkeit.

Eine Gruppe schwarzer Frauen machen deshalb auf Fahrrädern Patrouillen, peinigen Männer, die sexuelle Übergriffe begehen und entwickeln einen jugendlichen Rebellionsgeist, der dem der 68er zwar in fast allen Belangen gleich kommt, sich aber explizit gegen dessen Errungenschaften richtet. 

The Breakfast Club

Bild: united international pictures

Im Jahre 1985 hat «The Breakfast Club» die Teenie-Rebellion neu erfunden. Auf jeden Fall für die Filmwelt. Ein Schlaumeier, eine Schönheit, ein Muskelprotz, ein Freak und eine Ausgeflippte sind acht Stunden lang in einer Schulbibliothek «gefangen». Weil sie sich gegenseitig nicht aushalten, brechen sie gemeinsam aus. Sprich: Rebellieren gemeinsam gegen ihre gegenseitige Ablehnung.

«We're all pretty bizarre. Some of us are just better at hiding it, that's all.»
Andrew in «The Breakfast Club»

«The Breakfast Club» zeigt den Teenie-Frust nicht als Generationen- oder Klassenkampf, sondern als Coolness-Kampf. Lehrer, Eltern und andere Autroitäten sind zwar immer noch vorhanden, aber der wahre Druck kommt aus der gegenseitigen Bewertung. Der Film skizziert die verworreneren Machtverhältnisse einer modernen, spätkapitalistischen Gesellschaft, deren Mitglieder sich über Kleider, Grösse und Musikgeschmack voneinander abgrenzen. «The Breakfast Club dient bis heute als Grundvorlage jedes trashigen Teeniefilms.

«Do you think I'd speak for you?
I don't even know your language.»
Bender in «The Breakfast Club»

Kids

Bild: senator filmverleih

«Kids» aus dem Jahr 1995 kam zwar nicht im Mainstreamkino an, doch seine Figuren rebellierten gegen dieselbe Gegebenheit wie seine hollywoodesken Zeitgenossen. Die Teenies aus «Kids» kämpfen nicht gegen das politische Establishment, sondern hadern mit ihren eigenen Sehnsüchten, ihrer Verlorenheit und der Frage: «Wo ist mein Platz in dieser abgefuckten Welt?»

Im Zentrum des Films steht  der 16-Jährige Telly, dessen Hobby es ist, junge Mädchen zu entjungfern. Nebst dem zieht er sich gerne diverse Drogen rein, raubt kleine Quartierläden aus und guckt sich Skateboard-Videos an. Der Zuschauer weiss, dass Telly HIV-positiv ist. Telly selber nicht. Die vorgespielte Leichtigkeit seines Lebensstils wird beim Zugucken all der Vergewaltigungen und der Drogenexzesse zu einem realistischen Horrortrip für das Publikum.

«But like, if you deflower a girl man, man, you're the man. No one can ever do that again. You're the only one. No one, no one, has the power to do that again.»
Telly in «Kids»

The Beach

Bild: 20th century fox

Ein halbes Jahrhundert nachdem James Dean sich eine Lederjacke um die Schulter gelegt und eine Filterzigarette in den Mundwinkel gesteckt hatte, wurde ein neues bübisches Gesicht zum Zeichen jugendlicher Aussteigerromantik: Leonardo DiCaprio. Er reist in «The Beach» zu einem für Touristen sonst unerreichbaren Strand, wo er sich gezwungen sieht, einer Kommune beizutreten. Der Film behandelt das Thema Eskapismus, das bezeichnend für die Unzufriedenheit einer Generation steht, der es eigentlich gut gehen sollte.

«Weil alle dieselbe Idee haben, landen wir alle an denselben Orten. Checken irgendwo ein, wo's dieselben Comforts gibt wie zu Hause. Dann guckst du Fern am anderen Ende der Welt und redest dir ein, du seist speziell.»
Leonardo DiCaprio als Richard in «The Beach»

Springbreakers

Bild: wild bunch

Solange Teenies kein klares Feindbild kennen, scheint ihre Rebellion grundlos, kleinlich und peinlich. Der Film «Spring Breakers» treibt diesen Zustand komplett auf die Spitze.

Die Spring Break ist die US-amerikanische Frühlingspause, während der die Mehrheit der amerikanischen Studierenden an Partydestinationen wie Florida, Miami oder Palmsprings reist, um sich dort organisiert und kollektiv die Kante zu geben. Der Film porträtiert vier Freundinnen die genau dies tun. Aber anstatt nach einer halben Woche wieder ins normale Leben zurückzukehren, wollen die Protagonistinnen von Spring Breakers nicht mehr aufhören. Ihre Frühlingsferien werden zu einer Art spirituellem Trip, der sich von der Realität zwar komplett loslöst, aber gerade deshalb zu einer akkuraten Darstellung  hoffnungsloser Rebellion ohne Ziel, aber mit tausend Gründen wird.

«Dieser Ort ist magisch, Grandma. Ich will nächstes Jahr mit dir hierhin fahren.»
Selena Gomez als Faith in «Spring Breakers». Sie ruft ihre Oma an, um ihr zu sagen, dass dieser Ort der tausend Poolpartys ein befreiender Kraftplatz sei 

Bonus

Enuogh is Enough

Den Film gibt's nicht. Müsst also nicht googlen. Bild: AP/AP

Emma Gonzalez ist das Gesicht der neuen amerikanischen Jugendrebellion. Vielleicht schlummern in ihr drin dieselben Probleme, mit der die zugedröhnten Selena Gomez in «Spring Breakers» zu kämpfen hat. Aber ausdrücken tut sich Gonzalez' Wut ganz anders. Sie richtet sich gegen die Institutionen, gegen den Präsidenten, gegen die Tradition. Gegen ein klares Feindbild. Mit Demonstrationen und bestickten Bomberjacken – auf die alte Art. Und so fragt man sich: Kommen nach den verlorenen Spring Breakern wieder die organisierten SystemkritkerInnen?

Das sind die besten Filme des Jahrhunderts (laut einer BBC-Umfrage):

1 / 28
BBC-Umfrage: Das sind die besten Filme des Jahrhunderts
25. «Memento» (Christopher Nolan, 2000)
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Aber sie sagt: «Filme sind eine Verblödung der Gesellschaft!»

Video: watson/Aiste Katkute, Emily Engkent

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6 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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molekular
14.04.2018 21:41registriert September 2015
„Die fetten Jahre sind vorbei“ (2004)
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Zum Kommentar
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deepsprings
15.04.2018 11:58registriert Februar 2015
Der Club der toten Dichter (Dead Poets Society), 1989, gehört sicher auch noch in die Liste...
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Zum Kommentar
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