Die Schweizer lieben «Chernobyl». Laut Sky Show, die die Serie mit HBO koproduziert haben, legte der Titel beim Streaming-Anbieter den erfolgreichsten Serienstart seit Bestehen der Plattform hin.
Auch in der restlichen Welt lobt man die Miniserie über die Atomkatastrophe in Tschernobyl über alle Massen. Auf IMDb hält «Chernobyl» aktuell ein unglaubliches Rating von 9.6, basierend auf fast 300'000 Bewertungen.
Damit liegt die Serie sogar vor Hits wie «Breaking Bad» (9.5) und «Game of Thrones» (9.4).
Fairerweise muss man aber sagen, dass diese Serien sich jeweils den kritischen Meinungen von weit über einer Million Zuschauern stellen mussten. Trotzdem spricht es für «Chernobyl», dass die Serie sich aktuell auf vielen wichtigen Bewertungsseiten auf Platz eins der Charts hält.
Obwohl Russland in der Serie nicht sehr gut weg kommt, loben selbst russische Medien «Chernobyl» – zumindest die unabhängigen. Das russische Staatsfernsehen NTV ist nämlich überhaupt nicht erfreut darüber, wie die Sowjetunion in der Serie dargestellt wird.
Und was tut man in solchen Fällen? Genau, man dreht kurzerhand eine eigene Version der Serie und stellt die Dinge «korrekt» dar. Das verkündete das russische Staatsfernsehen bereits im Juni, kurz, nachdem «Chernobyl» erschienen war. Inzwischen tauchen immer weitere Details zur russischen Variante auf.
Die Arbeiten an der Serie sind anscheinend schon mitten in der Vorproduktion. Regisseur, Darsteller und Budget stehen fest – es hat den Anschein, als wolle der russische Staat die Serie so schnell wie möglich dem Volk vorsetzen. Laut einem Bericht des US-Branchenblatts The Hollywood Reporter hat das Kulturministerium 30 Millionen Rubel für die Produktion bewilligt. Das entspricht etwa 470'000 Franken.
Auch die Arbeiten am Drehbuch sind anscheinend sehr weit fortgeschritten. Die reichweitenstarke russische Online-Zeitung Komsomolskaya Pravda hat mit dem Hauptdarsteller Dmitry Ulyanov bereits über die Serie geredet. Ulyanov wird demnach einen treuen, russischen Offizier der Spionageabwehr spielen. Ihm stellen die Serienmacher einen CIA-Spion entgegen, der das Kernkraftwerk Tschernobyl sabotieren will. Als er aber bei diesem ankommt, geschieht etwas, das sein Weltbild für immer verändern wird.
Regisseur Alexei Muradov findet an dieser alternativen Geschichte nichts seltsam:
Um Kosten zu sparen, wird die Serie in Weissrussland gedreht. In der Umgebung von Minsk, Woloschin und einigen anderen Städten seien die städtischen Kulissen perfekt, um den Geist der 80er-Jahre einzufangen. Die Macher schwärmen davon, dass diese Städte «lebende Inseln der UdSSR» seien: alte Schilder und Strassennamen, alte Gebäude, die nicht von Aussenwerbung zugepflastert sind und jede Menge Denkmäler von sowjetischen Soldaten.
Veröffentlichen will das russische Staatsfernsehen seine Variante von «Chernobyl» noch 2019. Und der Titel der Serie? Natürlich «Tschernobyl» – einfach auf Russisch.
Etwa so, wie wenn viele Astronomen nicht komplett ausschliessen können, dass es irgendwo hinter einem Planet in der Milchstrasse ein Spaghettimonster gibt.
Und noch wahnhafter als andere Menschen zu belügen ist es, sich selbst zu belügen.
Eine Erinnerung, dass die Russen es unterlassen haben, die Weltgemeinschaft sofort zu informieren. Es hat gedauert bis sie es zugaben.