Joel Basman gibt sich geheimnisvoll. Über seinen aktuellen Dreh, der nicht in der Schweiz stattfindet, sagt er bloss: «Ich habe noch nie so etwas Grosses gemacht!» Mehr dürfe er nicht verraten. Nur so viel noch: Es ist eine englische Sprechrolle.
Basman in einem grossen Hollywood-Blockbuster? Es würde nicht überraschen. Der 28-jährige Zürcher ist gefragt. Allein letztes Jahr erschien ein halbes Dutzend neuer Kino- und Fernsehfilme, in denen er mitgewirkt hat: «Private Banking», «Krieg der Träume», «Papillon», «Kursk», «Chris the Swiss» und «Wolkenbruch». Und jetzt stellt er an den Solothurner Filmtagen bereits zwei neue Filme vor. Basman ist pausenlos am Drehen. «So viele Rollen in kurzer Zeit zu spielen, ist auch verwirrend», sagt er und lacht. «Mal war ich zwei Tage lang als orthodoxer Jude unterwegs, dann zwei Tage lang als Nazi.»
Für die grosse Spannweite seiner Rollen wird Basman oft gelobt. Dass er kontinuierlich arbeitet, zeichnet ihn als Schauspieler aber mindestens so stark aus. Keine Selbstverständlichkeit im harten Schauspielbusiness. Wenns gut läuft, sagt Basman, steht er bis Juli für drei weitere Filme vor der Kamera: «Wenn du als Schauspieler erfolgreich sein willst, ist Talent eine gute Voraussetzung. Aber irgendwann kommt der Moment, an dem Glück und vor allem Disziplin genauso wichtig werden.»
Doch auch ein Joel Basman braucht mal eine kreative Pause. Wenn er nicht gerade am Drehen ist, habe er Zeit für die «wichtigen» Dinge im Leben: putzen, einkaufen, Wäsche waschen – und ein paar entspannende Stunden vor dem Fernseher. «Ich habe die Serie ‹Mindhunter› auf Netflix geschaut, manchmal tut auch eine Folge von ‹Der Bachelor› oder ‹Deutschland sucht den Superstar› gut.» Und dann ist da noch die Mode: Basman betreibt mit seinen Eltern in Zürich ein Atelier. Anfang Jahr und im Spätsommer erscheint jeweils die neueste Kollektion, die er mitentwirft. «Für mich ist das sehr wichtig», sagt Basman, «wir sind ein eingespieltes Team.»
Ein eingespieltes Team sind auch Basman und der Zürcher Filmregisseur Michael Steiner. «Wolkenbruch» war bereits ihr vierter gemeinsamer Film. Bei ihrer ersten Zusammenarbeit war Basman ganze 12 Jahre alt. «Ich lernte Joel beim Casting für ‹Mein Name ist Eugen› kennen», sagt Steiner. Basman war darin zwar nur in einer Nebenrolle zu sehen, doch sein Talent ragte laut dem Regisseur schon damals heraus. «Am meisten beeindruckt mich seine Wandlungsfähigkeit», so Steiner. «Er ist der vielfältigste Schauspieler der Schweiz. Dass wir uns so gut verstehen, liegt auch daran, dass wir künstlerisch sehr ähnlich denken.»
«Wolkenbruch» war mit über 260 000 Zuschauern der erfolgreichste Schweizer Kinofilm 2018. Das war nicht selbstverständlich, findet Basman: «Klar, dass die Buchvorlage erfolgreich war, gab uns einen Vorteil. Aber Romanverfilmungen werden oft verrissen. Wenn drei Journalisten deinen Film als Bullshit bezeichnen, kommst du nicht über 15 000 Zuschauer.»
Der Erfolg von «Wolkenbruch» hatte einen kuriosen Nebeneffekt: Basman ist seit 2004 zwar regelmässig in Schweizer Fernseh- und Filmproduktionen zu sehen, doch angekommen in den Köpfen der Schweizerinnen und Schweizer ist er erst jetzt.
Dass er nun überall erkannt wird, stört ihn nicht. «In der Schweiz kannst du immer noch dein Leben leben, das schätze ich.» Auch an den Solothurner Filmtagen herrscht derzeit ein Rummel um seine Person. Basman stellt dort neben «Wolkenbruch» zwei weitere Filme vor. Der erste heisst «Der Büezer» und feiert diesen Samstagabend in der Reithalle Weltpremiere. Basman spielt darin den Sanitärinstallateur Sigi: ein Einzelgänger, dessen Leben zwischen Freikirche und Strich aus den Fugen gerät.
Die Rolle des gesellschaftlichen Aussenseiters, der in Abgründe blickt, ist eine, zu der Basman im Verlauf seiner Karriere immer wieder zurückgekehrt ist.
«Der Büezer» erinnert an düstere Autorenfilme wie «Taxi Driver» und ist an den Solothurner Filmtagen für den Prix de Soleure nominiert. Basman wirkte beim Film erstmals auch als Executive Producer mit. Er und Regisseur Hans Kaufmann (27) sind langjährige Freunde. «Wir verstehen uns vor und hinter der Kamera», so Basman. «Junge Regisseure wie Hans haben es mit ihrem Debütfilm nicht einfach. Für mich war immer klar: Wir machen seinen ersten Film zusammen. Wir haben ein sehr ähnliches Verständnis, was Filme und vor allem ihren Stil betrifft.»
Heisst das, Basman ist heute erfolgreich genug, um sein eigenes Geld in Filmprojekte investieren zu können? «Ich wünschte, ich könnte die Frage mit Ja beantworten», sagt er und lacht. Als Executive Producer sei es vielmehr seine Aufgabe gewesen, Geld in der Privatwirtschaft aufzutreiben. Basman hat Kaufmann mit Burger Collection zusammengebracht. «So konnten wir den Film mit einem kleinen Budget in kurzer Zeit durchboxen», sagt Basman stolz. «Der Büezer» sei von der Nouvelle vague und der Dogma-Bewegung inspiriert. «Wir nennen es Nouvelle Dogma: wenige Schauspieler, kleine Crew, grosse künstlerische Freiheit. Unser höchstes Anliegen war Authentizität.»
Basmans zweiter neuer Film in Solothurn ist «Zauberer», eine Koproduktion von Österreich und der Schweiz. Basman ist darin in einer Nebenrolle zu sehen, er spielt einen Schüler, der fremden Menschen einen Telefonstreich spielt – mit schlimmen Konsequenzen. Auch hier passt das Freche und Abgründige perfekt zu Basmans Profil. Nur den Schüler kauft man ihm nicht mehr ganz ab. «Ich habe mich auch gefragt, ob ich dafür nicht zu alt bin», sagt der Darsteller und lacht. «Schüler sieht man von mir ab jetzt keine mehr. Höchstens solche, die sechsmal sitzengeblieben sind!»
Basman hat in seiner Karriere inzwischen den Punkt erreicht, an dem er sich die Rollen aussuchen kann.
Seine Traumrolle ist die des Bond-Bösewichts, doch eigentlich, sagt Basman, hätten seine Traumrollen immer auf unerwartete Weise zu ihm gefunden. Zum Beispiel bei «Wir sind jung, wir sind stark»: «Als sie mich anfragten, dachte ich: Krass, ihr wollt mich für diese Rolle?» Für seinen draufgängerischen Auftritt im deutschen Film gewann Basman 2015 den deutschen Filmpreis. Das Schweizer Pendant, der Quartz, blieb ihm bislang verwehrt. Doch dank «Wolkenbruch» stehen seine Chancen 2019 gut wie nie.
«Oi oi oi», ruft Basman aus, als wir fragen, welche Emotionen in ihm hochkommen, wenn er auf den Weg zurückblickt, den er seit seinem TV-Debüt 2004 in «Lüthi und Blanc» zurückgelegt hat. «Ich habe hinter der Kamera sicher doppelt so viele Emotionen verspürt, wie ich davor gezeigt habe.» Doch am meisten beeindruckt Vollblutschauspieler Basman eine simple Feststellung: «Ich mache das jetzt schon länger, als ich das nicht mache. Wow!»